Als in Frankreich im März 1997 mit Morituri (dt. Morituri) der erste Band der Kriminalromantrilogie um Commissaire Llob unter dem weiblichen Pseudonym Yasmina Khadra erschien, wurden bereits erste Zweifel laut, ob die in rauhem Ton geschilderten Ereignisse und die ungeschminkte Darstellung blutiger Auseinandersetzungen tatsächlich aus der Feder einer Frau stammten. Hartnäckig hielten sich auch nach der Veröffentlichung von Double blanc (dt. Doppelweiß) und L’Automne des chimères (dt. Herbst der Chimären), dem zweiten und dritten Band der Trilogie, die unterschiedlichsten Gerüchte um die Identität des Autors.
Die Überraschung war dennoch groß, als Yasmina Khadra im September 1999 in einem Exklusivinterview für die französische Tageszeitung Le Monde gestand, dass sich hinter dem weiblichen Pseudonym ein Mann verberge, der sich nach wie vor in Algerien aufhalte und aus Sicherheitsgründen zur Anonymität verurteilt sei.
Noch größer war das Erstaunen, als der Autor im Januar 2001 vor die französische Öffentlichkeit trat und seine wahre Identität preisgab: Mohammed Moulessehoul – so der richtige Name des Autors – diente bis zu seiner Emigration im Herbst 2000 als hoher Offizier in der algerischen Armee. Parallel dazu war er viele Jahre hindurch als Schriftsteller tätig und hatte in Algerien bereits mehrere Romane unter seinem richtigen Namen publiziert. Als er sich Ende der Achtzigerjahre aufgrund eines dementsprechenden Erlasses gezwungen sah, seine Schriften vor der Veröffentlichung einer Zensurbehörde zu unterwerfen, entschied er, eher mit dem Schreiben aufzuhören, als sich solchen Maßnahmen unterzuordnen.
Schließlich gab der Autor seine Werke ab diesem Zeitpunkt unter einem Pseudonym heraus. So erschienen Anfang der Neunzigerjahre zwei Kriminalromane (Le Dingue au bistouri, 1990, und La Foire des enfoirés, 1993) unter dem Namen Commissaire Llob in Algerien. Dass die folgende Kriminalromantrilogie unter einem weiblichen Pseudonym veröffentlicht wurde, ist anderen Umständen zuzuschreiben: Da sich die Ehefrau des Autors um die Veröffentlichung seiner Werke im Ausland kümmerte (aufgrund der angespannten Lage und der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in Algerien war es undenkbar geworden, die Werke im Land selbst zu publizieren), mussten die Verleger annehmen, es mit einer Autorin zu tun zu haben. Die Gattin des Autors nahm aber nicht nur dessen Geschäfte in die Hand, sie »schenkte« ihm auch ihren Namen: »Tu m’a donné ton nom pour la vie, je te donne le mien pour la postérité. – Du hast mir deinen Namen fürs Leben gegeben, ich gebe dir den meinen für die Nachwelt.« Auch wenn die Identität des Autors heute bekannt ist, hat er sich dafür entschieden, seine Werke weiterhin unter dem Pseudonym Yasmina Khadra zu veröffentlichen; dies aus Dankbarkeit, aber auch aus Respekt vor dem Mut und der Tapferkeit, die die algerischen Frauen im gegenwärtigen Konflikt aufbringen.
So sind nach den zuvor genannten Büchern drei weitere Romane des Autors unter dem Namen Yasmina Khadra erschienen: In Les Agneaux du Seigneur (1998) und A quoi rêvent les loups (1999, dt. Wovon die Wölfe träumen, 2002) setzt er die in seinen Kriminalromanen begonnene Beschreibung und Analyse der Kriegsereignisse in Algerien fort; in L’Écrivain (2001), jenem autobiografischen Roman, den er parallel zur Preisgabe seiner Identität im Januar 2001 veröffentlichte, zeichnet er seinen militärischen Werdegang nach, der im Alter von neun Jahren begann, als sein Vater ihn in der Kadettenschule von El Mechouar allein zurückließ.
