»Der grundsätzliche Unterschied zwischen klassischer Musik und Jazz besteht darin, dass bei der Klassik die Musik immer bedeutender ist als die Aufführung – wobei die Art und Weise, wie Jazz vorgetragen wird, wichtiger ist als das, was gespielt wird.« André Previn
Nur ein paar Erzähler haben die Welt des Jazz überhaupt betreten, trotz ihrer reichen Geschichte, ihrer amerikanischen Ursprünge und ihrer starken Figuren wie Bird, Dizzy, Fat und Willie the Lion. Die, die es dann doch getan haben, haben entweder ihre Geschichten mit berühmten Namen aus dem Jazz aufgepeppt (und dabei oft die Falschen erwischt) oder freizügig ein paar Portionen davon in ihren Text geträufelt, was sie in Dialogen für Jazzjargon hielten. Wenn man so was liest, bekommt man den Eindruck, Jazzmusiker sagen nur Sachen wie »Hey, man« oder »Go man, go!« oder »You cats sure were swingin’ when you played those funky riffs«.
Dorothy Bakers Roman Young Man With a Horn (1938), James Baldwins Kurzgeschichte Sonny’s Blues (1956) und John Clellon Holmes’ Roman The Horn (1959) sind aber immerhin beachtliche Ausnahmen. Wenn man über diese Beispiele und andere, neuere Versuche nachdenkt, die Welt der Musik und der Jazzmusiker literarisch zu erfassen, stößt man auf zwei Probleme: 1) die Schwierigkeiten für Nichtmusiker, über Jazz zu schreiben, und 2) die Gründe, warum so etwas immer schiefgeht. Ausnahmen sind Highlights und werden als solche gepriesen.
Unter »Jazz-Fiction« wollen wir hier verstehen: eine Kurzgeschichte oder einen Roman mit Jazz als Thema. Oder mit einem Jazzmusiker als Hauptfigur. Oder eine Geschichte, die im Jazzmilieu spielt. Um authentisch über Jazz schreiben zu können, muss der Schriftsteller sich völlig in diese Welt versetzen oder ihr immerhin so nahe sein, dass er fast ein Teil von ihr ist. Idealerweise sollte der Schriftsteller sogar selbst Musiker sein: nur garantiert das keinen Erfolg. Stephen Crane hat ja bekanntlich in The Red Badge of Courage über den Krieg geschrieben, ohne selbst je an einer Kampfhandlung teilgenommen zu haben. Aber für die meisten Schriftsteller genügen Erfahrungen aus zweiter Hand eben nicht. Das musste der Romancier James Jones bei seinem abgebrochenen Versuch, einen Jazzroman zu schreiben, feststellen.
Nach dem Erfolg von Verdammt in alle Ewigkeit wohnte James Jones in Paris und war von der Echtheit des Jazz und des Blues fasziniert. So beschloss er, sein Interesse an dieser Musik in einen Roman umzusetzen, der die Biografie des französischen Gitarristen Django Reinhardt als Grundlage haben sollte. Nachdem er den Klarinettisten Sidney Bechet kennengelernt hatte, beschrieb Jones ihn als »riesigen, sanft aussehenden Jazzpianisten (sic!) und eine der latent energischsten Persönlichkeiten, die ich je erlebt habe«.
Django Reinhardt, das hatte Jones im Gefühl, würde sich als Romanfigur ähnlich gut machen. Ein hervorragender Musiker und einer der allerersten ausländischen Musiker mit hoher Wertschätzung bei den Amerikanern. Außerdem war Reinhardt in jungen Jahren gestorben und hatte merkwürdige, gespenstische Legenden über sich hinterlassen, die ihn als Romanfigur geradezu ideal erscheinen ließen.
Jones und seine Frau Gloria zogen also durch die Pariser Jazzclubs, in denen Django aufgetreten war, und saugten deren Atmosphäre auf. Sie interviewten Musiker, die mit Django gespielt hatten – Duke Ellington, Lester Young, Billie Holiday –, und befragten seine Witwe und seinen Bruder. Aber mit je mehr Leuten Jones redete, desto verwirrter wurde er. Er fand sehr widersprüchliche Geschichten über den Gitarristen, und als einzige, konsistente Tatsache blieb übrig, dass er »unglaubliche, wunderschöne Musik« gespielt habe. Vermutlich merkte Jones irgendwann, dass er nie wirklich Zugang zu dieser Welt finden würde, in der Django Reinhardt zu Hause war – also ließ er dann endgültig ab von No Peace I Find (das war der Arbeitstitel).
