Die kleine Idee, aus der Anapuke, Berg der Ahnen entstand, war die wahre Geschichte eines tot geborenen Babys, das im Krankenhaus im Abfall landete und schließlich der trauernden Familie für die Bestattung zurückgegeben wurde, jedoch ohne Augen. Es ist ein literarischer Kunstgriff (das Baby ist den ganzen Roman hindurch anwesend), den die Leser nicht so schnell vergessen können. Grace sagt, dass sie die Geschichte nicht wegen ihrer schockierenden Wirkung verwendet hat – »aber sie ist sehr eindringlich und bewegend, und Fiktion soll ja eindringlich und bewegend sein« –, obwohl sie tief schockiert war, als sie 1991 zum ersten Mal von dem toten Baby hörte. »Ich konnte es lange nicht vergessen. Aber ich glaubte nicht, dass ich darüber schreiben würde, ich dachte, es würde in einem Roman zu unglaubwürdig klingen. Die wahre Begebenheit ist im Roman abgemildert.«
Ebenso schockierend ist für sie eine andere Geschichte, die Eingang findet in den Roman: diejenige von Riripeti, die »von der Schule umgebracht wird«, weil sie nicht die richtigen Antworten in der richtigen Sprache geben kann. Grace benutzt diese Geschichten, um Familiengeschichten mit heutigen Maori-Anliegen zu verknüpfen, wie schon in ihren früheren Büchern.
»Ein Reiz der Geschichte liegt in der Verknüpfung der verschiedenen Stimmen und der Verdichtung, die die Ereignisse erfahren. Mehr aber noch fasziniert die Individualisierung der Personen durch das sprachliche Ausdrucksvermögen der Autorin. So unterscheidet sich die Sprechweise der Generationen deutlich voneinander. Kuras in Altersweisheit getragene, reflektierte Erinnerungen, Te Paanias atemlose und sehr private Beschreibung der vielen Wechselfälle ihres Lebens und die kindlich-jugendliche Sprache Taweras.«
»Patricia Grace macht es ihren Lesern nicht einfach – und den Übersetzern ins Deutsche auch nicht. Sie verbindet nicht nur die einzelnen Erzählstränge, sie wechselt immer wieder auch die Erzählperspektiven. Sie hat aus diesem Stoff einen anspruchsvollen Roman gemacht, literarisch und politisch.«
»In Patricia Graces Erzählungen gibt es keinen Urzustand mehr, keine heile Welt der Vergangenheit: das Leben der Maori findet im Kontext der multiethnischen Gesellschaft Neuseelands von heute statt. Patricia Grace ist eine genaue Beobachterin: sie zeigt Momentaufnahmen von Menschen, die im Spannungsfeld von mühsam geretteten Traditionen und den Anforderungen der modernen Leistungsgesellschaft leben – und sich mehr oder weniger gut durchschlagen.«
»Dieser Romaneinstieg ist wirklich ungewöhnlich: Die Maori-Autorin Patricia Grace beginnt ihre Erzählung aus der Sicht eines ungeborenen Kindes im Bauch seiner Mutter, das mit seinen ›Krötenbabyöhrchen‹ den Gesprächen der Erwachsenen lauscht und kurioserweise auch alles sehen kann. Man muss immer wieder zurückblättern, nachlesen, nachdenken; und wird doch hineingezogen in diese oft lautmalerische, sehr sinnliche Sprache, und den Kampf der Familie um das Flurstück 165G10, den heiligen Berg ihrer Ahnen.«
»Ein wunderbarer Roman: Eine Geschichte voller Lebenserfahrung und Weisheit, die Einblick gibt in das Denken und Fühlen der Nachfahren neuseeländischer Ureinwohner.Diese Sichtweise akzeptiert den Schmerz, der zum Leben dazugehört. Und sie integriert Verlust und Tod, Abschied und Trauer als wesentliche Weltdimensionen, anstatt das, was wehtut, zu verdrängen oder gar ausmerzen zu wollen.«
»Eindrucksvoll ist der große Zusammenhalt im Familienclan und die Beziehung zu den verstorbenen Ahnen dargestellt.«
»Sehr einfühlsam und spannend rollt Patricia Grace die Geschichte mehrerer Maori Familien auf: die Zeit, als in der Schule die Maori-Sprache verboten war bis hin zur Gegenwart, wo an Maori ohne ihre Einwilligung wissenschaftliche Experimente gemacht werden.«
»Der Roman gibt einen authentischen Einblick in eine sehr fremde Welt. Patricia Grace, als erste Maori-Autorin hier vor allem mit ihrem Roman ›Potiki‹ bekannt geworden, kennt die Geschichte und die Problematik ihres Volkes sehr genau. Herzzerreißend lässt sie die Großmutter von den Leiden der Maorikinder in den weißen Schulen erzählen. Und zugleich gibt sie einen hoffnungsvollen Ausblick, wenn dieselbe Frau später angestellt wird, um beim Unterricht in der Maorisprache mitzuhelfen.«
»Maorikultur ohne Ethno-Peinlichkeit.«