»Er ist verwirrend, er ist verrückt, er ist komisch und häufig auch aufregend, bewegend, verblüffend. Die weitschweifigen Identitäten der Figuren erlauben ihnen ebenso wie dem Buch selbst eine enorme Freiheit: die Freiheit, die bedrückende, lähmende Verbindung von Körper und Geist, dem Text und seinem Autor, dem Charakter und seiner ›Rolle‹ in der Handlung, seinem Auftreten und seiner ›Bedeutung‹, der Gegenwart und den Geistern der Vergangenheit und der Zukunft, die wie ein Schwarm Fliegen in der Luft hängen, aufzulösen. Die Figuren werden durch diese Freiheit reichhaltiger, überraschender, präziser in ihren Reaktionen, gewandter. Um ein Buch dieser Art genießen zu können, muss man darauf vorbereitet sein, dass man nicht immer alles verstehen wird, nicht darauf drängen soll, zwischen dem Klaren und dem Unklaren zu unterscheiden. Man muss bereit sein, Laors fließenden Worten die Freiheit zu geben, die er selbst ihnen gibt, manchmal ein bisschen ein Idiot zu sein, mit dem Wind zu fliegen. Der Versuch lohnt sich.«
Ely Hirsch, Ma'ariv, Tel Aviv
»Laors Buch ist in jeder literarischen Hinsicht bedeutender als die Bücher von Grossman und Shalev. Israels Literaturestablishment kann keinen Einfluss auf die ewigen Jagdgründe der Bestseller haben, aber es sollte das, was vom öffentlichen Literaturdiskurs übrig geblieben ist, auf Yitzhak Laors neues Buch richten.«
Amnon Navot, Ma'ariv, Tel Aviv
»Yitzhak Laor hat ein kühnes Buch geschrieben. ›Steine, Gitter, Stimmen‹ – sein zweiter Roman und sein drittes Prosawerk - ist eine unmittelbare Fortsetzung seines Angriffs auf die Legitimität des Romans am Ende des 20. Jahrhunderts. Der Autor hat in Texten, Vorträgen und Interviews immer wieder gesagt, dass er weder als Schriftsteller noch als Intellektueller Vertrauen in Handlungen, Charaktere und Schilderungen hat und dass diese bloß Mittel zur Manipulation sind, die als absolute Wahrheit ausgegeben werden.
Die Rolle des Lesers bei Laor ist komplex. Er wird aufgefordert, seine Gewohnheiten, seine Vorlieben aufzugeben und sich vorbehaltlos in den Text zu vertiefen. ›Steine, Gitter, Stimmen‹ versucht, seine Leser zu formen. Das ist Teil der Poesie des Buchs. Das Buch stellt Ansprüche, und das ist seine Schönheit, denn Ansprüche in der Literatur sind nicht notwendigerweise ein Fehler. Leser, denen es nicht gelingt, sich dem Buch frei von den herkömmlichen Vorstellungen bezüglich Handlung, Charaktere und stimmigem Ende anzunähern, werden von ihm enttäuscht sein.«
Yedioth Aharonoth, Tel Aviv
»Dieser Roman ermöglicht eine einzigartige Leseerfahrung. Er ist bewegend, macht wütend, überschreitet Grenzen und vermischt die Dinge (zum Beispiel ist zwischen dem Privaten, Persönlichen und dem Öffentlichen, Nationalen alles politisch). Er ist ebenso witzig wie erschreckend in seinem abgründigen Humor, zügellos und zugleich verblüffend strukturiert. Die dichte, reiche Sprache steht scheinbar im Widerspruch zu den vielen Lücken und den Selbstzerstörungsmechanismen. Es ist ein Buch, von dem man schon mitten im Lesen merkt, dass man irgendwann zu ihm zurückkommen wird, um selbst davon zu erzählen und es zu seiner eigenen Geschichte zu machen.
Der lodernde, flackernde Mittelpunkt dieses Buchs ist die Suche nach dem Sohn. Anders als Telemachs Suche nach seinem Vater ist dies die Reise eines Vaters, der seinen Sohn sucht, der Verlust, die Sehnsucht, die Schuld. Der Charakter, der sich nicht einmal seines Namens erinnert, erinnert sich einzig an eine weit zurück liegende Szene: ›Wie m-mein V-Vater mich hochgehoben h-hat, e-einmal, daran erinnere ich mich.‹
Der Roman ist voller Verluste. Wer hat wen verloren, der Vater – den Sohn? Der Sohn – den Vater? Und für einen Augenblick blitzt die Szene des Vaters im ›Erlkönig‹ auf, mit dem fiebrigen Kind auf seinen Armen, und kann es ein Kind geben in einem Land, das seine eignen Kinder verschlingt? Da ist z.B. Yazid, Ismails Sohn, da ist Gadi (es gibt viele ›Gadis‹ in diesem Buch), da sind die Trauerzeremonien, der Trauerkult, und die Frau, die keinen Sohn will (›Wenn wir einen Sohn haben, werden wir ins Ausland gehen.‹).«
Avi Katz, Ha'aretz, Tel Aviv
»Dieser Roman führt eine einseitige, überraschende Liebesaffäre mit seinen Lesern. Auf der einen Seite unterminiert es das Konzept der Identität und zerstört dabei systematisch jede Möglichkeit, Vertrauen zu den Figuren aufzubauen. Aber auf der andern Seite verlangt ›Steine, Gitter, Stimmen‹ vom Leser mit fast freudiger Unverschämtheit vollständiges Vertrauen zu einem ketzerischen und den Kriegsdienst verweigernden Autor. Das fällt nicht schwer, denn Laor ist unglaublich talentiert. Doch darüber hinaus muss der Leser all seine Vorstellungen davon, was ein Roman ist, aufgeben! Dann, und nur dann ermöglicht ihm das Buch eine aufregende intellektuelle Reise voller Abenteuer und Herausforderungen; nichts für Herzschwache.