Die fünf Werke, die Yasmina Khadra in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre veröffentlicht hat, bilden eine thematische Einheit, ging es dem Autor doch darum, unterschiedliche Aspekte des blutigen Konflikts, der seit mehr als einem Jahrzehnt Algerien erschüttert, ans Licht zu bringen und unverblümt zu dokumentieren. So entlarvt er in seinen Kriminalromanen die Rolle korrupter Regierungsmitglieder, die aufgrund ihrer Inkompetenz und Bestechlichkeit den Aufstieg der algerischen Finanzmafia ermöglichten, und macht deutlich, dass die Mitglieder dieser kriminellen Organisation wichtige Schaltstellen innerhalb des Staatsapparates besetzen und als die wahren Drahtzieher des Konflikts anzusehen sind. In Les Agneaux du Seigneur beschreibt Khadra, wie die Hoffnungslosigkeit weiter Bevölkerungsteile zur Plattform fundamentalistischen Gedankenguts wird und ein ganzes Dorf in die Maschinerie der Gewalt stürzt. Aus der Sicht eines fundamentalistischen Führers stellt der Autor in A quoi rêvent les loups schließlich die Motive dar, die einen jungen Mann zu einem grausamen Mörder im Namen Gottes machen.
Explizit thematisiert Yasmina Khadra die kriegerischen Auseinandersetzungen in Algerien, die den Angaben des derzeitigen algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika zufolge schon über 100 000 Menschenleben gefordert haben. Diese literarischen Darstellungen erweisen sich als umso interessanter, als dieser Konflikt sowohl für Analysten als auch für Außenstehende immer undurchsichtiger und verworrener erscheint, je länger er andauert.
Der Grund dafür liegt unter anderem darin, dass dieser Krieg nur wenige Anhaltspunkte bietet, die eine kohärente Darstellung ermöglichen. So gibt es beispielsweise kein eindeutiges Ereignis, das den Beginn der Auseinandersetzungen markiert. Der Ausbruch des Krieges erfolgte schrittweise und reicht bis 1988 zurück, als sich im Oktober der aufgestaute Zorn der algerischen Bevölkerung in einem spontanen Aufstand entlud. Auf offener Straße protestierten die Algerier gegen Korruption und Misswirtschaft des seit der Unabhängigkeit im Jahr 1962 allein regierenden FLN (Front de libération nationale – Nationale Befreiungsfront). Das Volk verlangte politische und wirtschaftliche Reformen und forderte Freiheit und Demokratie.
Angesichts der massiven Proteste wurde ein Prozess eingeleitet, der eine Liberalisierung des Parteiensystems nach sich zog und zu einer Legalisierung des bis dahin verbotenen FIS (Front islamique du Salut – Islamische Heilsfront) führte. Der überlegene Wahlsieg dieser neuen Oppositionspartei bei den Kommunalwahlen des Jahres 1990 und der hohe Stimmenanteil, den der FIS im ersten Wahlgang der Parlamentswahlen 1991 für sich verbuchen konnte, brachten die Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise mit dem immer noch regierenden FLN und seinem korrupten Beamtenapparat erneut zum Ausdruck.
In der Folge wurde Präsident Chadli Benjedid am 11. Januar 1992 von der Armee zum Rücktritt gezwungen und der zweite Wahldurchgang annulliert. Neben den Oktoberaufständen des Jahres 1988 markiert dieses Datum einen weiteren Schritt hin zu jener bewaffneten Auseinandersetzung, die bis heute andauert.
Nach der Übernahme der Macht durch das algerische Militär wurde ein Haut Comité d’Etat (Hohes Staatskomitee) eingesetzt, um die Staatsgeschäfte zu lenken. Mit Mohamed Boudiaf trat ein ehemaliger Befreiungskämpfer im Unabhängigkeitskrieg gegen die französische Kolonialmacht und historischer Führer des FLN an die Spitze dieses Komitees, um die dringend notwendigen Reformen im Land einzuleiten. Die Ermordung von Mohamed Boudiaf am 29. Juni 1992 in Annaba durch ein Mitglied des Sicherheitsdienstes stürzte das Land endgültig ins Chaos und bildet somit die letzte Etappe auf dem Weg Algeriens in den Bürgerkrieg.
