Wo auch immer man sich heutzutage befindet, Las Vegas ist allgegenwärtig. Die Convention-and-Visitors-Behörde zeigt unermüdlich und weltweit Präsenz im Fernsehen und in den Printmedien. Das erstaunt nicht, wenn man bedenkt, dass der Bau neuer Hotels wie des Aladdin bis zu 1,3 Milliarden Dollar kostet. Aber hinter dem Glanz und Glamour und dem Versprechen, sich zu vergnügen wie noch nie im Leben, hinter dem Strip, da verstecken sich die Geheimnisse dieser Stadt, die selten enthüllt werden.
Ein solches Geheimnis umgibt ein Hotel, dessen Eröffnung so viel Aufmerksamkeit erhielt, wie sich die Megahotels nur erträumen können. Das war vor fünfundvierzig Jahren, und es geschah weit weg vom Strip. Dieses Hotel gibt es immer noch, es sieht heute ein wenig verloren und vernachlässigt aus, aber irgendwie gelingt es ihm, dem Schicksal des Sands zu entgehen oder dem des Landmar und des Hacienda. Es liegt ein wenig abseits der Touristenpfade auf der West Bonanza, aber als es eröffnet wurde, zierte es das Titelbild des Life-Magazins.
1955 war das Vorhaben, ein gemischtes Hotelcasino zu eröffnen, ein gewagtes Unternehmen, denn das Zusammenleben der Rassen in Las Vegas unterschied sich in nichts von dem in Alabama. Dorothy Dandridge oder Sammy Davis Jr. durften zwar auf den Bühnen von Las Vegas auftreten, aber sie durften den Swimmingpool nicht benützen und schon gar nicht in einem Hotel am Strip übernachten. Das Moulin Rouge sorgte nicht nur für erstklassige Unterhaltung, es beherbergte auch schwarze und weiße Hotelgäste.
Bei der Eröffnungsgala wurde nichts dem Zufall überlassen. Im ganzen Land wurden die schönsten afroamerikanischen Mädchen gesucht für die luxuriöse Show. Der Schwergewichtschampion Joe Louis führte durch den Abend, und Nat King Cole, Judy Garland und Frank Sinatra waren unter den Ehrengästen. Benny Carter wurde verpflichtet, eine All-Star-Band zusammenzustellen, zu der auch der Saxofonist Wardell Gray gehörte. Die Eröffnungsnacht war so glamourös wie eine Filmpremiere.
Aber das Unternehmen stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. In der zweiten Nacht tauchte Gray, einer der jungen hoffnungsvollen Jazzstars, der schon in den Bands von Count Basie und Benny Goodman gespielt hatte, nicht mehr auf für die zweite Show. Später wurde seine Leiche in der Wüste nicht weit vom Casino gefunden. Obwohl die Band und das Ensemble erschüttert waren, schenkte die Öffentlichkeit diesem Todesfall wenig Aufmerksamkeit. Und noch weniger die Polizei der Aufklärung.
Trotzdem wurde das Moulin Rouge ein enormer Erfolg. Alle, die nach der Mitternachtsshow der anderen Hotels noch weiter feiern wollten, gingen dorthin. Dann, nur sechs Monate nach der pompösen Eröffnung, schloss das Moulin Rouge plötzlich seine Tore, die Besitzer erklärten Bankrott, und die Lichter gingen aus.
Das Hotel spielte weiterhin eine Rolle in Las Vegas, jedoch nicht die ursprünglich vorgesehene. Wäre Las Vegas eine Stadt in den Südstaaten gewesen, so glauben viele, hätte die Eröffnung des Moulin Rouge den Beginn der Bürgerrechtsbewegung signalisiert. Dass das Moulin Rouge ein historischer Meilenstein war, wurde nochmals deutlich, als 1960 die National Association for the Advancement of Colored People mit einer Demonstration auf dem Strip drohte, um die Aufhebung der Rassentrennung zu erreichen. Die Mitglieder der NAACP trafen sich mit den Hotelbesitzern und dem damaligen Gouverneur Grant Sawyer im Moulin Rouge, dabei wurde eine Erklärung unterzeichnet, die zur Aufhebung der Rassentrennung auf dem Strip führte.
In den folgenden Jahren, durch mehrere Besitzerwechsel bis hin zum gegenwärtigen Besitzer Bart Maybie, gab es immer wieder Aufrufe und Kampagnen, um das Hotel wieder im alten Glanz erstrahlen zu lassen. Nichts davon wurde in die Realität umgesetzt, aber die Stadtregierung hat kürzlich Maybies Plänen, das Hotel zu renovieren, zugestimmt. Möglicherweise wird es tatsächlich wiedereröffnet.
Dank dem Engagement von Menschen wie Dee Dee Jasmin, die früher im Showroom tanzte, konnte die Gesellschaft zur Erhaltung des Moulin Rouge den Abriss bisher verhindern und die Eintragung in das National Register of Historic Landmark erreichen.
Die Bar bleibt weiterhin geöffnet, und manchmal finden Veranstaltungen im Bankettsaal statt. Vor ein paar Jahren nahm ich selbst an einem solchen Anlass teil, dem vierzigsten Jahrestag der Eröffnung des Hotels. Nur wenige Gäste waren da, aber bei der Gelegenheit konnte ich wieder einen Blick in den alten Showroom werfen – er wurde als Abstellraum benutzt.
Warum wurde das Moulin Rouge nach einem so fulminanten Beginn geschlossen? Niemand weiß es genau, aber finanzielle Schwierigkeiten, schlechtes Management und Druck von Konkurrenzunternehmen gelten als mögliche Gründe.
Und Wardell Gray? Was mit ihm geschah, bleibt ebenfalls bis heute ein Geheimnis.
Las Vegas Life, Januar 2000
Nachbemerkung: Die glanzvolle Wiedereröffnung hat immer noch nicht stattgefunden. Das Moulin Rouge funktioniert nach wie vor nur als Bar.
Diskografischer Tipp: Die berühmten Aufnahmen von Wardell Gray, darunter auch Twisted und das geheimnisvolle Lavonne, finden sich auf der schönen Memorial Edition, Vol. 1 und 2, bei Prestige OJCCD-050-2 und -051-2 (P-7009).