›Steine, Gitter, Stimmen‹ verweigert nicht nur – in den Worten des Autors – die Unterscheidung von ›innen und außen‹, Laor hat auch den Mut, gegen den Strom der Meinungen zu schwimmen. Er reißt in seinem Roman die Fundamente der israelischen Gesellschaft ein – die Armee, die Politik, die Medien, die Religion, die Bildung – und notwendigerweise die der palästinensischen Gesellschaft gleich mit, denn es gibt keine Trennung zwischen Hier und Dort.
Der Autor selbst attackiert sein eigenes Buch auf ironische Weise, indem er fortwährend witzige kleine Anweisungen für Autoren und Verleger, die mit ihren Werken Geld verdienen wollen, in den Text einbaut: ›Einen Bestseller könnte man über ihr Leben schreiben.‹ Es ist schwer abzuschätzen, wie viel die hebräische Literatur dadurch gewonnen hat, dass Laor nicht nur der Versuchung widerstand, ein derartiges Buch für seinen Verleger zu produzieren, sondern weiter ging und das letzte heilige Relikt des modernen Romans zerstörte – den Helden – und so ein beeindruckendes Kunstwerk erreicht hat.«
Lea Eyni, Ma'ariv, Tel Aviv
»Eine der interessanten Fragen, die sich aus Yitzhak Laors neuem und komplexem Roman ›Steine, Gitter, Stimmen‹ ergeben, ist, weshalb der Protagonist – ein zum Islam konvertierter Shin-Bet-Agent, der die Rückkehr der Flüchtlingskinder nach Balad asch-Sheich (bei Haifa), die zum Ausbruch des Libanonkriegs führt, leitet – stottert.
Avi Katz (Ha'aretz literary supplement) glaubt, dass der Charakter ›durch das Stottern auf eine Stimme von außen in der wilden Polyfonie dieses Antiroman-Romans reduziert wird.‹ Ich glaube, dass das Stottern mindestens eine weitere grundlegende Bedeutung hat – es legt den inneren Widerspruch der ideologischen Fundamente des Romans bloß. Einerseits handelt es sich hier um einen Roman, der sich der Dekonstruktion jeder festen persönlichen oder kollektiven Identität verschrieben hat, am allermeisten der Dekonstruktion der (zionistischen) ›Nationenbildungs‹-Geschichte. Andererseits beschäftigt sich dieser Roman mit nichts weniger als der Erzählung der Missetaten an den Palästinensern, obwohl Enteignung, Vertreibung und Plünderung Teil von deren eigener Geschichte der ›Nationenbildung‹ sind.
Wenn Yitzhak Laor zum Schreiben seiner Geschichte kommt, scheint er zu zögern. In der Tat wird der Geheimagent ein subversiver Literaturlehrer, der sich für Wissen interessiert, das dem Wissen eines Geheimdienstes diametral entgegen steht. Dafür bezahlt er einen Preis: Laor verbietet seinem Protagonisten nicht die Zunge, lässt ihn aber auch nicht frei sprechen, sondern stottern. Ich glaube, dass dies eine notwendige Folge der widersprüchlichen Entwicklungen von ›Konstruktion‹ und ›Dekonstruktion‹ ist, denen Laor sich widmet: Die Dekonstruktion der Identität dekonstruiert auch die Geschichte der Enteignung und Misshandlung.«
Amos Levitan, Ha'aretz, Tel Aviv
»Dieser Roman erinnert mich an ein chemisches Experiment aus meiner Kindheit: Wenn man einen Fremdkörper - einen Nagel oder einen dünnen Zweig - in eine konzentrierte Lösung legt und eine Weile wartet, wird der Nagel oder Zweig langsam von Kristallhäufchen besetzt. Diese Odyssee durch tausend Geschichten voller Sehnsucht, Schmerz, verletzter Sexualität und Menschenliebe, die sich darin offenbaren, ist das perfekte Ergebnis dieser Art der Kristallisation, bei der der Anfang jedes einzelnen Satzes ein Fremdkörper ist, der in eine sehr konzentrierte Lösung von Zutaten eingetaucht wird, von denen jede der Kern einer andern Erzählung, eines Bestsellers, eines Magazinartikels sein könnte. Und bis der Satz sein Ende erreicht, hängen sich ihm dutzende von kleinen Kristallen an, heterogen und jeder in seinem eigenen Licht strahlend.«
Dan Daor, Sfarim, Ha'aretz, Tel Aviv