1956 erschien Sonny’s Blues von James Baldwin. Eine Kurzgeschichte, die vermutlich so oft wie kaum eine andere in Anthologien aufgenommen worden ist, und die, darüber kann man streiten, ein paar der scharfsichtigsten Beobachtungen aus dem Innenleben der Welt des Jazz enthält. Hier harmonieren literarische Brillanz und Authentizität der Jazzelemente perfekt.
Baldwin stellt die Story nicht ganz und gar auf einen Musiker ab, sondern benutzt die Musik, um Charakterzüge zu entwerfen, die Atmosphäre Nachkriegs-Harlems zu beschwören und die musikalischen, kulturellen und philosophischen Klüfte zwischen zwei sich gegenseitig entfremdeten Brüdern zu illustrieren, die sich nach Jahren beim Begräbnis ihrer Mutter wieder treffen. Als Sonny, der jüngere Bruder des Erzählers, diesem eröffnet, er wolle Jazzmusiker werden, ist der vor den Kopf gestoßen und hat überhaupt kein Verständnis. Doch nach und nach fängt der Erzähler an, über den Jazz Sonnys Welt kennenzulernen, und findet dabei auch etwas über seine eigene Identität heraus. Gerade dann nämlich, wenn ihm zeitweise Zutritt zum Inner Circle in einem Jazzclub gewährt wird, der Sonnys Ersatzfamilie geworden ist. Diese berühmte Szene ist bemerkenswert, sowohl für Baldwins Beobachtungsgabe aus der Perspektive eines Nichtmusikers als auch für die Beschreibung der Musik, so wie sie aufgeführt wird. Das ist die Position des Außenseiters, der versucht, eine völlig fremde Welt zu verstehen. Baldwin macht das so gut wie vor oder nach ihm kein zweiter.
In Another World, einem späteren Roman, führt Baldwin den Jazzschlagzeuger Rufus Scott ein, eine Figur, die das Schicksal aller anderen Personen streift, die aber am Ende des ersten Teils des Buches Selbstmord begeht. Und wieder erweckt Baldwin mit großer Meisterschaft die Jazzclub-Szenerie und die Musik, die dort gespielt wird, zum Leben.
Musik sollte dann im späteren Werk von Baldwin immer noch eine zweifache Rolle spielen, aber die beiden erwähnten Texte sind wahrscheinlich die besten Beispiele für seinen genauen Umgang mit dem Leben von Jazzmusikern und mit Figuren, für die Wichtigkeit der Musik nicht beim Rand der Bühne aufhört.
Die bittere Erkenntnis von James Jones konnte Dorothy Baker nicht bremsen, deren Roman Young Man With a Horn aus der Hingabe des Fans und dem Jagdfieber des Rechercheurs entsprungen ist. Dorothy Baker raffte so viel Information, Atmosphäre und Hintergründe zusammen, wie sie von den Musikern und den Jazzclubs in New York absaugen konnte. Bakers Thema war, wie das von James Jones, eine legendäre Figur: der Kornettist Bix Beiderbecke, dessen meteorhafter Aufstieg in der Jazzszene alsbald von seinem frühen Tod mit achtundzwanzig Jahren verdüstert wurde und von dessen Talent nur ein Bruchteil zur Entfaltung kam. Nur während seiner Zeit im Orchester von Paul Whiteman wurde er einem breiteren Publikum bekannt. Er war, so sahen es jedenfalls viele, der tragische Held des Jazz – eine musikalische Ausgabe von Keats oder Rupert Brooke.
Über Bakers Roman allerdings gehen die Meinungen auseinander. »Bix hätte ihn abscheulich gefunden«, sagt sein Freund und Kollege Bud Freeman. Er erinnert sich an die Schriftstellerin, wie sie in den Clubs herumhing, herumredete und Teile des Manuskripts herumzeigte, das mit Bix’ Leben nur sehr entfernt zu tun hatte. Später wurde das Buch verfilmt. Kirk Douglas »hatte nur sehr entfernt Ähnlichkeit mit Bix, und Harry James imitierte sehr entfernt dessen Trompetenspiel«.
