Ich wollte über Menschen schreiben, die aufbrechen, die sich entwickeln, die verstehen, wachsen. Nel trauert nach zwanzig Jahre noch einmal um seine beiden Cousins, seine verstorbenen Helden, die beide ungefähr in dem Alter starben, in dem Nel heute ist. Sein Freund Matt hat das Gefühl, am falschen Ort zu sein, er fühlt sich deplatziert und ist selbst unzufrieden mit seinem Anspruch, das Leben kontrollieren zu wollen. Er dreht einen Dokumentarfilm, der die Vergangenheit in eine Erzählung gießen soll. Nach und nach wird sein Dokumentarfilm zu restriktiv, zu eng, er muss aufgeben, entdecken, dass das Leben immer über das hinausgeht, was gesagt oder erzählt werden kann.
Beide Männer sind unverbesserliche »Betrachter«, der eine Fotograf, der andere Dokumentarfilmer, beide wollen die Realität aufnehmen, sie erfassen. Der Regen in der Schlussszene während des Almabtriebs ist eine Initiation: Die beiden können nichts anderes tun, als ihre Ausrüstung einzupacken und auf ihre Aufnahmen zu verzichten, auf die Distanz zu verzichten und ganz einfach teilzunehmen. Sich dem Leben selbst, dem Strom hinzugeben.
Ich wollte, dass man sieht, wie Matt und Nel sich entwickeln, sich verlieren und zweifeln, schließlich den Boden unter den Füßen wiederfinden und sich neu erfinden. Ich wollte, dass es ein Buch voller Fragen und Unsicherheiten ist. Die beiden entwickeln sich unterschiedlich, aber sie gehen auch zusammen durch diese Zeit. Ihre Freundschaft durchwandert Höhen und Tiefen, schwankt und festigt sich aus dieser neuen Situation heraus wieder.
Allmählich taucht wieder die Vergangenheit im Herzen des Romans auf, die Achtzigerjahre. Ich idealisiere diese Zeit nicht, ebenso wenig, wie ich Sehnsucht nach ihr verspüre. Diese Gefühl verbinde ich eher mit den frühen Siebzigerjahren. Die 1980er-Jahre spiegeln jedoch besser als jede andere Epoche das Thema wider, auf das ich im Grunde immer zurückkomme: die ewige Wiederkehr von Leben und Tod. Lebewesen, die leben, die lieben, die sich ärgern, die glücklich oder unglücklich sind; und die sterben und von anderen ersetzt werden. Dieser große Taumel des Lebens. Diese Zange, die uns festhält, grausam und schön zugleich: Die Gewissheit, dass wir eines Tages sterben müssen. Die absolute Freiheit, in der Zwischenzeit leben zu dürfen – und das auf die schönste Weise. Die Achtzigerjahre sind in dieser Hinsicht exemplarisch: Männer und Frauen, die exzessiv leben, die weiter gehen als jemals zuvor und die der Tod unerbittlich mit sich nimmt.
Matt und Nel sind fasziniert von den beiden Brüdern, von Christian und Fabien, die sich permanent Gefahren aussetzten. Und sie stellen sich die Frage, ob diese Faszination ein Indiz dafür ist, dass ihnen in ihrem eigenen Leben etwas fehlt, dass ihnen Intensität fehlt. Auch ich selbst habe mir diese Frage schon gestellt. Ich nehme keine Drogen, ich habe zwei Kinder und führe ein ziemlich friedliches Leben, das nicht gerade von »riskanten Verhaltensweisen« geprägt ist. Im Roman wollte ich zeigen, dass es verschiedene Arten von Intensität gibt. Auf der einen Seite steht der Lebenshunger der beiden Brüder, auf der anderen die neu geschaffene Beziehung zur Natur, die Fähigkeit, zuzuhören, Aufmerksamkeit für andere aufzubringen unddie Kunst. Die Figuren behaupten nicht, dass einer dieser Wege der richtige ist. Die Frage nach der Intensität des Lebens steht im Herzen des Romans. Genauso ist es auch ein Roman über die Zerbrechlichkeit der Dinge, die Flüchtigkeit von Anmut – die aber bestätigt, dass es Anmut gibt und dass sie es wert ist, verfolgt zu werden.