Sahar Khalifa, geboren 1941 in Nablus, Palästina, ging mit achtzehn Jahren eine traditionelle Ehe ein, die dreizehn Jahre dauerte. Nach der Scheidung begann sie sich verstärkt dem Schreiben zu widmen, studierte in den USA und arbeitete als Dozentin an der Universität Bir Zeit. In Nablus gründete sie ein palästinensisches Frauenzentrum, das sie neben ihrer schriftstellerischen Arbeit leitet. Sie lebt in Nablus und Amman.
Sahar Khalifa wurde 1941 in Nablus, Palästina, geboren und mit achtzehn Jahren, nachdem sie das Rosary College in Amman abgeschlossen hatte, verheiratet. Nach dreizehn Jahren ließ sie sich scheiden, um der Enge ihrer Ehe zu entkommen und Schriftstellerin zu werden. Ihre traditionsbewusste Mutter habe sie aufgefordert, realistisch zu sein: »Ich bin sehr realistisch, aber ich akzeptiere die Realität nicht so, wie sie ist«, sagt Khalifa von sich.
Das gilt für die politische Situation in Palästina und Israel wie für die Lebensbedingungen der palästinensischen Frauen: »Wir hätten gern mehr Frauen in der politischen Administration. Wir hätten gern Veränderungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen, keine Polygamie mehr, die Möglichkeit von Scheidungen, das Erbrecht für Frauen. Es wird viele Auseinandersetzungen geben mit den Fundamentalisten, die aufgrund der ständigen Frustrationen immer stärker wurden. In einer friedvolleren Atmosphäre wird ihr Einfluss zurückgehen …«
Nach der Scheidung studierte Sahar Khalifa Englische Literatur an der Universität von Bir Zeit und später in den USA, wo sie mit einem Doktortitel in Women’s Studies und Englischer Literatur an der Iowa University abschloss. Bei ihrer Rückkehr nach Palästina gründete sie das Women and Family Affairs Center in Nablus und Amman, ein palästinensisches Frauenzentrum, weil sie den palästinensischen Befreiungskampf auch als Kampf zur Befreiung der Frauen verstanden wissen will: »Wir wollen nicht nur ein befreites Land, wir wollen ein befreites Leben.« Es sei widersinnig, den Westen anzuklagen und die Ausbeutung in der eigenen Gesellschaft, ja in der eigenen Familie zu verschweigen.
Sahar Khalifa, die heute in Nablus und Amman lebt, begann kurz nach der israelischen Invasion im Westjordanland und Gaza zu schreiben und veröffentlichte ihren ersten Roman 1974. Sie gilt als bedeutendste Romanautorin der palästinensischen Literatur und verwendete als eine der Ersten umgangssprachliches neben klassischem Arabisch. Ihre Werke sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2006 wurde sie für ihren Roman Die Verheißung in Kairo mit der Nagib-Machfus-Medaille ausgezeichnet.
»Bissige Ironie und kritischer Realismus ergänzen sich mit lyrischen Stilelementen und lassen das ganze Dilemma zwischen Anpassungszwang und Unabhängigkeitsstreben lebendig werden. Der weibliche Blick fördert zu Tage, was Schriftsteller aus dem Nahen Osten uns bisher vorenthalten haben.«
»Durch ihr sensibles Erzählen schafft sie es, ein differenziertes Bild der palästinensischen Gesellschaft zu zeigen, das von tiefen Gegensätzen geprägt ist, vom Kampf der Frauen, von der Erfolglosigkeit dieses Kampfes und von den Folgen daraus für das Zusammenleben.«
»Sahar Khalifas Bücher thematisieren politische Themen niemals direkt, trotzdem sind die Folgen der israelischen Besatzungspolitik im Leben ihrer Figuren allgegenwärtig. Ob sie die widersprüchlichen Erlebnisse einer in den USA aufgewachsenen Palästinenserin bei ihrer Rückkehr in die alte Heimat (›Das Erbe‹) beschreibt oder die Konfrontation dreier palästinensischer Frauen – einer Näherin, einer Prostituierten und einer Intellektuellen – mit traditionellen Wertvorstellungen (›Die Sonnenblume‹), Khalifa verbindet in ihren Büchern Kritik an der palästinensischen Gesellschaft und Widerstand gegen die israelischen Besatzer zu eindringlichen Schilderungen von Einzelschicksalen.«
»Khalifa versteht es, die Leser sachte zu verführen; mit unaufdringlicher Ironie und einem temporeichen Erzählstil macht sie wie nebenbei anschaulich, dass man die Vergangenheit nicht ausradieren kann, und entfaltet zudem gekonnt die verwirrenden Gefühlswelten ihrer Protagonisten.«
»Khalifa, die bedeutendste Repräsentantin palästinensischer Literatur, ist eine Aufklärerin mit Gefühl. Ihre Figuren transportieren Ideen, verhandeln Tagesthemen und erkunden die Lebensmöglichkeiten in Palästina zwischen Liebesleid und Lebenslust.«
»Es gehört zu den Vorzügen von Sahar Khalifa, dass sie von Politik so gut wie nicht spricht und dennoch die Folgen der Politik für ihre Erzählfiguren immer beklemmend gegenwärtig sind. Eine repräsentative Stimme der arabischen Literatur ist vernehmbar geworden.«
»Khalifa verbindet in ihren Büchern Kritik an der palästinensischen Gesellschaft und Widerstand gegen die israelischen Besatzer zu eindringlichen, lakonischen Schilderungen von Einzelschicksalen.«
»Ist man erst mit Sahar Khalifa im Gespräch, findet man kaum ein Ende. Selbst das Abhören und Niederschreiben der Tonbänder, normalerweise eine der unangenehmsten journalistischen Tätigkeiten, gerät zum Vergnügen. Sie lacht viel, wird bald leise und nachdenklich, dann wieder laut, empört, streng. Drei Journalisten gibt sie Auskunft, das Gespräch springt hin und her zwischen Englisch und Arabisch, immer wieder mischen sich englische Wörter in ihr palästinensisches Arabisch und arabische in ihr fließendes Englisch. Ihre sprühende Energie überträgt sich auf die Gesprächspartner, und am liebsten würde man so den ganzen Abend verplaudern. Aber sie ist auf Lesereise, muss sich noch umziehen. Man verabschiedet sich von ihr mit dem Gefühl, die Palästinenser plötzlich verstanden zu haben.«
»Sahar Khalifa ist die Virginia Woolf der palästinensischen Literatur – nur dass sie viel politischer schreibt. Wie könnte es auch anders sein in dem zurzeit wohl umstrittensten Stückchen Erde zwischen Jordan und Mittelmeer?«
»Der Erfolg dieser palästinensischen Autorin hängt damit zusammen, dass sie literarisch gekonnt umstrittene Themen bearbeitet.« Tages-Anzeiger