Young Man With a Horn (dt. Verklungene Trompete, o.D.) ist jedoch, trotz all seiner Mängel, eine der frühesten literarischen Annäherungen an den Jazz und ganz sicher der erste Roman, der sich ganz und gar um einen Jazzmusiker dreht. Und es gibt sogar ein paar Stellen, in denen Dorothy Baker so etwas wie einen echten, kurzen Einblick in das Jazzmusiker-Leben ihrer Figur Rick Martin zustande bringt.
Der Rest des Romans allerdings ist nicht so ganz auf der Höhe der Jazzwelt. Die Integration einer Liebesgeschichte funktioniert nicht wirklich, und Bakers Blick hat mit dem von der Bühne herunter nicht viel zu tun. Manchmal hat man sogar den Eindruck, sie gestalte Rick absichtlich unwirklich.
Einen Überschuss gab es nie, und wie Bix stirbt auch Rick am Ende in einem Meer aus Alkohol auf der Suche nach etwas, wovon er selbst keine Ahnung hat. Unklar ist auch, wer genau den Roman erzählt, und das stiftet bei den Lesern doch manche Verwirrung.
Schlussendlich muss man Dorothy Baker für ihre Bemühungen dennoch Beifall spenden. Young Man With a Horn gilt als der erste Jazzroman. Und bis zum nächsten verging etliche Zeit.
Garson Kanins Blow Up a Storm von 1959 ist auch eine Schilderung des Jazzlebens der Dreißigerjahre. Als Exsaxofonist steht Kanin auf Du und Du mit Jazzfiguren und echten Menschen. Bunny Berigan, Coleman Hawkings oder Stuff Smith treten in seinem Roman pausenlos auf und ab. Einige musikalische Stellen sind sogar fesselnd.
In einer Reihe von Rückblenden erinnert sich der Erzähler, der jetzt ein erfolgreicher Bühnenautor ist, an sein Jazzerleben. Zwar sind die Figuren ein wenig überzeichnet, aber Kanin geht ernsthaft mit der Musik um. Die Namen, die in den Unterhaltungen fallen, stimmen, und die Jazzszene der Dreißigerjahre ist akkurat erfasst.
Das Jazz Journal bezeichnet John Clellon Holmes’ Roman The Horn aus dem Jahre 1958 als den bisher »besten Jazzroman«. Das könnte selbst nach dreißig Jahren noch stimmen. Es hat zwar seitdem eine ganze Anzahl von Werken gegeben, die sich mit Jazz beschäftigt haben, aber keiner hat es geschafft, die Musik, das Musikleben und die Musiker ähnlich genau und ähnlich literarisch gelungen zu erfassen. Der Roman beginnt wie eine Kurzgeschichte mit dem Titel Afternoon of a Tenor Man und erzählt von den Tagträumen eines jungen Tenorsaxofonisten namens Walden Blue. Der grübelt über die Jam-Session des vergangenen Abends nach – ein Herzstück des Jazz in den späten Vierzigern und frühen Fünfzigern. Walden war als Sieger gegen einen gewissen Edgar Pool aus der Saxofon-Schlacht hervorgegangen. Pool ist ein legendärer Veteran der Jazz-Battles, unter dem Namen The Horn bekannt. Walden Blue macht sich Sorgen um den älteren Musiker, der deutlich auf dem Weg nach unten ist, und das veranlasst ihn, am nächsten Tag Pool The Horn bei seinen Freunden, Liebchen und Feinden zu suchen. Dabei erfahren wir mehr von Walden Blue, von Edgar Pool und den Unbilden des Jazzlebens. Holmes’ Blick auf die Jazzwelt, ihre dünnhäutigen Figuren und die Schwierigkeiten, in einer solchen Welt zu überleben, sind klar gezeichnet.
