Es ist ein Fehler, in der Gewalt nur eine Panne zu sehen. Die Gewalt ist eine Realität. Man wird Terrorist, wie man zum Beispiel Taxifahrer wird. Wenn man ein Underdog ist, nirgends seinen Platz findet und seelisch nicht mehr weiterweiß, dann macht man eines Tages bei jedem mit, der sich als Freund ausgibt.
Die Extremisten wissen genau, dass die Welt ohne sie bestens funktioniert und sie nie an die Macht gelangen werden. Der Extremismus ist ganz grundsätzlich die morbide Gier, Zerstörung anzurichten, wo immer es geht.
Für den Moment hat Algerien alles getan, um dem Islamismus ein Ende zu bereiten. Algerien hat das allein getan. Wir haben den Krieg gegen den Islamismus geführt. Und das ist der wahre Dschihad: die Verteidigung unserer Religion gegen die islamistische Scharlatanerie. Aber der Westen hat sich von uns abgewandt. Jetzt muss er feststellen, dass der Islamismus nicht das Problem schwacher Nationen ist. Dass er sich auch gegen die richten kann, die ihn geschaffen haben.
Der Krieg gegen die Islamisten ist keine militärische oder politische Angelegenheit, sondern eine kulturelle. Ich finde es völlig abwegig zu glauben, man könne Leuten drohen, die doch beschlossen haben, alles hinter sich zu lassen, was Leben bedeutet. Man kann einen Islamisten weder einschüchtern noch terrorisieren. Das einzige Mittel, ihm zu helfen, ist, ihn zu überzeugen. Ihm zu beweisen, dass er sich im Irrtum befindet. Und das ist die Aufgabe der Intellektuellen. Islam und Extremismus sind keine Synonyme. Der Extremismus, der zu Verbrechen wie jenen in den USA führt, ist die Negation des Islam schlechthin. Ohne diese Tatsache begriffen zu haben, ohne sich die Mühe zu machen, das Wesen des Islam besser zu verstehen, wird der Westen nichts gegen den extremistischen Terror ausrichten können.
In Algerien wollten die wenigen Reichen aus einem sozialistischen Land ein kapitalistisches machen, zu ihrem Vorteil. Aber wie bringt man ein in Armut lebendes Volk dazu, Milliardären nicht zu misstrauen? Man musste das Land destabilisieren. Für die große Mehrheit der Menschen war der Konflikt politisch-ideologisch motiviert. Dazu sage ich ein klares Nein! Die wahre Krise Algeriens ist eine Krise der Zivilgesellschaft. Algerien hat eigentlich keine Tradition der Freiheit. Es gibt zwei Algerien: Das Algerien der Macht und das Algerien des Volkes. Das Algerien derer, die alles haben, alles plündern, Einfluss haben und auf der anderen Seite das Algerien der Opfer, der völlig Verarmten, Erniedrigten, Isolierten, Ausgeschlossenen. Deshalb hatten die Islamisten auch keine Probleme, so viele Menschen für ihre Ideale zu mobilisieren.
Diese Figur hat mir während des Krieges moralisch sehr geholfen. Er war mein Freund, er hat die Mitternacht erträglich gemacht, denn ich konnte nicht mehr schlafen. Ich hatte furchtbare Albträume. Jeden Tag habe ich Freunde verloren, ich war traumatisiert von Szenen, die ich erlebt hatte: Massaker, zerstückelte Kinder.
Meine Absicht war, eine Figur zu entwerfen, die sehr nah am Durchschnittsalgerier ist. Und da ist der Kommissar Llob extrem repräsentativ. Er gibt sich alle Mühe, ein aufrechter Mann zu sein, aber er ist auch ein Macho; und manchmal missbraucht er seine Überlegenheit, etwa bei seinem Untergebenen, den er immer niedermacht. Er hat Angst vor seinen Vorgesetzten, wie alle Algerier. Vorgesetzter zu sein, ist keine Frage von Kompetenz, sondern eine Frage von Bedrohlichkeit. Wer droht, wird gefürchtet.
Es ist der Text, der uns erklärt, wer wir wirklich sind. Das beste Medium ist der Kriminalroman, eine formal schlichte, ja demütige Gattung. Nicht ich habe den Kriminalroman gewählt, es sind vielmehr meine Figuren, die mir die Gattung aufzwingen, in der sie sich entwickeln wollen. Was die Wahl dieser Gattung betrifft, habe ich nicht den geringsten Komplex. Ich mag diese Form. Man kann sie trotz ihrer klaren Vorgaben unendlich variieren und sie erlaubt mir, unsere Gesellschaft darzustellen, wie ich sie sehe.
Literatur ist eine Sublimierung. Sie erhebt einfache Leute in den Rang von Menschen, macht aus ihnen verantwortungsbewusste und aufgeklärte Personen, die Sicherheit geben. Ein Land ohne Kultur ist wie ein ungenütztes Gelände, das nach und nach zur Schutthalde wird und allem möglichen Ungetier ausgesetzt ist. Es gibt kein größeres Unheil als ein Leben ohne Poesie. Ich bin so zum Schreiben gekommen, wie man auf die Welt kommt, nämlich auf die natürlichste Art und Weise.
Ich sehe die Aufgabe des Schriftstellers darin, sich immer angemessen zu verhalten, seinen scharfen Verstand einzusetzen. Seine Aufgabe ist es, das Gewissen wachzurütteln. Schreiben war für mich überlebenswichtig. Ich musste schreiben. Am Anfang habe ich arabisch geschrieben. Mein Arabischlehrer hat mich ausgelacht, aber mein Französischlehrer hat mir Mut gemacht. Meine Beziehung zur französischen wie auch zur arabischen Sprache ist sehr freundschaftlich.
Zitatcollage aus Dutzenden von Interviews, die Yasmina Khadra französischen, deutschen und spanischen Zeitungen und in Radio- und Fernsehsendungen gegeben hat.