Die Idee für dieses Buch entstand 1970 bei der Recherche für den ersten Dokumentarfilm, als die Autorin und Filmemacherin die Kinder der Nationalheldin Zoulikha interviewte. 1981 begann Assia Djebar mit der Niederschrift, legte das Manuskript jedoch nach vierzig Seiten wieder weg. »Später fragte ich mich, warum ich sie völlig vergessen hatte, diese außergewöhnliche Frau, über die ich so viel wusste. Damals glaubte ich wohl, es bringe uns in Algerien nicht weiter, über eine tote Heldin zu schreiben. Aber natürlich, inzwischen ist bei uns soviel Schreckliches geschehen … und ich machte mich sofort ans Schreiben, als ich völlig überraschend das alte Manuskript wieder fand.«
Nach zwanzig Jahren hat sie den Roman nun vollendet. Tragisches Detail: Sie arbeitete in ihrem New Yorker Apartment fieberhaft am Abschluss des Textes, druckte ihn spät nachts endlich zum ersten Mal aus – und am nächsten Morgen waren so viele Tote unter den Twin Towers begraben.
Es wird das Leben von Zoulikha Oudai beschrieben. Sie wuchs als Bauernkind auf, arbeitete als Französischlehrerin, war dreimal verheiratet und hatte vier Kinder. 1957 beschloss sie, im Kampf gegen die Kolonialmacht Frankreich zu den Waffen zu greifen. Sie verließ ihre Familie und lebte in den Bergen zusammen mit anderen Guerillakämpfern. Zwei Jahre später wurde sie von französischen Soldaten gefangen genommen und ermordet. Es gab nie ein offizielles Begräbnis.
Mit der bewegenden Geschichte von Zoulikha beschreibt Djebar gleichzeitig das Schicksal einer ganzen Generation während des Unabhängigkeitskrieges in Algerien. Während die Mütter in den Widerstand gingen, blieben die Töchter alleine zurück. Djebar versteht es, die historischen Fakten durch Fiktion zu ergänzen. Sie selbst sagt dazu: »Früher schrieb ich mit einer gewissen Distanz. Heute behandle ich dieselben Themen, indem ich viel freier zwischen Fakten und Inspiration oszilliere.«
»Während ihrer beiden ersten Ehen ging Zoulikha frei auf die Straße, wie eine Französin. Weil sie aber in der dritten Ehe in eine sehr traditionelle Stadt kam, trug sie den Schleier, aber es störte sie nicht, denn sie liebte ihren Mann. Der Schleier bekommt nun also einen Sinn, der von den gängigen Vorstellungen hierzulande abweicht – es gibt eben keine absoluten Wahrheiten. Die Wirklichkeit ist immer vielfältig.«
»In gewisser Weise ist dieses Buch ein Protest, weil die Historiker so viel Arbeit versäumt haben. Es läge ja eigentlich an ihnen, nicht an den Schriftstellern. Es gibt einen dringenden Bedarf an Geschichtsschreibung über Frauen in Algerien und in den meisten islamischen Ländern. In meinem Land zum Beispiel glaubt man, dass es emanzipierte Frauen erst seit dreißig, vierzig Jahren gibt, also seit der Unabhängigkeit. Und dann stellt man fest, dass es schon in den Zwanzigerjahren Pionierinnen wie Zoulikha gab.Die Aufgabe des Schriftstellers ist es ja nur, den Schattengestalten Leben zu verleihen, Vertrautheit, Nähe. Im Grunde habe ich mich mit diesem Buch von einer inneren Schuld freigeschrieben.«
»Der Roman ist eine Empfehlung für alle, die sich auf einen Dialog mit Zoulikha einlassen wollen – mit einer starken Frau und einer Zeit, die viel von den Menschen verlangt hat – auf einen Dialog, der nahe geht.«
»Leicht, fast schwebend kommen die Worte daher, denen sich die algerische Schriftstellerin und Historikerin Assia Djebar bedient, um diese Geschichte zu erzählen – um so bestaunenswerter, als dass es sich um ein solch gewichtiges Thema handelt.«
»Assia Djebar bestätigt auch mit diesem Buch ihre Ausnahmestellung und ihr großes literarisches Können.«
»Ein Buch auf der Grenze zwischen Roman und Dokumentation, das eine hierzulande unbekannte Zeit näher bringt.«
»Die abenteuerliche Geschichte Zoulikhas verschmilzt mit der Kindheit ihrer Töchter, verbindet sich mit den Erinnerungen einer Wahrsagerin und Mitkämpferin, die mit Stolz über die gefährlichen Aktivitäten eines von Zoulikha ins Leben gerufenen geheimen Frauennetzwerkes erzählt. Dieses eindrucksvolle Tonstück schwebt über den historischen und politischen Ereignissen in Algerien. Wie in ihren anderen Büchern bettet die unbestechliche Chronistin ihres Landes individuelle Schicksale in die kollektive Geschichte ein, verflicht berichtende Überlieferungen mit Eindrücken aktuellen Geschehens.«
»Dies polyphone Werk ist nicht nur eine Hommage an Zoulikha, deren Schicksal exemplarisch für das vieler anderer vergessener Heldinnen des algerischen Befreiungskrieges steht, es erinnert auch an jene, die ihr selbstlos halfen und dadurch sich und ihre Angehörigen in Gefahr brachten. Imaginäre Gespräche oder fiktive Monologe mindern nicht den authentischen Charakter dieser Rettung verpflichtender Traditionen, lassen vielmehr die Figur Zoulikha hervortreten ›als eine zentrale Gestalt eines breit angelegten Gemäldes von Frauen – nach dem Vorbild der antiken Mosaiken von Caesarea‹.«
»Assia Djebar webt ein poetisches Netz aus den Wahrnehmungen von vier Frauen, die sich teils überlappen und widersprechen. Der Roman ist keineswegs bloße Nacherzählung der Tatsachen, sondern höchst komplex gebaut. Die wechselnden Zeuginnen kommunizieren – miteinander. Orientalische Erzählfreude mischt sich mit moderner Psychologie, Realismus mit Fantastik. Der Roman wurde von Beate Thill sehr einfühlsam aus dem Französischen übersetzt.«
»Ein atmosphärisch dichtes, intensives Buch zum Thema Befreiung der Frauen, Widerstand und Zivilcourage.«
»Voll Poesie und Rhythmus, eindringlich und kraftvoll, doch nicht zum schnellen Weglesen – ein intensives literarisches Werk.«