Die Journalistin Nevra Tuna steckt in einer tiefen privaten und beruflichen Krise. Um ihre Karriere zu retten, möchte sie ein Interview mit der inhaftierten kurdischen Politikerin Zelha Bora führen. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum sie zu ihr möchte: Nevra vermutet, dass es sich bei ihr um die beste Freundin aus Kindertagen handelt. Nevra schafft es, sich ins Gefängnis einschleusen zu lassen und die Kurdin zu treffen. Das Gespräch der beiden Frauen wird erst einmal zum Schlagabtausch, da jede vehement ihre Position als Türkin. bzw. Kurdin vertritt. Das Interview droht zu scheitern, bis sich Nevra endlich zu erkennen gibt.
Die Frauen frischen ihre Kindheitserinnerungen auf und erzählen sich gegenseitig ihre Lebenswege. Dabei kommen auch ungelöste Fragen zur Sprache, die nun, nach Jahrzehnten, endlich geklärt werden: Warum war Nevras Vater, der türkische Landrat, bei der Familie Zelhas so angesehen? Weshalb stieg er in seiner Laufbahn als Verwaltungsbeamter nicht weiter auf? Welchen Konflikt trugen Nevras Eltern aus, der schließlich sogar zur Scheidung führte? Und was hat das ganze mit Cengiz zu tun, dem damals jungen Verwandten Zelhas, der sich den Partisanen anschloss? Dabei werden auch durchaus allgemeine Probleme angesprochen: Staatliche Gewalt, Folter und katastrophale Haftbedingungen, ungenügende Bildungschancen für Kurden, mangelnde Rechte für Frauen, unmenschliche Traditionen wie Blutrache und Ehrenmord.
Die beiden Frauen gewinnen Verständnis für die Situation und Haltung der anderen. Sie wollen sich dafür einsetzen, dass der Konflikt zwischen Kurden und Türken in einer gangbaren Lösung für beide Gruppen endet.
Ayşe Kulins Heldin Zelha Bora hat Leyla Zana zum Vorbild. Sie hätte gerne eine Biografie über sie geschrieben, wurde allerdings von Leyla Zana nicht dazu autorisiert. Also entschied sich Kulin für die Romanform.»Informative Brisanz und erzählerische Dichte.«
»Dass eine türkische Autorin sich diesem Thema dermaßen vorbehaltslos nähern kann, ohne dass sie dafür gleich wegen ›Beleidigung des türkischen Staats‹ vor Gericht gezerrt wird, zeigt, dass die türkischen Intellektuellen immer öfters willens sind, die Schleier der Desinformatoin, die über vielen heiklen Themen liegen, zu lüften.«
»Es gelingt Ayse Kulin den großen türkisch-kurdischen Konflikt sowohl anhand privater Geschichten als auch in größeren historischen Geschehnissen, die fast die gesamte Türkei berühren, packend in Szene zu setzen.«
»Kulin verschmilzt in diesem Buch Unterhaltung und Politik, Frauenleid und Gesellschaftsanalyse. Das zählt zum Erfolgsgeheimnis der Autorin, die mehr als zwanzig Romane verfasst und sich oft harte Stoffe gesucht hat: mal den Massenmord von Srebrenica, mal den Militärputsch in der Türkei. Auffällig ist, dass Kulin gleich mehrere Romane in Ostanatolien angesiedelt hat. Andere, die wie sie in Istanbul und Ankara in einer Oberschichtfamilie groß geworden sind, kommen kaum über die Hauptstadt hinaus, gen Osten. Sie aber recherchierte dort, saß in ärmlichen Behausungen, sprach mit Eltern, die zwar Geld für den Fernseher, nicht aber für die Bildung der Kinder ausgeben, schon gar nicht der Mädchen. Auch das, nicht nur die systematische Benachteiligung der kurdischen Region empört Ayse Kulin.«
»Dieser, die realen politischen Verhältnisse genau reflektierende Roman einer ehrlich um Verständigung bemühten und deshalb in der Türkei gefeierten aber auch sehr umstrittenen Autorin, ist aufwühlend und fesselnd geschrieben. Für europäische Leser vermittelt er überdies außerordentlich differenzierte Einblicke in momentane innertürkische Konfliktlagen.«
»Ayşe Kulins jüngster Roman Der schmale Pfad birgt Hoffnung und Aufarbeitung zugleich. Er ist wie eine seit dreißig Jahren blutende Wunde.«
»Ayşe Kulin führt einerseits die ›Fehler‹ der kurdischen Seite vor und betont andererseits, dass die Umsetzung falscher politischer Maßnahmen durch den Staat die Lösung des Problems ebenfalls verhindert. Der schmale Pfad ist demnach das Produkt einer mutigen Initiative in dieser sensiblen Angelegenheit.«
»Die Autorin Ayşe Kulin schreibt in Der schmale Pfad über einen Albtraum, der mittlerweile jeden von uns heimsucht. Was im Südosten geschieht, zeigt sie uns aus der Perspektive der beiden Protagonistinnen. Es ist zweifellos schwierig, die Geschichte langer Jahre im Rahmen eines Tages aufzuarbeiten, vermutlich reicht ein Tag nicht aus. Doch ein Tag kann solch ein Anfang sein. Der schmale Pfad ist der Roman auf der Suche nach solch einem Anfang.«
»Dieser Roman beschreibt auf ehrliche Weise, was die beiden Frauen erlebt haben. Er ist die Fokussierung einer Meisterautorin auf eine historische Phase, die das Land erheblich beeinflusst hat. In seiner Toleranz und seiner Objektivität ist es ein typischer Roman aus der Feder Ayşe Kulins. Einmal mehr weckt sie Bewunderung beim Leser für die Meisterschaft, mit der sie über Menschen schreibt, und dafür, dass sie unumwunden zur Sprache bringt, was sie zu sagen hat.«