»Viel geändert hat sich nicht seit den Fünfzigerjahren, in denen Leylâ Erbil die Studentin Nermin auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und einem passenden Mann durch Istanbuls Boheme-Kneipen schickt. Auch im 21. Jahrhundert herrscht immer noch der Kleinkrieg um die Jungfräulichkeit und die Sorge, was die Nachbarn sagen könnten.«
Sabine Ludwig, DED-Brief, Zeitschrift des Deutschen Entwicklungsdienstes, Bonn
»Stilistisch gehört dieses aus vier unterschiedlichen Abschnitten bestehende und sehr fesselnde Werk Erbils zur Avantgarde, der türkischen zumal. Es gibt Rückblenden mit Tiefendimension, einen inneren Monolog als Bewusstseinsstrom, diverse Perspektivwechsel, das ein oder andere plötzliche Abgleiten ins Surreale, Passagen, in denen die Grenzen zwischen Traum und Realität verwischen. Und in der Sprache verstößt die Autorin, die in Istanbul englische Philologie studierte, ›bewusst gegen festgesetzte Normen‹, wie Glassen im Nachwort festhält.«
Christian Ruf, Dresdner Neuste Nachrichten
»Bis zum Erscheinen der Erstausgabe 1971 galten zwei aktuelle Themenbereiche in der türkischen Öffentlichkeit als absolutes Tabu: die Frauenfrage und die Sexualität. So erregte der Roman, geschrieben von einer Frau, großes Aufsehen.«
Verband Evanglischer Büchereien, Darmstadt
»Der Roman wirkt unglaublich aktuell und modern, ist ebenso politisch wie persönlich, bricht mit Tabus und Traditionen. – Ein bemerkenswertes literarisches Werk (dazu ein kundiges Nachwort), möglich in vielen Bibliotheken.«
Elisabeth Mair-Gummermann, ekz Informationsdienst, Reutlingen
»In spannenden Perspektivenwechseln, eigenwilliger Sprache und erfrischender Direktheit schreibt die heute 74-jährige offen über Masturbation, Inzest und die Scheinheiligkeit der türkischen Intellektuellenszene.«
Berner Zeitung
»›Eine seltsame Frau‹ ist mehr als ein unkonventioneller Frauenroman. Verblüffend, aktuell und provozierend. Ein Roman, der unter die Haut geht!«
Regina Karachouli, Sächsische Zeitung
»Erbils Roman von 1971 trifft den Nerv unserer Zeit. Sie macht nicht nur als eine der bekanntesten und engagiertesten Autorinnen des Landes Lust auf mehr, es ist vor allem ihre ›Seltsame Frau‹, die den Leser nicht mehr so schnell los lässt.«
Aliki Nassoufis, Berlins universelles Studentenmagazin
»Das Buch sticht aus den Neuerscheinungen hervor, die die Frauen aus der Türkei zum Thema haben. In Erbils Buch ist der Prozess der Selbstverwirklichung der Romanheldin ungemein komplexer als das bloße Ablegen des Kopftuches.«
Gülcin Wilhelm, Das Parlament, Berlin
»Hervorragender Einstieg, betörender Appetizer ist ›Eine seltsame Frau‹ von Leyla Erbil. Das ist die Geschichte der Selbstbefreiungsversuche einer jungen Frau auf den Fluchtwegen der Literaturversprechen, ihrer humankommunistischen Ideale im Ränkespiel der Parteien und Interessen, ihrer politischen wie privaten Desillusionierung in der Mitte des Lebens. Wie sie anfangs durch die Cafés der Istanbuler Boheme taumelt und tapfer die Dichterburschen düpiert, um Gehör zu erzwingen und über den Status des Bettvorlegers hinauszufinden, das erinnert stark an Abende im ›Mohren‹, in der Unteren Straße zu Heidelberg weiland, als auch die Studentin sich bewegen wollte. Der Roman entbehrt jeglicher folklorisierender Weichzeichnung und Ornamente. Nicht nur ein völlig unbeachtetes Kapitel trauriger Geschichte revolutionären Scheiterns wird uns Oldschool-Eurozentrikern da nebenher aufgeblättert, sondern auch ein Stück avancierter Literatur auf der Höhe der Zeit.«
Wilhelm Pauli, Kommune, Frankfurt
»Unkonventionell erzählt, spannend zu lesen und nachdenklich machend, gehört der Roman zu den Klassikern der modernen türkischen Literatur. Und unbedingt auf den Lesetisch.«
