Eine pechschwarze Regennacht in einer iranischen Kleinstadt, ein altes Haus. Der Colonel hängt seinen Gedanken nach. Erinnerungen stürmen auf ihn ein. An seine Jahre als hochdekorierter Offizier der Schah-Armee. An seine Kinder, die ihren eigenen Weg gingen, sich den Revolutionsgardisten angeschlossen haben und in den Krieg zogen, in die Leidenschaften der Revolution und des Todes. Durch die Gassen werden die gefallenen »Märtyrer« getragen, in der Stadt werden ihnen Denkmäler gebaut. Es herrscht Krieg – »diese giftige, fleischfressende Pflanze«. Da klopft es an die Tür. Der Colonel wird abgeführt, zur Staatsanwaltschaft …
Mahmud Doulatabadi, der bedeutendste Schriftsteller des Iran, erzählt von den Umwälzungen, die den Iran bis in die Gegenwart heimsuchen.
»Die unerbittliche Entschiedenheit, mit der Doulatabadi diese hoch verdichtete Gesamtatmosphäre herstellt, macht seinen jüngsten Roman zu einem außerordentlichen Werk. Die jüngeren Epochen der iranischen Geschichte schieben sich ineinander zu einem einzigen Bild des blutigen Scheiterns. Und es sind die widersprechendsten Empfindungen, die der Rückblick auf diese Unheilsgeschichte auslöst: Zorn, Scham, Resignation. Als zugleich großes, doch hochkonzentriertes und grelles Tableau einer selbstdestruktiven Geschichte markiert der Colonel einen historischen Tiefpunkt, der nur eine Forderung erlaubt: Das muss überwunden werden, derlei darf sich weder fortsetzen noch wiederholen. Dieser Roman hat das Zeug dazu, als ein starkes, unwiderstehliches Signal zu wirken. Für uns ist das Buch eine erschütternde Lektüre. Für iranische Leser wäre es womöglich eine verändernde.«
»Trotz aller politisch–historischen Relevanz, ist ›Der Colonel‹ kein Repräsentations–Werk geworden. Die eigentliche Glanzleistung des Romans ist die sprachliche Umsetzung der in der Wirklichkeit gut begründeten Paranoia, die den Colonel ergriffen hat. Seine flackernde Wahrnehmung, seine beginnende Persönlichkeitsspaltung, geben dem Buch eine gewaltige innere Spannung.«
»Verstrickt sind alle Figuren – es ist die Abstufung, die den Unterschied macht, ob man Folterer oder Opfer wird. Erzählerisch geht in ›Der Colonel‹ einiges durcheinander. Die Stimme des Erzählers verschwimmt mit den inneren Monologen der Hauptfigur. Eine wichtige zeitgeschichtliche Pointe versteckt sich im Nachwort des Übersetzers Bahman Nirumand. Die deutschsprachige Ausgabe ist die erste dieses Romans. In Iran liegt ›Der Colonel‹ bei der Zensurbehörde.«
»Eine shakespearesche Inszenierung, ein düsteres Historiendrama, bei dem sich Jahrhunderte Geschichte zum blutrünstigen Geschehen einer einzigen finsteren Nacht verdichten. Doulatabadi legt ein Werk von erschütternder Radikalität vor, das kompromisslos modern und zugleich der reichen persischen Erzähltradition verpflichtet ist. Surreal, kafkaesk, geisterhaft mutet die Szenerie an. Atemlos, kataraktisch bricht die Tragödie herein, vornehmlich erzählt im Bewusstseinsstrom des Colonels und in den Monologen seiner Kinder, in die sich zahlreiche Figuren der iranischen Geschichte gleichsam als Geister hamletscher Väter mischen. Pessimismus sei kein prägendes Element der iranischen Literatur, hatte Doulatabadi einmal bemerkt, nur Bitterkeit, eine bittere Realität. Im Angesicht der Katastrophe bleibt nichts, als auf eine persische Tugend zurückzugreifen: erzählen, um sich selbst zu retten, wie einst Scheherazade. Erzählen gegen die ›kalte, bleierne Zeit‹, wie es im Buch heißt, Nacht um Nacht.«
»Die Handlung des Romans dauert etwa einen Tag und birgt doch das Panorama eines ganzen Jahrhunderts. Es ist ein großartiger Roman über eine schreckliche Zeit. Der enormen Suggestionskraft von Doulatabadis Sprache entkommt man so oder so nicht.«
»Doulatabadi hat ein ungemein eindringliches, von erschütternder Intensität und düsteren Bildern geprägtes Buch vorgelegt, das nicht nur wegen seines Themas, sondern auch wegen seiner literarischen Qualität sicher zu den wichtigsten Neuerscheinungen dieses Jahres zählt.«
»Ein schwieriges Buch, ein großartiger Roman, der genau genommen nur eine einzige Nacht schildert. Erzählerisch und sprachlich teilweise atemberaubend, mit großer Dichte erzählt. Für anspruchsvolle LeserInnen und solche, die eine vielleicht neue Sichtweise auf die Verhältnisse im Iran bekommen wollen.«
»Die iranische Zensurbehörde hat Mahmud Doulatabadi wissen lassen, dass sein Roman ›Der Colonel‹ ein Meisterwerk sei. Man könne daraus unmöglich etwas streichen. Die Konsequenz war allerdings kein Literaturpreis, sondern ein Publikationsverbot. Noch Anfang Juni hoffte Doulatabadi, nach den Präsidentschaftswahlen im Iran könne sein Buch endlich veröffentlicht werden. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt, kein Wunder: ›Der Colonel‹ liest sich wie ein Prolog zur gewaltsamen Niederschlagung der Proteste gegen die gefälschte Wahl. Die deutsche Ausgabe von ›Der Colonel‹ ist somit die Welterstveröffentlichung.«
»Doulatabadi, der wohl prominenteste lebende Autor in Iran, hat über 25 Jahre an seinem neuen Roman gearbeitet, und das merkt man ihm an. ›Der Colonel‹ ist ein Stimmengewirr der inneren Monologe und ein Drama vom Ausmaß klassischer Tragödien. Erst allmählich verdichten sich die Bruchstücke und Erinnerungsfetzen der Hauptfigur zu einem Tableau des Iran im 20. Jahrhundert.«