Holmes gelingt es nicht nur, in die Köpfe seiner Figuren einzudringen, er ist auch dazu fähig, den Blick von der Bühne herunter präzise zu reproduzieren; meistens durch die Augen der Musiker und auf eine Art und Weise, wie es vorher noch niemand getan hat. Weil Holmes seinen Edgar Pool aus echten Zügen von Lester Young und Charlie Parker zusammensetzt und auch Nebenrollen von Jazzfans leicht als Dizzy Gillespie und Billie Holiday erkannt werden können, schafft er es, die Jazzwelt, die manchmal so unerbittlich und unergiebig für ihre eigenen Helden ist, literarisch auf bis heute unerreichte Art zu bannen.
Spätere Versuche in »Jazz-Fiction« sind, mit der Ausnahme von Baldwins Büchern, immer hinter Holmes zurückgefallen. Eine weitere Ausnahme ist vielleicht Nat Henthoffs Jazz Country. Aber in den meisten anderen Fällen ist ein Jazzhintergrund nur der Rahmen für ansonsten nicht weiter bemerkenswerte Storys. Meist sind Ungenauigkeiten an der Tagesordnung, obwohl manche Schriftsteller offensichtlich ein bisschen Ahnung haben.
Paul Pines etwa betrieb selbst einen Jazzclub in New York, aber in The Tin Angel (1983) zerstört die Freundin seines Helden, die Schlagzeugerin sein will, jede Glaubwürdigkeit mit diesem Dialog: »Sie kratzte sich den Kopf mit den dicken, honigfarbenen Haaren, als ich ihr nach drinnen folgte. ›Bei wem spielst du?‹ – ›Mit Buddy Richs Big Band im Vanguard.‹ – ›Hört sich nach ’nem netten Job an.‹ – ›Ja, ich mag Buddy Rich. Komm doch rein.‹«
Es mag ja ein netter Job sein, aber der einzige Schlagzeuger bei Buddy Rich ist Buddy Rich.
James Houstons Gig von 1969 hat zwar vielversprechende Anlagen, stürzt dann aber in Introspektion und Pop-Psychologie ab. Roy Ambrose spielt Klavier in einer Bar, und obwohl Houston selbst Musiker war, gönnt der Roman der Musik nur einen Seitenblick, während Ambrose damit beschäftigt ist, sich mit Wochenend-Schluckspechten rumzuschlagen, die in Pianobars rumhängen und nach Melancholy Baby verlangen.
Herbert Simons’ Man Walking on Eggshells hat einen arg von Miles Davis inspirierten Helden. Raymond Douglas ist Trompeter, wächst in East St. Louis auf und hat Drogenprobleme, bevor er als berühmter Jazzer Karriere macht. Auch hier stimmen die erwähnten Namen, aber musikalische Bezüge sind manchmal ein wenig verwirrend. So beschreibt Simons etwa eine Nachtclubszene, in der Douglas mit einer »militanten Rhythmusgruppe» spielen muss, die »einen entspannten Beat unterlegt – in 7/8«. Dürfte nicht einfach sein.
Zwar macht die Schilderung schwarzen Lebens in St. Louis einen stimmigen Eindruck, aber der Jazz ist für diesen Entwicklungsroman eher zufällig.
Auch Paris Blues von Harold Flenders aus dem Jahr 1958 verspricht mehr, als es dann liefert. Es ist ein Blick auf die schwarze Jazz-Emigrantenszene in Europa. Eddie Cook ist Altsaxofonist und lebt seit zwölf Jahren im Paris der Fünfzigerjahre. Ihm geht es gut, er ist beliebt und bekannt, und er kann seine Musik machen. Plötzlich werden seine Gefühle durch den Besuch der amerikanischen Schullehrerin Connie und ein Jobangebot von Wild Man Moore aufgewühlt. Moore ist eine Figur wie Louis Armstrong (der in der Verfilmung tatsächlich diese Rolle spielt) und möchte Cook nach Hause holen und dort »einen Batzen verdienen« lassen. Cook weiß nicht so recht, und der Löwenanteil des Romans zeigt ihn beim Ringen mit seinen Dämonen und mit seinen Wurzeln. Schließlich beschließt er dann doch, in die Staaten zurückzukehren.
