Wir treffen uns in der Bar der Gemüsehändler. Bei Hassan ist man unter Freunden. Garantiert kein einziger, der Front National wählt. Wir trinken ein erstes Gläschen mit Ferré und schließen ab mit Coltrane. Dazwischen Miles Davis. Und Jean-Claude Izzo in frischer Trauer über den Tod von Fabio Montale, dem Helden aus seiner Marseiller Trilogie.
Er ist ruhig, so ruhig wie sein letztes Buch heftig ist, als hätte er darin alles, was ihm an Wut und Hass geblieben war, herausgelassen. Jetzt verströmt er eine sanfte Resignation, pendelnd zwischen Fatalismus und jäher Lebensfreude. »Wenn ich morgens die Nachrichten höre, muss ich fast kotzen, und das nervt«, murmelt er und nimmt sich Zeit, die richtigen Worte zu finden. »Was geschieht, was ich sehe, was ich höre, bringt mich zur Verzweiflung. Ich habe keine Hoffnung mehr. Und das Schreckliche ist, dass ich umso verzweifelter bin, je mehr ich schreibe …«
In einem letzten Handstreich hat er soeben seinen Helden Fabio Montale untergehen lassen, den linken Polizisten, der seit drei Jahren und in drei Büchern seine Enttäuschungen, seinen Hass auf Gewalt und Lüge, seine Leidenschaft für Marseille, seine Liebe zu den Frauen und zu Figatellis grillés in die Welt getragen hat. »Als er begann, selbst zu töten, konnte ich ihn nicht mehr am Leben lassen.« Izzo hat ein Kapitel abgeschlossen. Das fällt ihm nicht leicht.
Seinen ersten Kriminalroman publizierte er mit fünfzig Jahren, und der Erfolg war umwerfend. Total Cheops (erschienen 1995) verkaufte sich mehrere 100 000 Mal. Chourmo, die Fortsetzung, hat die 100 000 überschritten. Der letzte Teil, Solea, wurde in der ersten Woche 40 000 Mal verkauft. Diese Kultbücher spiegeln die Sehnsucht nach dem Süden, die Wiederentdeckung von Marseille und das Bedürfnis nach Geschichten, die sich um eine unschöne Wirklichkeit drehen: um Gewalt, Arbeitslosigkeit, Rassismus und Korruption. Mit der Beschreibung von realen Problemen, Düften von Minze und Basilikum und seinen Gedanken über den Gang der Welt gewann Jean-Claude Izzo auch jene Leser, die sonst nie einen Krimi zur Hand nehmen. Denn alles, was er schreibt, ist wahr oder dem wirklichen Leben entnommen. Er schneidet aus, klebt auf, er bewahrt, was ihm zwischen die Finger kommt: Zeitungen, Bücher, Berichte der UNO. Und er fügt sie zusammen. Er zeigt seine Krallen, wenn es angesichts der Missstände nötig ist, aber er kann auch zärtlich die salzige Haut einer Frau streicheln, die aus dem Meer steigt.
»Man wird Marseille nie verstehen, wenn man das Licht dieser Stadt nicht kennt. Im Licht ist sie greifbar. Sogar in den Stunden, wenn die Luft brennt. Selbst wenn sie einen zwingt, die Augen niederzuschlagen …«, so schreibt Izzo, der Camus und die einfache Schönheit seiner Zeilen über Algier so sehr bewundert.
Jean-Claude Izzo wurde hier geboren, unter diesem Licht, als Kind eines italienischen Barkeepers und einer spanischen Schneiderin, die oft umzogen, um den Gerichtsvollziehern zu entfliehen. Er kennt jeden Winkel dieser Stadt. Izzo liebt die Menschen und ihre vielen kleinen Geschichten. Auch sein eigenes Leben ist voll von ihnen.
Er kam einer Einberufung zuvor und fuhr nach Dschibuti in die Kolonien (»Ich wollte das Rote Meer und das Haus Rimbauds sehen«). Er lässt sich vor Ort demobilisieren und fährt nach Äthiopien, wo er die Leprastationen und Bordelle kennenlernt. Nach einem Jahr kehrt er nach Frankreich zurück, den Kopf voll von Eindrücken und die Taschen voll von Gedichten. Er wird Journalist und Kommunist.
Aber er macht eine Wandlung durch. 1978 liest er L’homme aux semelles de vent von Michel Le Bris. Er begreift, dass er mit den Ideologien Schluss machen muss, dass er erst richtig von der Welt wird erzählen können, wenn er sie wirklich sieht, und er wirft alle Fesseln ab: Er lässt sich scheiden, verlässt die Chefredaktion der Marseillaise und gibt, nach Auflösung der Union der Linken, sein Parteibuch der Kommunistischen Partei zurück. »Ich habe alles geschluckt, Ungarn, die Tschechoslowakei, die insgesamt positive Bilanz des realen Sozialismus. Jetzt schlucke ich nur noch Eier!«, lästert eine der Figuren aus Solea. Es folgen einige Galeerenjahre. Und dann das plötzliche Erwachen: Er begegnet dem Menschen, der bereits einmal seinen Weg verändert hatte. Michel Le Bris, der später Mitbegründer der literarischen Zeitschrift Gulliver und des Salons Etonnants Voyageurs von Saint-Malo sein wird. Dieser Mann spornt ihn an zu schreiben. Total Cheops ist innerhalb von fünf Monaten entstanden, weil Izzo geschworen hatte, seinem Sohn jeden Monat ein Kapitel in den Militärdienst zu schicken.
Nach so vielen Jahren des Abwartens und Aufstauens war der erste Roman eine Befreiung. Der Kriminalroman war nur ein Appetithäppchen. Izzo beschließt, einen literarischen Roman in Angriff zu nehmen, und schreibt Les marins perdus, inspiriert durch Joyces Ulysses. »Es ist schrecklich, weil die Figur, die das Glück verkörpert, mit dem Tod endet. Während ich schrieb, habe ich alles getan, um sie zu retten, aber es ist mir nicht gelungen«, sagt er betrübt.
Wenn er Fabio Montale hat untergehen lassen – eine mutige Geste –, dann aus Angst vor der Leichtigkeit, der Gewohnheit und der Mittelmäßigkeit, die immer ins Unglück führen.
Libération, 22.5.1998