Sich unbeachtet fühlen, ist das Schicksal vieler Schriftsteller. Wenige Leser, keine Leser. Vernichtende Rezensionen, keine Rezensionen. Verlage, die sagen, rufen Sie nicht uns an, wir rufen Sie an, oder deinem zweiten Buch keine Chance geben wollen, weil das erste zu wenig einbrachte. Ein üppiges Sortiment an amerikanischen und englischen Büchern in der Auslage der Buchläden, eine spärlich bestückte australische Sektion irgendwo in einem Eckchen. Beverly Farmer findet ihre Short-Story-Sammlung Milk im Regal für stillende Mütter und ich muss meinen Roman The Stencil Man in der Bastelabteilung suchen.
Viele dieser Demütigungen treffen einen noch am Schreibtisch. Tritt man in der Öffentlichkeit auf, wird es noch viel schlimmer. Elizabeth Jolley wurde bei einer Buchsignierung in einem Warenhaus in Perth von einer Frau argwöhnisch beäugt und schließlich gefragt: »Was kostet der Tisch?« Ein Buchhändler hielt mir die erste Seite eines US-Thrillers unter die Nase und sagte: »Wenn Sie einmal so gut schreiben können …«
Was soll man da tun, außer lächeln und innerlich mit den Achseln zucken? Die Menschen und ihre Marotten. Aber dann muss man sich plötzlich dafür rechtfertigen, was man geschrieben hat, oder gar einen moralischen Standpunkt dazu einnehmen.
In Deutschland und der Schweiz sind meine Bücher sehr beliebt. Dreimal konnte ich den prestigeträchtigen Deutschen Krimipreis gewinnen. Ich genieße es, dort auf Lesereise zu gehen, mit dem Zug kreuz und quer durchs Land zu fahren und mit dem freundlichen und belesenen Publikum in Buchläden, Sälen und Kulturzentren zu sprechen. Das Format ist immer dasselbe: Ich lese eine Passage auf Englisch, darauf liest ein berühmter Bühnen- oder Fernsehschauspieler dieselbe Passage auf Deutsch (ich bezweifle, dass ich die Hauptattraktion bin) und ein Moderator unterhält sich mit mir und übersetzt gegebenenfalls.
Einmal habe ich einen Germanisten gefragt, warum meine Kriminalromane (und diejenigen von Jane Harper und Michael Robotham) in Deutschland so gut ankommen. Er nannte mir gleich mehrere Gründe: Bücher besitzen generell einen hohen Stellenwert in Deutschland, die deutsche Leserschaft ist offen für Übersetzungen, der deutsche Krimi ist noch nicht ausgereift und das australische Setting hat etwas Exotisches. Darüber hinaus stoße eine meiner Figuren, der Verbrecher Wyatt, in Deutschland auf große Beliebtheit, weil die Deutschen – gehorsam, respektvoll und strukturiert – sich insgeheim wünschen, so zu sein wie er: ein Mann ohne Zweifel und Skrupel, befreit von Regeln und jeglicher Ordnung. Das stimmt auch mit dem überein, was mir ein australischer Leser einmal gesagt hat: »Auch wenn ich Wyatts Handlungen nicht befürworten kann, will ich, dass er am Ende gewinnt.«
Eine Frau in Bern war da ganz anderer Meinung – eine Psychiaterin fortgeschrittenen Alters, strenges Gesicht, elegant gekleidet. Entrüstet sagte sie, ich würde doch sicher nicht Wyatts Taten gutheißen wollen. Ich entgegnete, dass ich mir darüber kein Urteil bilde. Mein Job sei es, zu unterhalten und nicht, moralische Lektionen zu erteilen. Diese Antwort stellte sie nicht zufrieden, und sie folgte mir sogar bis zum Abendessen, das von lokalen Literaten organisiert wurde. Sie ließ erst von mir ab, als ich ihr ausdrücklich sagte, dass ich natürlich nicht für Mord und Chaos einstehe. Ich denke oft an sie. Vielleicht hat sie noch nie zuvor fiktionale Texte gelesen. Vielleicht behandelt sie Opfer von Verbrechen oder hat selbst eines erleiden müssen. Für jemanden, bei dem das Wort »Verbrechen« allein schreckliche Assoziationen auslöst, muss ein Schriftsteller, der damit eher locker umgeht, pietätlos wirken. Vielleicht war mein bisheriges Leben in Watte gepackt und sie erlebt eine ganz andere Realität.
Doch muss ich mich rechtfertigen? Habe ich eine Verpflichtung, die darüber hinausgeht, Leser zu unterhalten und ihnen etwas für ihr Geld zu bieten? Ich weiß es wirklich nicht. Dann und wann begegne ich Menschen, für die eine Geschichte mehr ist als nur eine Geschichte, die sich der Fiktion nicht hingeben können und fragen: »Wie können Sie über solch entsetzliche Dinge schreiben?« Wenn ich sage, es sei nur eine Geschichte, geben sie sich nicht zufrieden. Wenn ich sage, im Leben passieren viel schlimmere Dinge als ich sie mir ausdenken könnte, man müsste dafür nur die Zeitung aufschlagen, erwidern sie, sie läsen keine Zeitung, weil darin über schreckliche Dinge berichtet werde – und warum ich diese Dinge denn noch verstärken wolle. Soll ich etwa antworten, dass meines Wissens noch nie jemand ein Verbrechen begangen hat, nachdem er eins meiner Bücher gelesen hat? (Außer das Buch an die Wand zu werfen vielleicht.)
Man wird auf vielfältige Weise auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Beispielsweise bei einer Buchsignierung mit Michael Connelly, Ian Rankin oder Kerry Greenwood. Raten Sie mal, wessen Schlange durch den ganzen Raum, aus der Türe hinaus und um den nächsten Block geht? Die Zeit vergeht. Kein Wort wird gewechselt. Kein Augenkontakt. Die Signierhand liegt untätig da. Aber dann die Rettung! Jemand lächelt dich warmherzig an, kennt sogar deine früheren Bücher oder hat dieselbe Schule besucht wie du. Oder die Autorin neben dir, für die die Leute Schlange stehen, die eifrig Verbotene Liebe signiert und dir gegenüber verächtlich die Nase rümpft, weil sie noch nie von dir gehört hat, wird später als Hochstaplerin entlarvt.
Es gibt trotzdem nichts Besseres, als sich unter die Leser zu mischen. Mittlerweile treffe ich auch auf Leute, die mich nicht mehr mit Gary Crew verwechseln, meine Schlangen bei Signierstunden reichen nun manchmal schon bis zum Tischchen mit der Teekanne und ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich respektvoll auf jede Frage eingehe – sogar auf diese: »Woher nehmen Sie nur Ihre Ideen?«
Dieser Text erschien erstmals im Guardian und wurde aus dem Englischen übertragen.