Mehr als eine Million Bücher zu verkaufen, ist ein Meisterleistung für jeden Autor. Mehr als eine Million Bücher auf Dänisch zu verkaufen, einer Sprache, die von weniger als fünf Millionen Menschen beherrscht wird, ist ein Wunder - wie jeder Verleger gern bestätigen wird. Dieses Wunder vollbrachte Jørn Riel, 63, den der Dänische Buchhändlerverband 1995 als Autor des Jahres mit dem »Goldenen Loorbeer« auszeichnete.
Jørn Riel war in Kuala Lumpur, Malaysia, als die Auszeichnung bekanntgegeben wurde. Seine Abwesenheit war kein Zufall. Nie benötigte er Unterstützung von Schriftsteller-Kollegen, nie strebte er nach öffentlicher Anerkennung seines Werkes. Schreiben kann er jederzeit und überall, aber bis vor kurzem galt er als scheuer und zurückhaltender Mensch. Jetzt hält er oft Lesungen.
In den letzten 45 Jahren verbrachte er selten mehr als zwei Wochen im Jahr in seiner Heimat. 13 Jahre lang lebte er in Grönland, das ihm den Stoff für den Grossteil seiner 40 Bücher lieferte. Einen ganzen arktischen Winter hindurch war er allein – sieben Monate lang arbeitete er in einer meteorologischen Station im Nordosten Grönlands und machte so guten Gebrauch von seiner Ausbildung als Funker.
Eines seiner Bücher beschreibt die erste Entdeckung Nordamerikas durch den Wikingerführer Lief den Glücklichen, der von Grönland aus aufbrach und seine Entdeckung Vinland (Weinland) nannte. Die Begegnung der Wikinger mit den amerikanischen Ureinwohnern fasziniert Riel, weil sie sich grundsätzlich unterscheidet vom weit gewalttätigeren Aufeinandertreffen der europäischen und der indianischen Kultur, als Colombus 500 Jahre später das Verdienst für sich in Anspruch nahm, Amerika entdeckt zu haben.
Riel ist ein Geschichtenerzähler, manche Rezensenten vergleichen seine Werke mit den alten nordischen Sagas. Riel bezeichnet seine Geschichten lieber als Seemannsgarn – Geschichten, die Riel als wahr nimmt, die aber geradesogut erfunden sein könnten, oder umgekehrt, Lügen, die durchaus wahr sein könnten. Zehn seiner Bücher gehören in diese Gruppe. Die anderen zeigen die Vielfältigkeit seines Talents, denn darunter sind Romane, Krimis und auch Humoristisches. Einige wurden übersetzt und gut aufgenommen, beispielsweise in Frankreich, das kein einfacher Markt ist für einen Ausländer.
Seit er 15 Jahre alt war, ist Riel ein Weltenbummler, zunächst im kriegszerstörten Europa, später in Grönland, Pakistan, Thailand, wo er für die UNO arbeitete. Überall machte er ausführliche Notizen für seine Bücher, eines der neuesten hat ein Volk in Neuguinea zum Thema, das in einer Steinzeit-Kultur lebt. Riel verbrachte drei Wochen mit diesem Volk, um es zu erforschen. Er glaubt, dass zwischen den Eskimos und den ursprünglichen Völkern Südostasiens viele gemeinsame philosophische und kulturelle Merkmale bestehen. Ethnologen würden dies vermutlich Seemannsgarn nennen. Aber Riel macht daraus eine vorzügliche Geschichte.
© Magazine of the European Community, 1995