In den Sommermonaten des Jahres 1992 erschütterte eine erste Welle von Terroranschlägen das Land, die in einen bewaffneten Kampf zwischen verschiedenen militanten Gruppierungen der Fundamentalisten und der Armee mündeten. Unter General Liamine Zéroual, der 1994 zum Staatspräsidenten ernannt wurde, erreichten der blindwütende Terror und die Kämpfe zwischen den Fundamentalisten und den Militärs einen weiteren traurigen Höhepunkt. Mit seinem Aufruf zur nationalen Aussöhnung und der Begnadigung Tausender inhaftierter Fundamentalisten ließ der im April 1999 neu gewählte Staatschef Abdelaziz Bouteflika Hoffnung auf eine Aussöhnung aufkommen. Die Terroranschläge in der ersten Hälfte des Jahres 2001 machten diese Hoffnungen aber weitgehend zunichte.
Die Tatsache, dass sich die Fronten zwischen der algerischen Regierung und den Militärs auf der einen Seite und den fundamentalistischen Gruppierungen auf der anderen Seite im Laufe des Konflikts mehr und mehr verwischt haben und es sich auch nicht um einen »klassischen« Bürgerkrieg handelt, in dem sich zwei Interessengruppen oder deren organisierte Armeen gegenüberstehen, macht eine Einschätzung der Situation sehr schwierig. Wie bei vielen innerstaatlichen Auseinandersetzungen sind auch in diesen verworrenen Krieg zwischen den algerischen Militärs und den Fundamentalisten zahlreiche andere Konflikte verwoben, ohne deren Kenntnis eine umfassende Beurteilung der Lage unmöglich ist und die die Gesamtsituation noch undurchsichtiger erscheinen lassen: So spielen bei den kriegerischen Auseinandersetzungen Machtkämpfe unterschiedlicher Clans eine wesentliche Rolle; weiters wird der Krieg maßgeblich von wirtschaftlichen Interessen mitbestimmt, vor allem von jenen der großen Konzerne, die die Erdölförderung im Süden des Landes kontrollieren; schließlich spiegelt sich im Konflikt auch die lange Geschichte eines Landes, die von Gewalt gekennzeichnet ist.
Hinzu kommt, dass sich in Algerien im Verlauf vieler Jahre eine mächtige Finanzmafia durch Korruption und Gewinne im Erdölgeschäft ein regelrechtes Imperium aufbauen konnte und bis heute ihren Einfluss und ihre Macht auf höchster politischer Ebene geltend macht. Ihre Angehörigen sind die wahren Regenten des Landes, und sie nehmen auch innerhalb des Konflikts eine einflussreiche Position ein. Die blutigen Kämpfe haben all diese Probleme nach und nach ans Licht gebracht. Dennoch bleiben die Interessen, die in den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen verfolgt werden, weitgehend undurchschaubar. Das grausame Morden entbehrt jeder Logik, und es bleibt unmöglich, den wahren Grund für das Blutvergießen festzumachen. Wie bei jedem Konflikt profitieren einige wenige von den Auseinandersetzungen; die Vermutung dürfte stimmen, dass vor allem sie es sind, die den Krieg, in dem es längst nicht mehr um konkrete Inhalte geht, aus skrupelloser Profitgier in Gang halten. Darüberhinaus hat der Konflikt mittlerweile eine große Eigendynamik entwickelt, die es noch schwieriger macht, dem Grauen ein Ende zu bereiten.
Die »Undurchsichtigkeit« des Konflikt wird durch seine »Unsichtbarkeit« verstärkt, wie der bekannte Historiker und renommierte Algerienspezialist Benjamin Stora in seinem Buch La guerre invisible. Algérie, années 90 (Paris 2001) verdeutlicht. Obwohl die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der algerischen Armee und den unterschiedlichen fundamentalistischen Gruppierungen schon mehr als zehn Jahre andauern, bleiben die Bilder, die an die Öffentlichkeit dringen, auf einige Ausnahmen beschränkt. Nur wenige Fotos und Filmaufnahmen dokumentieren die Situation in dem krisengeschüttelten Land und die Grausamkeit, mit der dieser Krieg geführt wird. In einer Zeit, die von einer medialen Bilderflut geprägt ist, wirkt ein Krisenherd, von dem es kein Bildmaterial gibt, unfassbar und suspekt. Angesichts des Fehlens von Bildern scheint sich der Konflikt irgendwo in einer unsichtbaren Welt abzuspielen, und die Berichte von blutigen Attentaten und grausamen Massakern, die an die Öffentlichkeit gelangen, werden von einer Aura der Unsicherheit, der Irrealität und des Zweifels umgeben.