»Da notiert eine junge Frau mit kesser Ironie und souveränem, rebellischem Witz, wie sie im keineswegs verschlafenen Istanbul der fünfziger Jahre heranreift. Es geht um linke Ideale und um Sexualität und immer wieder um Unabhängigkeit. Erbil ist heute 74 Jahre alt und so etwas wie die Grande Dame der modernen türkischen Literatur. Als das Buch 1976 erschien, war sie Mitte vierzig. Man darf vermuten, dass Autobiografisches eingeflossen ist. Vielen westlichen, gerade auch deutschen Lesern dürfte Erbil ein verstörend-unbekanntes Bild von der Großstadttürkin vermitteln.«
»Die Geschichte einer 19-Jährigen, die in einer dem eher traditionellen Frauenbild verpflichteten Gesellschaft ihr eigenes, weltoffenes Ich sucht, hat bis heute wenig von ihrer Faszination und analytischen Kraft verloren. Auch weil Leyla Erbil ganz einfach eine brillante, humorvolle Erzählerin ist.«
Wolfang Platzeck, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Essen
»Überraschende Perspektivenwechsel, historische Rückblenden, sprachliche Exzesse und surreale Schnitte und Turbulenzen ergeben eine komplexe Erzählsituation. Dem Leser wird eine gewisse Aufmerksamkeit abverlangt, die sich allerdings lohnt, denn zugleich ist diese Geschichte auch das künstlerische Experiment einer gar nicht so seltsamen Frau. Es gelingt hier bei aller Experimentierfreude und Sprachlust, die Facetten von Nermins Persönlichkeit in einem komplexen Netzwerk familiärer Perspektivik zu spiegeln.«
»Im Tagebuchstil notiert eine junge Studentin, wie sie in einem erstaunlich aufgeweckten Boheme-Milieu der Fünfzigerjahre heranwächst. Sie liest Freud, Dostojewski und Marx, schreibt Gedichte und rebelliert gegen eine Mutter, die ein religiös-rigides, sittenstrenges Regiment führt. Es geht um neue Lebensentwürfe, um Erotik und Sex und immer wieder um Unabhängigkeit – in einem Klima von heilloser Verklemmtheit, politischen Gefahren und einem übermächtigen Machismo. 1971 erschienen – lange vor den bekenntnishaften Frauenromanen ›Häutungen‹ von Verena Stefan oder ›Angst vorm Fliegen‹ von Erica Jong, wie sie in der westlichen Welt den Markt bestimmt haben –, war das Buch eine Sensation. Allerdings erzählt sie nicht im feministischen Selbstentblößungston, vielmehr durchschreitet sie mutig Tabuzonen: Erbil schildert eine inzestuöse Geschwisterbeziehung und Masturbationsfantasien, denen, man staune, sogar Josef Stalin als Objekt der Begierde dient.«
»Leyla Erbil experimentiert geschickt mit Erzählstrukturen, die wie der innere Monolog, Perspektivwechsel, Montagetechnik oder das plötzliche Abgleiten ins Surreale bis dahin in der türkischen Literatur kaum verwendet wurden. Aber sie erzählt mit den Gestaltungsmöglichkeiten des europäischen Romans die Geschichte einer jungen Intellektuellen, die immer wieder an die Grenzen des türkischen Modernisierungsprojektes stößt.«
Silke Bartlick, Deutsche Welle
»Der Bruch mit der islamischen Vergangenheit spielt bei Leyla Erbil eine große Rolle. Doch er manifestiert sich als tiefes Unbehagen angesichts einer Modernisierung, die nicht vollendet wurde, sondern weiterhin belastet wird vom Erbe der osmanischen, patriarchalen und von der Religion geprägten Vergangenheit.«
»Leyla Erbils ›Eine seltsame Frau‹ ist ein bedeutender Roman im Hinblick auf Themen wie Sexualität und Emanzipation der Frau in der türkischen Gesellschaft. Doch nicht nur das: Zum ersten Mal wird hier die Ermordung Mustafa Suphis und seiner Freunde beschrieben, ein in der politischen Geschichte der Türkei bislang tabuisiertes und von den Autoren der Ära ignoriertes Ereignis. Mit ihrem Wohlwollen, ihrer Anteilnahme gerät Nermin bisweilen in absurde, gar komische Situationen und strauchelt. In einem Umfeld, in dem sich die Menschen nicht leiden können und kein Verständnis für einander haben, wird es auch für den Sozialismus keine Chance geben.«
Nilay Özer, Varlik
»Istanbul ist hier in der Tat eine seltsame Stadt, angesichts des Hasses und der Liebe, die dieser Ort für seine Frauen bereit hält. Nermin fordert die auferlegten Geschlechterrollen bewusst heraus.«
Günil Özlem Ayaydin-Cebe