Über Matéo Maximoff
»Am 25. November 1999 ist Matéo Maximoff an Herzversagen gestorben: Er war 84 Jahre alt. In seinem 1981 geschriebenen Vorwort für die Wiederveröffentlichung seines Buches Der Preis der Freiheit fasste François de Vaux de Folletier das bewegte Leben des Autors zusammen: ›Von russischer Abstammung, wurde Matéo 1917 in Barcelona geboren. Sein Vater war ein Kalderash-Rom, seine Mutter Manouche. Ab dem dritten Lebensjahr wuchs er in Frankreich auf, wo sich ein Teil seiner Familie schon vor 1914 niedergelassen hatte. 1940 wurde er in Gurs in den Pyrenäen interniert. Er überlebt, mehrere Mitglieder seiner Familie kommen jedoch in Auschwitz um. Er arbeitet in der Tradition der Kalderash als Kupferschmied‹.
Der Schriftsteller: Ein Vorläufer. In einer mündlichen Kultur aufgewachsen, schreibt er als Autodidakt sein erstes Buch noch vor seinem dreißigsten Lebensjahr, Die Ursitory (Märchen in der Tradition der Roma, wie er sie schon als Kind gehört hatte), erschienen 1948 bei Flammarion. Weitere Werke folgen: Der Preis der Freiheit, Die siebente Tochter, Verdammt zu leben, Savina, La poupée de Mameliga, Dites-le avec des pleurs, Ce monde qui n’est pas le mien. Die zwei letztgenannten Werke sind autobiografisch, Der Preis der Freiheit ist im Rumänien des 14. Jh. angesiedelt.
Matéo war der Botschafter eines verkannten und verfolgten Volkes, sowohl in seiner Funktion als Schriftsteller und Filmemacher wie auch durch seine Teilnahme an Tagungen und Kolloquien. Bei einer solchen Gelegenheit, als Vertreter des Mrap, durfte ich ihn kennenlernen, daraus entstand eine schöne Freundschaft. 1964 wurde er Prediger in der Pfingstmission für Zigeuner, was ihm neue Aufgaben brachte, z.B. die Teilnahme an nationalen und internationalen Zusammenkünften. Er reiste auch nach Indien, dem Ursprungsland seines Volkes.
Der Abschied: Viele fanden sich ein, um seinen 84. Geburtstag in Romainville zu feiern, ebensoviele kamen am 28. November, um sich von ihm auf dem Friedhof in Romainville zu verabschieden. Danke, Matéo, für Dein Werk, das für Dein Volk entstanden ist, aber auch für uns ›gadje‹, um uns die Geschichte, die Mentalität und die Kultur einer ›Welt, die nicht die unsere ist‹ näherzubringen, um mit dem Titel Deines letzten Buches zu sprechen.«
Aus: Jean-Bertrand Bary: Mrap – Mouvement contre le racisme et pour l’amitié entre les peuples
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»Der Tod von Matéo Maximoff ist ein Verlust für unsere ganze Zivilisation. Zwischen ihnen, den Roma, den Manouches, den Gitanos (hören wir hier der Einfachheit halber auf), und uns, den Gadsche, gibt es so wenig Vertrauen! Der Verlust Matéos ist umso tragischer, da selbst von den Roma, die lesen können, nur wenige erahnten, was Matéo unermüdlich bis zum letzten Tag seines Lebens für die Verständigung zwischen Roma und uns Gadsche, für die Erhaltung ihrer Kultur und vor allem für die Bewahrung ihres kulturellen Gedächtnisses getan hat. Niemals wieder bin ich so jemand Engagiertem begegnet, der stets für alle ein offenes Ohr hatte. In den letzten Jahren war er täglich in einem algerischen Restaurant in einem Vorort anzutreffen, wo er der Mittelpunkt einer stets offenen und lebendigen Runde war. Dort waren seine beiden Geburtstage (welcher war richtig, welcher falsch?) zweimal jährlich für alle der Anlass, sich wiederzufinden, eine in alle Richtungen zerstreute Gemeinschaft von Freunden und Künstlern wieder zusammen zu bringen. Er hat den Prix Romanès iniziiert. Tony Gatlif wurde er, so wie Matéo es sich gewünscht hatte, dieses Jahr während einer Zeremonie, die wir dem Bildhauer Gérard Gartner verdanken, verliehen. Es ist Matéos Stimme, die zu Beginn von Gatlifs »Latcho Drom« den Film für alle Roma der Welt auf Romanes einleitet.
Matéo hat geschrieben, er hat seine außergewöhnlichen Bücher selbst von Tür zu Tür verkauft. Aber er hat auch tausende von wunderschönen Fotografien gemacht, hat mehrere unersetzliche Kilometer Film von unschätzbarem Wert über die Roma gedreht, wozu er mit dem Auto bis nach Indien gereist ist.
Ein außergewöhnliches Leben, ein außergewöhnlicher Beitrag für das Fundament eines kulturellen Gedächtnisses der Roma ist nun beendet. Er wollte, dass es für alle zugänglich und lebendig bleibt. Auf dass dieser Wunsch Beachtung findet.«
Aus: Annie Kovacs-Bosch: Das Gedächtnis der Roma, in: Etudes tsiganes, Paris. Vol. 13, 2000