Charlie Parker wuchs in Kansas City auf. 1928–1939 war dort Tom Pendergast Bürgermeister und die Stadt damit fest in der Hand des Organisierten Verbrechens. Der Amüsierbetrieb blühte und Kansas City war ein Dorado für den Jazz – mit Hunderten von Clubs, Cabarets, Vaudevilles und Kneipen, in denen sich prächtige Auftrittsmöglichkeiten für schwarze Jazzmusiker boten. Seit seinen eher bescheidenen Anfängen in den Bands der Crispus Attucks Grammar School und später der Lincoln High School wuchs Parker in dieses musikalische Milieu hinein. Er spielte in zahllosen Jamsessions, mit dito zahllosen lokalen Blues- und Jazzformationen. Ein erster Abstecher nach New York 1939 endete frustrierend. Zurück in Kansas hatte er einen ersten wichtigen Job 1940 in der Band von Jay McShann, dessen Blues-fundierter Stil für Parker lebenslang die Grundlange seines musikalischen Schaffens bleiben sollte. Lehr- und Wanderjahre, eine erste gescheiterte Ehe und viele Probleme schlossen sich an. Parkers musikalische Ideen passten nicht zum Zeitgeist, er galt als schräg, seltsam, egozentrisch. 1942 ging er wiederum nach New York, nahm ein Engagement in Earl Hines’ Bigband an und lernte dort unter anderem den Trompeter Dizzy Gillespie kennen. Durch ihn kam Parker verstärkt mit den Musikern um Minton’s Playhouse und Monroe’s Uptown House in Berührung – den Keimzellen des modernen Jazz. Zunehmend wurden die Dioskuren Parker und Gillespie (neben Thelonious Monk, Max Roach und anderen) zu den Führungs- und Kultfiguren der Bebop-Bewegung, gleichermaßen gefeiert und angefeindet. Parker war der große Charismatiker und die tragische Figur in einem. Seine Art Saxofon zu spielen, seine Kompositionen, sein Improvisationstalent, sein musikalisches Genie beeinflussten Generationen von Musikern und wirken bis heute. Ohne ihn ist die Geschichte des Jazz nicht zu denken; ohne ihn hätte sich der moderne Jazz nicht so entwickelt, wie er es getan hat.
Parkers Drogenprobleme (hauptsächlich Heroin und Alkohol) waren legendär, spätestens seit er ein Hotel in Brand setzte und nackt und schreiend auf die Straße rannte. Auf einer Tournee in Kalifornien erlitt er 1946 einen Nervenzusammenbruch und wurde ins Camarillo State Hospital eingewiesen. 1947 kam er, scheinbar clean, zurück nach New York und hatte mit seinem berühmten Quintett mit Miles Davis, Duke Jordan, Tommy Potter und Max Roach bis 1951 seine fruchtbarste Schaffensperiode. Zwei Europa-Tourneen, 1949 und 1950, machten ihn weltberühmt. 1951, Parker war wieder einmal ins Blickfeld der Rauschgiftfahndung geraten, entzog ihm die Stadt New York seine Auftrittslizenz. Parker zerfiel zusehends, seine Exzesse waren allzu selbstzerstörerisch – er war down and out. Obwohl er sich selbst 1954 ins Bellevue Hospital einlieferte, kam er nicht mehr auf die Füße. Bird starb am 12. März 1955 im Apartment der Mäzenin Baroness Pannonica de Koenigswarter, während die Tommy-Dorsey-Show im Fernsehen eine lustige Jongleurnummer zeigte. Wegen des Zustands seiner inneren Organe schätzte der Obduzent Parkers Lebensalter auf fünfundfünfzig Jahre. Seine Totenfeier versammelte fast alle Jazzgrößen seiner Zeit, 2700 Personen nahmen teil, Hunderte mussten weggeschickt werden. Bald darauf tauchte in New York und anderswo auf der Welt an die Wände gepinselt der Slogan auf: »Bird lives!« An manchen Wänden kann man den Spruch noch heute lesen.
Weil sich Charlie Parker kaum um sein aufgenommenes Werk kümmerte, ist seine Diskografie äußerst unübersichtlich. Als Basics empfehlen wir deshalb die 4-CD-Box Be-Bop Genius. Charlie Parker. Bird’s Immortal Performances 1945–1954 (Jazz Roots CDB 1805/4) sowie Charlie Parker with Strings. The Master Takes (Verve 523 984-2).