Ahmet Hamdi Tanpinar, geboren 1901 in Istanbul, war einer der angesehensten Literaturwissenschaftler der Türkei; ein sensibler Autor, der die kulturellen Werte der osmanischen Tradition nicht aufgeben wollte. Nach einem Studium der Literaturwissenschaft arbeitete er zunächst als Gymnasiallehrer. Von 1939 bis zu seinem Tod 1962 war er Professor für türkische Sprache und Literatur in Istanbul. Seine Romane, insbesondere Seelenfrieden, haben in der Türkei Kultstatus gewonnen.
»Man feiert den lange als konservativen Ästhetiker verkannten Schriftsteller in der Türkei als Genie, ohne ihn politisch vereinnahmen zu können. Tanpinar war, anders als viele seiner Kollegen, gesellschaftlich etabliert und bezog kaum Position. Orhan Pamuk beschrieb ihn in ›Istanbul‹ als einen von vier ›melancholischen‹ Schriftstellern, die mit dem bitteren Gefühl gestorben waren, ihre Leserschaft nicht gefunden zu haben. Tatsächlich erschien zu Lebzeiten des Autors nur Wissenschaftliches, ein paar Gedichte und einer von fünf Romanen. Schon sprichwörtlich ist seine Verszeile:› Nicht bin ich in der Zeit, nicht bin ich völlig auβerhalb von ihr‹.«
»Tanpinar gehört zu den Grundsteinen unserer klassischen Literatur. Darüber hinaus ist er ein Autor, der unsere Klassiker am besten kennt und am besten darstellt. Er steht für eine Zukunft, die ihre Wurzeln in der Vergangenheit hat.«
»In den Texten Tanpinars sind Musik und der Wandel der Zeit, die Widersprüche zwischen Orient und Okzident, der Konflikt zwischen dem Alten und Neuen, sind Tod, Tradition und Moderne, Vergangenes und Gegenwärtiges, sind die Frauen, Istanbul, das Leben und die Religion eng miteinander verknüpft, ja gehen nahtlos ineinander über.«
»Tanpinar wird vor allem durch seine Romane Berühmtheit erlangen und den höchsten Platz in der Ära der Republik einnehmen.«
»Tanpinar ist der Ansicht, dass ein neuer Lebensstil im Land nicht allein durch die Rückkehr zu den Werten der Vergangenheit geschaffen werden könne, sondern eine Synthese erlange man eher, wenn man alte und neue Elemente in sich vereint. Daher scheut er sich auch nicht, Reformen zu kritisieren, die auf wackligen Füßen stehen und das Alte zerstören. In seinen Augen ist ›das Alte‹ und ›das von altersher Überlieferte‹ nichts, was an Vitalität verloren hätte, sondern ganz im Gegenteil, für ihn handelt es sich dabei um lebendige, weiterwirkende Elemente. Er selbst sagt in einem Gespräch: ›Es geht mir weder darum, ein Grabmal zu hüten, noch um den Handel mit Antiquitäten, mit den Überbleibseln der Vergangenheit.‹«