Vogelfrauen, Schlangenmänner, fliegende Köpfe, Riesenpenisse und gefräßige Vaginen bevölkern die Mythenwelt der brasilianischen Amazonas-Indianer. Der Kampf der Geschlechter wird mitunter mit drastischen Mitteln ausgefochten, und so mancher Galan endet auf dem Grill. Doch neben schwarzem Humor und dem Vergnügen am Schrecken dominiert die Hingebungsfreude, die Lust an der Lust, die sich frei von urbaner Scheu offenbart. Diese Geschichten mit ihrer großen literarischen Kraft entführen uns in eine fremdartige, schillernde, verzauberte Welt, doch die Themen – Liebe, Verführung, Eifersucht, Schmerz – sind universell. Sie erschließen erstmals eine unbekannte Literatur, die vom Untergang bedroht ist.
»Eine beeindruckende Sammlung, der ein Platz unter den Klassikern der Amerindischen Mythologie gebührt. Ich habe dieses Buch mit großem Genuss gelesen.« Claude Lévi-Strauss
Der gegrillte Mann ist eine Sammlung von 67 Geschichten über Liebe und Sexualität aus dem mündlichen Erzählungsschatz von sechs Indianergemeinschaften, die in Rondônia im brasilianischen Amazonasgebiet an der Grenze zu Bolivien leben. Die Macurap, Tupari, Ajuru, Jabuti, Arikapu und Aruá sind Völker mit verschiedenen Sprachen und Traditionen, bei denen Betty Mindlin, die an der Universität von São Paulo Anthropologie lehrt, zwischen 1993 und 1997 erotische Mythen der GeschichtenerzählerInnen aufzeichnete und mit Hilfe stammeszugehöriger ÜbersetzerInnen ins Portugiesische übertrug. In Brasilien erschien die Sammlung 1997 unter dem Titel Moqueca de maridos. Noch im gleichen Jahr wurde sie mit dem begehrten Preis der Associação Paulista de Críticos de Arte (APCA) als bestes Buch der Kategorie Märchen/Volksliteratur ausgezeichnet.
Die Themen der Geschichten sind so alt wie die Menschheit. Sie handeln von Liebe und Eifersucht, von Müttern und Töchtern, von Männlichkeit und Rivalität, von Inzest, Tabus und Einsamkeit, von sexueller Freiheit und Unterdrückung, von Zauberei und der Einflussnahme von Geistern und Toten und, was der Originaltitel des Buches aufgreift, von Kannibalismus als Waffe im Kampf der Geschlechter. Nebenbei belegt das Buch ungewollt den natürlichen, von urbaner Scham und Scheu freien Umgang der Indianer mit dem Körper, den Körperfunktionen und der körperlichen Liebe. Dies drückt sich nicht zuletzt in der deutlichen Sprache aus: Die ErzählerInnen scheuen sich nicht, die Sache beim Namen zu nennen.
Dazu die Autorin selbst: »Archaische, vielleicht Jahrtausende alte Mythen wie die der Indianer Rondônias, die von Generation zu Generation überliefert werden und sich ins Gedächtnis derer einprägen, die sie erzählen und die sie hören, regen zu einem anderen Blickwinkel an. Sie zeigen ein ewiges Moment der Liebe, ein immer wiederkehrendes Grundmuster von Einig- und Uneinigkeiten zwischen den Geschlechtern, die über die Zeit hinweg, ungeachtet der verschiedenen Gesellschaften, Bräuche, sozialen Bedingungen und Sprachen überraschend ähnlich geblieben sind.«
Die Geschichten wirken nicht geglättet, sondern ursprünglich und direkt. Der Eindruck der Authentizität verstärkt sich durch die von der Autorin offensichtlich verwendete Sorgfalt bei der Dokumentation, die wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht wird. In ihrer Einleitung, im Glossar mit Worterklärungen und einem Essay am Schluss des Buches gibt Mindlin aufschlussreiche völkerkundliche und literaturwissenschaftliche Hinweise zu den Texten. Die insgesamt 33 ErzählerInnen und ÜbersetzerInnen, also die eigentlichen AutorInnen dieses Buches, werden jeweils zu Beginn der Geschichten benannt, und ihr biografischer Hintergrund und die Erzählsituationen werden im Anhang des Buches beschrieben. Damit wird wiederum deutlich, dass hier kein Raub am Erzählungsschatz der Ureinwohner Brasiliens stattfindet, sondern deren individuellen Stimmen ein Podium gegeben und ein Beitrag zur Bewahrung ihres kulturellen Reichtums geleistet wird.