Die verfeindeten Gruppen in Algerien sind durchaus daran interessiert, dass der Krieg weiterhin »unsichtbar« bleibt. Für ausländische Berichterstatter ist es nahezu unmöglich, ein Visum zu erhalten, und die Journalisten, die sich vor Ort befinden, werden durch restriktive Gesetze und Erlässe in Schach gehalten. Neben den Verboten, die von Seiten der algerischen Regierung ausgesprochen werden, sind sie den Drohungen der Fundamentalisten ausgesetzt und damit auch auf diese Art zum Schweigen verurteilt.
Dennoch – oder gerade deshalb – sind seit Ausbruch des Krieges so viele Werke algerischer Autoren und vor allem Autorinnen erschienen wie nie zuvor. Vor allem Frauen haben ihre Kriegserlebnisse in autobiografischen Schriften verarbeitet und Zeugnis abgelegt von den Greueln dieses Konflikts. Viele von ihnen sind zwischenzeitlich wieder verstummt, war doch für sie das Schreiben weniger ein literarischer Akt als vielmehr eine Möglichkeit, die Erlebnisse persönlich zu verarbeiten. Parallel dazu brachte der Konflikt aber auch eine neue Generation von Autoren hervor, welche für die algerische Literatur ungewöhnliche Darstellungsweisen wählten, um die Grausamkeit und die Undurchsichtigkeit dieses Krieges zu vermitteln. Zu letzteren zählt auch Yasmina Khadra, greift der Autor mit der Gattung des Kriminalromans doch zu einem für Algerien untypischen Genre, um die Hintergründe des Blutvergießens zu beleuchten.
Die Anfänge des algerischen Kriminalromans in französischer Sprache finden sich zu Beginn der Siebzigerjahre, als eine Reihe von Spionageromanen den Grundstein für die Verankerung der Gattung in Algerien legte. Erst zwei Jahrzehnte später erreichte das Genre mit den Romanen von Yasmina Khadra sprachlich, inhaltlich und formal ihren ersten Höhepunkt. Mit dem roman noir, einer Untergattung des Kriminalromans, in dem die beiden Handlungsstränge von Verbrechen und deren Aufklärung parallel verlaufen, fällt die Wahl des Autors auf ein Genre, das sich weiters dadurch auszeichnet, dass die Ermittlungen mit der Enthüllung und Darstellung spezifischer soziokultureller Aspekte verknüpft werden. Die Gattung enthält also ein kritisches Potenzial, das Yasmina Khadra vor allem in Morituri und Doppelweiß für die Darstellung des Konflikts in Algerien voll ausschöpft. Diese littérature de temps de crise (Literatur der Krisenzeit), wie Jean-François Vilar den roman noir bezeichnet, bringt im Vergleich zum klassischen Rätselroman à la Agatha Christie auch keine definitiven Lösungen mehr, und es gelingt den Helden am Ende der Romane nur noch vereinzelt, die wahren Täter zu fassen und die alte Ordnung sowie die damit verbundene Sicherheit wiederherzustellen. Ermittlungen können meist nur noch punktuell erfolgreich abgeschlossen werden, aber auch in diesen Fällen sind Schuld und Gerechtigkeit relativ, und bei den Ermittlern bleiben am Ende immer Zweifel und ein Gefühl von Bitterkeit zurück. Zieht man diese Gattungsmerkmale in Betracht, wird evident, dass Yasmina Khadra im roman noir ein maßgeschneidertes Genre gefunden hat, um die verworrene und ausweglose Situation in Algerien zu verarbeiten.
