Das Land, das Erik der Rote 980 entdeckte, war grün. Und der Name, den er ihm gab, Grönland, war mehr als ein Lockname, der Emigranten aus Island anziehen sollte. Die Isländer, die sich in Grönland niederließen, fanden, dass es grüner war als ihre karge Heimat und dass die Lebensbedingungen mindestens gleich gut waren wie in dem Land, das sie verlassen hatten.
Doch 400 Jahre später waren sie auf und davon. Das war nicht zuletzt die Folge einer Veränderung des Klimas. Die langen, milden Winter und die herrlich warmen Hochsommer waren von strengem Winterwetter und kurzen, kalten Sommern abgelöst worden. Die Lebensbedingungen hatten sich derart verschlechtert, dass die meisten Nordländer das Land verließen. Diejenigen, die zurückblieben, verhungerten oder wurden durch Eskimos aus Nordgrönland vernichtet.
Heute, weitere 500 Jahre später, ist der Klimawandel erneut aktuell. Aber jetzt ist er größeren Ausmaßes, und er ist Menschenwerk. Und anders als beim letzten Mal wird es jetzt wärmer, was zur Folge hat, dass das Eis schneller schmilzt und dass Flora und Fauna sich verändern. Wissenschaftler aus der ganzen Welt sind sich darin einig, dass der Klimawandel tatsächlich eingesetzt hat. Politiker in der ganzen Welt wurden jahrelang gewarnt, und es sieht so aus, als würden sie langsam erwachen.
Während meines letzten Aufenthalts in Grönland hatte ich einen Traum. Wir hatten an jenem Tag dreißig Kilometer in schwerem Terrain zurückgelegt und waren deshalb sehr müde. Sobald ich im Schlafsack lag, fiel ich in einen unruhigen Schlaf. Es war ein böser Traum. Wir reisten unter blauem Himmel und strahlender Sonne in Nordostgrönland. Weiche Schneeverwehungen, so weit das Auge reichte, weiß und jungfräulich. Die Hunde waren gut gelaunt und hatten vor Freude die Schwänze geringelt.
Es war herrlich. Eine Schönheit, die einen demütig werden ließ, aber auch zum Jubeln froh. Eine Schlittenfahrt in der Arktis. Doch plötzlich schmolz der Schnee, und es bildeten sich große Schmelzwasserseen, und bald schon standen die Hunde bis zum Bauch im Wasser. Furchteinflößendes Getöse war vom Inlandeis her zu hören, wo riesige Eisklötze abbrachen und donnernd ins Meer stürzten. Es dröhnte über das Meer, und die mächtigen Eisberge kenterten und prallten auf die Eismasse, die aus dem Becken des Nordpols herantrieb.
Dann veränderte sich die Szenerie. Bilder ohne Zahl flimmerten vorüber. Die Südhänge des Tals von Qaerssormiut waren von Weinreben bewachsen, und ein Wald aus Birken und Weiden malte die Nordhänge grün. Die Berge waren schneefrei, so weit das Auge reichte. Unglaublich! In der Hocharktis mussten die Berge im Winter von einer Schneeschicht bedeckt sein. Ich starrte hin und sah, dass die Eiszungen, die sich gewöhnlich auf dem Weg zum Meer die Berghänge hinabschlängelten, verschwunden waren.
Ein böser Traum? Oder ein Zukunftsbild? War das arktische Grönland im Begriff zu verschwinden? Und was war die Ursache? Die Torheit der Menschen oder die zunehmende Aktivität der Sonne? Vielleicht eine unglückliche Kombination.
Dieser Albtraum hält mich gefangen. Träumend wünsche ich mir sehnlichst, zu erwachen und dass die Arktis Arktis bleibe, so wie während Jahrtausenden. Wachend weiß ich noch immer nicht, ob ich weiter träume oder ob der Traum Wirklichkeit geworden ist.