»Eine beeindruckende Sammlung, der ein Platz unter den Klassikern der Amerindischen Mythologie gebührt. Ich habe dieses Buch mit großem Genuss gelesen.«
»Eine Mythensammlung, die sich angenehm abhebt von ähnlichen Anthologien. Man ist nach der Lektüre der Geschichten erstaunt über die vielfältigen Seiten im Leben der Urwaldvölker, die natürlich keineswegs in paradiesischen Verhältnissen leben in deren Mythen sich sehr wohl auch Gewalt, Krieg und strenge Verhaltensregeln widerspiegen.«
»Wie mag es sich anfühlen als Bräutigam mit drei Schwänzen oder als Mädchen mit gigantisch wachsender Klitoris, die über den Boden zu schleifen beginnt? Antwort geben gezielte literarische Schläge unter die Gürtellinie, zusammengestellt von Betty Mindlin. Treffend transportiert das Buch den Zauber des Amazonas. Ein echtes Schatzkästchen, Prädikat ›wertvoll‹.«
»Die Erzählungen sind humorvoll und witzig, mal belehrend wie Fabeln, stets voll tiefgründiger Lebensweisheit und hin und wieder recht schaurig, wenn man sich buchstäblich ›zum Fressen gern hat‹.«
»Wer sich auf die Entdeckungsreise einlässt, kann aus ihr einen großen Gewinn ziehen und neue Aspekte der Liebe sehen. Neben schwarzem Humor und dem Vergnügen am Schrecken dominieren die Hingebungsfreude sowie die Lust an der Lust, die sich frei von urbaner Scheu offenbart. Die große Botschaft der Mythen liegt wohl darin, dass die besten Liebhaber und Liebhaberinnen eben nicht von dieser Welt sind.«
»Der Band eröffnet den Zugang zu einer fremden und faszinierenden Welt. Schon der Titel gibt einen Vorgeschmack auf Geschichten, in denen man sich buchstäblich ›zum Fressen gern hat‹. Die erotischen Mythen vom Amazonas bestechen durch ihre Vielfalt und eine Komplexität, die alle Ebenen des Daseins mit einbezieht. Nicht nur erweitern sie unsere Vorstellungswelt über das Leben der Indianer. Sie sind auch so unterhaltsam, dass man sie gierig verschlingt.«
»Es sind vor allem Frauen, welche die alten Sprachen und Geschichten bewahrt und weitergegeben haben. Manchmal muten die Geschichten aus dem Amazonas an wie unsere Märchen – geschehen oder erfunden am anderen Ende der Welt. Die Geschichten sind allerdings viel erotischer, frei von jeglicher Prüderie, aber auch unheimlich und grausam.«
»Das gegenseitige Fressen und Gefressenwerden vor lauter Liebe oder Eifersucht wird so bizarr, so rabiat fleischlich, aber zugleich magisch und unvergleichlich spielerisch erzählt, dass es eine wahre Freude ist. Es hat sich wirklich gelohnt, diese Lieder des Amazonas vor dem Vergessen zu bewahren.«
»Dieses Buch entführt den Leser in eine schillernde, verzauberte Welt, in der Liebe, Eifersucht und Schmerz in kraftvollen Bildern, satten Farben und berauschenden Übertreibungen geschildert werden.«