Meistenteils nimmt Flender die Musik ernst, aber der Jazz ist für die persönlichen Probleme der Hauptfigur nur sekundär. Eddie Cook ist eben zufällig ein Jazzmusiker. Es gibt allerdings auch ein paar Vermischungen musikalischer Stile, die der Glaubwürdigkeit dann doch Abbruch tun. So ist Wild Man Moore als Dixieland-Musiker dargestellt, während Cook mit eher moderneren Saxofonisten wie Coleman Hawkins, Ben Webster und Don Byas verglichen wird. Aber immerhin, es gibt keine gröberen Schnitzer, und dafür sollten wir schon dankbar sein.
Der Roman And Sleep Until Noon (1966) von dem Textschreiber und Jazzjournalisten Gene Lee ist nur wegen der Genauigkeit bei der Verwendung von Namen aus dem Jazz und kurzen musikalischen Szenen bemerkenswert. Es handelt sich wiederum um einen selbstreflexiven Erziehungsroman, der die Möglichkeit verpasst, das Jazzleben aus der Perspektive von jemandem, der es eigentlich können müsste, zu schildern. Wegen Lees Neigung, immer wieder die Handlung zu unterbrechen und Vorträge über diverse Sachgebiete zu halten, und wegen eines völlig zusammenhanglosen Handlungsteils in Südamerika haben wir auch da bloß wieder einen Roman, in dem Musik zufällig eine Rolle spielt.
Big Chocolate Cookies von E. S. Goldman (1988) fängt mit der New Yorker Jazzszene der Vierzigerjahre an, endet aber eher mit der Wall Street als mit der 52sten Straße. Es gibt da eine Fülle peinlich genau benutzter Jazznamen, aber wenig übers Jazzleben. Play my Melancholy Baby (1986) von John Daniels bietet einen Hotelpianisten als zögerlichen Privatdetektiv und ein Minimum an Klavierspiel rund um einen Mordfall in den Siebzigerjahren, und um Jazz handelt es sich ganz gewiss nicht dabei.
Kurzgeschichten taugen ein bisschen mehr, obwohl William Kotzwinkles Sammlung The Hot Jazz Trio (1989) eigentlich mehr mit Fantasy als mit Jazz zu tun hat, besonders in der Story Django Reinhardt Plays the Blues. Die anderen beiden Texte der Sammlung sind womöglich noch weiter von der Welt des Jazz entfernt.
B Flat, Bebop, Scat (1986) bringt sowohl Geschichten von Musikern als auch von Fans. Die literarische Qualität ist hier aber sehr unterschiedlich.
Eine neuere Anthologie, Hot and Cool: Jazz Short Stories (1990) enthält Sonny’s Blues und andere bekannte Texte, die eine gewisse Bandbreite von Musik und Epochen abdecken – Donald Barthelmes King of Jazz, Eudora Weltys Powerhouse und Julio Cortázars The Pursuer. Die Qualität der Storys reicht von sehr gut bis grauenhaft. Der Bezug auf Earl »Fatha« Hines als »father« macht einmal eine ganze Geschichte kaputt und lässt Zweifel über die Urteilsfähigkeit des Herausgebers aufkommen, genauso wie die materialreiche Einführung zum Thema »Jazz-Fiction«, die allerdings John Clellon Holmes nicht mal erwähnt. Holmes und in etwas geringerem Maß James Baldwin stehen also weiterhin als die einzigen Schriftsteller da, die mit Erfolg literarische Qualität und Authentizität in Jazzdingen kombiniert haben. Holmes sagte einmal: »Manchmal, wenn ich mit dem Stift übers Papier rase, stelle ich mir vor, ich wüsste, wie es ist, ein Jazzmusiker zu sein.«
Wenigstens das: Holmes hat die Aufgabe gemeistert, eine Musik zu beschreiben, die in dem Moment, in dem sie gespielt wird, schon wieder verschwunden ist. Warum aber scheitern Jazzromane immer wieder? Vielleicht hatte F. Scott Fitzgerald ja Recht als er über die Reichen, über die er so erfolgreich geschrieben hat, sagte: »Sie sind so anders als wir.« So anders als Fitzgerald waren die Reichen nicht, und vermutlich liegt darin der Schlüssel für seinen Erfolg und der Grund für das Scheitern von »Jazz-Fiction«. Es ist eben eine ganz besondere Welt, die man kennen, lieben oder Teil von ihr sein muss. Und bis jetzt gibt es eben noch keine Erben für das Vermächtnis der Baker, Baldwin und Holmes.