Wie die Jury in Dublin bekannt gab, erhält der Schriftsteller Tahar Ben Jelloun für seinen Roman »Das Schweigen des Lichts« am heutigen Freitag den IMPAC-Literaturpreis. Bei der mit 100 000 Euro dotierten Auszeichnung handelt es sich um einen der renommiertesten Preise der englischsprachigen Literatur bzw. entsprechender Übersetzungen.
»Das Schweigen des Lichts« basiert auf Schilderungen eines Häftlings, der Anfang der 70er Jahre nach einem missglückten Putsch gegen den damaligen König Hassan II. im eigens eingerichteten Straflager Tazmarant gemeinsam mit anderen Leidensgenossen unter menschenunwürdigen Verhältnissen interniert wurde.
Der Häftling in Tahar Ben Jellouns Roman ist der Bruder des marokkanischen Schriftstellers Mahi Binebine, von dem im Unionsverlag der Roman »Kannibalen« erscheint.
»Mahi Binebines Bruder Aziz war einer der jungen Offiziere, die nach dem gescheiterten Militärputsch gegen König Hassan II. im Jahr 1971 achtzehn Jahre lang in dem Wüstenlager Tazmamart eingekerkert waren, unter Bedingungen, deren Brutalität sich dem menschlichen Vorstellungsvermögen entzieht und die mit Worten kaum zu beschreiben sind. Nur die Hälfte der Gefangenen überlebte diese Zeit, Aziz Binebine gehört zu den 28 Überlebenden. Seine Lebensgeschichte hat Mahi Binebines Schriftstellerkollegen Tahar Ben Jelloun als Vorlage für seinen umstrittenen Roman "Das Schweigen des Lichts" gedient. Für Mahi Binebine selbst wäre es zu schmerzhaft gewesen, die Leidensgeschichte seines Bruders literarisch zu verarbeiten, daher lag es nahe, sie dem Freund Tahar Ben Jelloun anzuvertrauen. Im nachhinein sieht Mahi Binebine dies als Fehler an, auch wenn er Tahar Ben Jellouns Roman für gelungen hält; aber die Freundschaft zwischen den beiden Schriftstellern ist über den Kontroversen um das Buch zerbrochen.«
Quelle: »Mahi Binebine: Kannibalen» von Katrin Schneider; © 2003 Qantara.de
Tahar Ben Jelloun wurde 1944 in Marokko geboren. Nach seiner Teilnahme an den Studentenunruhen gegen die Monarchie und seiner darauf folgenden Zwangsrekrutierung emigrierte er 1971 nach Frankreich. Der heute 59-jährige Schriftsteller lebt in Paris. Wie »Das Schweigen des Lichts« stehen auch die übrigen Romane Ben Jellouns im Zeichen von Kritik und Polemik gegen staatliche wie religiöse Repression und gesellschaftlichen Rassismus. Neben dem IMPAC-Literaturpreis erhielt Tahar Ben Jelloun für »Die Nacht der Unschuld« 1987 als erster Autor des Maghreb den Prix Goncourt, den bedeutensten unter den französischen Literaturpreisen.