Der Kriminalroman bietet sich aber auch auf ästhetischer Ebene für die Darstellung des blutigen Konflikts an und ermöglicht dem Autor, »Bilder« von den Ereignissen in Algerien zu vermitteln, die normalerweise nicht an die Öffentlichkeit dringen. Der schnelle Rhythmus, die kurzen Sätze und knappen Beschreibungen, der effiziente und oft nervöse Stil, typisch für den roman noir ganz allgemein, erinnern an Momentaufnahmen, die Kriegsberichterstatter oft im Verborgenen und in aller Eile machen müssen. Wie die Bilder eines Fotografen, der keine Zeit hat, lange zu überlegen und auf dem Objekt zu verweilen, bevor er auf den Auslöser drückt, so präsentieren sich auch die Momentaufnahmen der kriegerischen Auseinandersetzungen in Algerien bei Yasmina Khadra. Die knappen, aber äußerst präzisen Beschreibungen von Anschlägen und Opfern, die literarischen »Bilder« machen den Konflikt »sichtbar«. Das hat nichts mit Voyeurismus oder Sensationslust zu tun, vielmehr geht es dem Autor um eine möglichst authentische Darstellung: »Mes romans sont durs à l’image de la réalité algérienne. Je rends compte d’une tragédie. Une tragédie insoutenable. – Meine Romane sind hart, weil das der algerischen Realität entspricht. Ich lege Rechenschaft ab über eine Tragödie, die unerträglich ist«, sagt Yasmina Khadra in einem Interview. Indem der Autor jene »Bilder« des Krieges in Algerien in seine Romane einfügt, die der Öffentlichkeit vorenthalten werden, trägt er dazu bei, dass dieser Konflikt auch von den nicht unmittelbar Betroffenen wahrgenommen wird und dass dieser Krisenherd auch außerhalb Algeriens in den Köpfen der Menschen Gestalt annimmt und zu existieren beginnt.
Der Suche nach der »Wahrheit«, die das Genre des Kriminalromans charakterisiert, kommt in Zusammenhang mit der Algerienkrise eine besondere Bedeutung zu. So geht es Yasmina Khadra nicht vorrangig darum, Mordfälle und Verbrechen aufzuklären; vielmehr stehen der blutige Konflikt und seine Hintergründe im Zentrum der Untersuchungen, die Commissaire Llob, der brummige, aber sensible Protagonist der Serie, dessen Name auf Arabisch soviel bedeutet wie »harter Kern, weiches Herz«, durchführt. Diesem Auftrag kommt Brahim Llob in einer Doppelrolle nach, nämlich als Kriminalbeamter und als Schriftsteller. Der Ich-Erzähler Llob wird als gefeierter Autor präsentiert, der aber in Herbst der Chimären, dem letzten Band der Trilogie, wegen der Veröffentlichung von Morituri vorübergehend vom Polizeidienst suspendiert wird. Dieses selbstreflexive Spiel gibt dem realen Autor die Möglichkeit, die Aufnahme seiner Romane in Algerien zu kommentieren und durch die Einbindung kritischer Stellungnahmen den Zündstoff, den die Romantrilogie enthält, herauszustreichen. Es gab ihm zum Zeitpunkt des Erscheinens der Romane in Frankreich aber auch Gelegenheit, auf die Gefahren aufmerksam zu machen, denen er sich selbst als schreibender Offizier ausgesetzt hatte.
Je undurchdringlicher die Lage und je aussichtsloser die Ermittlungen für Llob als Kommissar werden, um so mehr Raum nehmen die kritischen Stellungnahmen des Schriftstellers Llob in den Romanen ein. Wenn im letzten Band nicht nur der Kommissar, sondern auch der Autor Llob scheitert, wird auf sehr eindringliche Art deutlich, dass es in Algerien keinen Platz für kompromisslose Idealisten und auch kaum Aussicht auf ein Ende des Konflikts gibt.
Dennoch, trotz der Aussichtslosigkeit der Lage und des hohen Preises, den der Kommissar und Schriftsteller am Ende von Herbst der Chimären bezahlt, kann der Weg, den Commissaire Llob in der Romantrilogie von Yasmina Khadra geht, als eine mögliche – wahrscheinlich die einzige – Antwort auf die Frage nach dem Ausweg aus der Krise gelesen werden: »Dans une Algérie qui se cherchait désespéremment, parmi les angles morts et les feux de la rampe, alors que chacun s’enrageait à se frayer une place au soleil, Brahim marchait droit. – In einem Algerien, das verzweifelt auf der Suche nach sich selber war, ging Brahim, gleich ob im Schatten oder im Rampenlicht, während jeder um seinen Platz an der Sonne buhlte, aufrecht und geradlinig seinen Weg.«