Eine Symphonie des Müßiggangs
Wie »eine schwankende Brücke ohne Geländer« ist das Leben für den jungen Flaneur. Ziellos treibt er durch die Straßen Istanbuls. Er geht in Kinos, trifft sich mit Künstlern und macht sich einen Spaß daraus, die Heuchelei der anderen zu entlarven. Mal provoziert er Passanten, mal Kellner in den Cafés, immer ist er unglücklich und auf der verzweifelten Suche nach der Frau seiner Träume. Eines Tages erblickt er ein Mädchen im blauen Regenmantel; er spürt, dass sie die Gesuchte ist. Sie steigt in einen Bus und fährt davon. Verzweifelt stürzt er ihr nach – er weiß, er hat sein Glück im gleichen Augenblick gefunden und wieder verloren.
Yusuf Atilgan erregte mit seinen Schilderungen von Haltlosigkeit und Entfremdung Aufsehen, weil er damit die Werte der jungen Türkischen Republik in Frage stellte.
»Yusuf Atilgan erschien etwas spät auf der Bühne der Großstadtliteratur. Er hat jedoch eine spezielle Note, die ihn zeitlos und heute noch lesenswert macht. Atilgans Typ des überspannten Großstadtbewohners erinnert an Figuren der literarischen Moderne wie Knut Hamsuns einsame Helden in Großstadt und Fremde, an Edgar Allan Poes Mann der Masse oder an den Flaneur Baudelaires.«
»Mit dem gut gebauten und fesselnden Roman hat Yusuf Atilgan (1921-1989) schon früh die psychoanalytische Interpretationskultur importiert und damit in der Türkei einiges Befremden erzeugt.«
»Der Roman wirkt – nicht zuletzt dank der hervorragenden Übersetzung von Antje Bauer – erstaunlich modern. Durch die Konzentration auf C., den unangepassten jungen Mann mit rebellischen Zügen, entsteht ein präzises Porträt eines vom Leben zerschlissenen Menschen. C. vertritt seinen Müßiggang zwar offensiv als Lebensform, doch im Laufe des Romans wird klar, dass sein Umherirren signifikant ist für seinen seelischen Zustand und dass sich dahinter ein Geheimnis verbirgt.«
»Der Roman zeigt eine bemerkenswert offene Atmosphäre Istanbuls. Der Müßiggänger zeigt die türkische Gesellschaft zwischen Moderne und Tradition – und könnte ebenso gut in Rom spielen.«
»Yusuf Atilgan hat einen leicht zu lesenden und unterhaltsamen Roman hinterlassen. Es ist eine Fabel über die Fremdheit zwischen den Menschen. Ein Liebesroman der verpassten Gelegenheiten. Vielleicht auch ein Lehrbeispiel für das Scheitern eines überheblichen Einzelnen.«
»Yusuf Atilgans Roman erinnert an frühe Filme von Antonioni, an ›L’Avventura‹ oder ›La Notte‹. Oder an den Nouveau Roman: Ein Mann gleitet allein durch Istanbul.«