1987 – ich arbeitete als Journalist bei der Zeitung Juventud Rebelde (Rebellische Jugend) – musste ich für eine Reportage über das Chinesenviertel in Havanna schwierige Recherchen durchführen. Der Text mit dem Titel Das Chinesenviertel. Eine lange Reise diente wenig später als Vorlage für einen gleichnamigen Dokumentarfilm unter der Regie von Rigoberto López. Und er gab auch einem Buch den Namen, in dem ich 1995 eine Auswahl journalistischer Arbeiten veröffentlichte, die ich für dieselbe Zeitung geschrieben hatte.
Die Geheimnisse des Chinesenviertels und die Geschichte von Entwurzelung und Treue zu Traditionen hatten mich so sehr fasziniert, dass ich – als die Figur des Mario Conde bereits erschaffen und die ersten seiner Geschichten, Pasado perfecto (1991, dt. Ein perfektes Leben) und Vientos de cuaresma (1993, dt. Handel der Gefühle) veröffentlicht waren – eine Erzählung schrieb, die in diesem Viertel Havannas spielt. Der Protagonist dieser Geschichte ist auch wieder Mario Conde, doch literarisch gehört sie nicht zu den Romanen, die das Havanna-Quartett bilden, das in den darauffolgenden Jahren durch Máscaras (1997, dt. Labyrinth der Masken) und Paisaje de otoño (1998, dt. Das Meer der Illusionen) vervollständigt werden sollte.
Ich hatte jedoch immer das Gefühl, dass die Erzählung nicht ganz beendet war, und nachdem der letzte Teil des Quartetts geschrieben und veröffentlicht war, beschloss ich, sie wieder aufzunehmen und in einen Roman zu verwandeln. Für ihn gilt dasselbe wie für alle anderen Abenteuer Mario Condes: Alles ist Fiktion, auch wenn eine große Portion Realität in ihr enthalten ist. Hinter diesem Fall, der El Conde ins Chinesenviertel von Havanna führt, steht die Geschichte einer Entwurzelung, die mich immer bewegt hat: die Entwurzelung der Chinesen, die nach Kuba gekommen sind (anfangs mit Arbeitsverträgen, die sie praktisch zu Sklaven machten), wie so viele heutige »Wirtschaftsflüchtlinge« auf der ganzen Welt. Einsamkeit, Verachtung und Entwurzelung sind die Themen dieser Geschichte, die sich in der Realität nicht so abgespielt hat, sich aber genau so hätte abspielen können.
Die 1998 geschriebene Erzählung wurde in Kuba – wo man die Gelegenheiten einer Buchveröffentlichung ergreifen muss, wann immer sie sich bieten – in einem Band zusammen mit Adiós Hemingway herausgegeben.
Als ich mich zwölf Jahre später entschloss, meinem spanischen Verlag Der Schwanz der Schlange zu präsentieren, veränderte sich das Schicksal dieses Textes abermals: Es war offensichtlich, dass die Handlung zu geradlinig geraten war, während die verschiedenen Personen und Situationen förmlich nach mehr Entwicklung schrien, nach mehr Tiefe, und der Ton ungezwungener, frecher werden musste, in Einklang mit den übrigen Romanen, in denen mein Mario Conde die Hauptrolle spielt.
Was Sie gerade zu Ende gelesen haben – falls Sie es denn zu Ende gelesen haben –, ist die neue und, wie ich hoffe, letzte Version einer Erzählung, die mich fünfzehn Jahre lang verfolgt hat, bis sie zu diesem kurzen Roman wurde, der, ich wiederhole es, nun hoffentlich seine endgültige Form bekommen hat. Vielleicht musste es ja so sein, aber während ich an dieser letzten Fassung schrieb, wurde mir klar, dass es in Havanna höchstwahrscheinlich keinen einzigen jener Chinesen mehr gibt, die mich mit ihrem Leben und ihrem Schicksal zu diesem Werk inspiriert haben.
Mantilla, Januar 2011