Eigentlich wollte ich nicht aus dem Schreiben meinen Beruf machen. Geschichten erzählte ich schon immer gern, aber wenn man in Ghana aufwächst, lernt man, Schreiben eher als Hobby zu betrachten. Als ich noch jünger war, versuchte ich, Romane zu schreiben, kam jedoch selten über die zweite Seite hinaus, weil ich zu ungeduldig war. Ich wollte immer gleich zum Ende kommen. Es brauchte schon mehrere Anläufe, bis sich in mir ein Roman entfalten konnte und ich die Disziplin aufbrachte, eine Geschichte durchzuziehen. Genau das macht, denke ich, den Unterschied zwischen dem Schreiben von Gedichten und dem Schreiben von Romanen aus. Wenn man beim Roman einen bestimmten Punkt erreicht hat, braucht es vor allem Disziplin. Es ist, als würde man einen Berg erklimmen: Drei Viertel sind schon geschafft, doch man ist sich bewusst, dass man auch noch den letzten Anstieg bezwingen muss, um die Bergspitze zu erreichen.
Während sich manche Ideen für Gedichte eignen, passen andere hervorragend zu längeren Genres. Außerdem ist es nicht so, dass ich mich mit Die Spur des Bienenfressers von der Lyrik verabschiedet hätte. Im Roman findet sich durchaus Poesie. Meine Begeisterung für die ghanaische Kultur rührt unter anderem daher, dass die Sprachen Ghanas so metaphorisch sind. Für die Aussage »Die Sonne ist heiß« würde man in Ghana sagen: »Die Sonne hat ihren Mund geöffnet.« Die Poesie der Sprache inspiriert mich beim Schreiben von Prosa, erleichtert mir das Schreiben, beflügelt mich. Ich sehe mich in erster Linie als Geschichtenerzähler, und ich verwende die Form, die am besten zur jeweiligen Geschichte passt. Poesie und Prosa dienen sicherlich unterschiedlichen Zwecken, aber ich glaube, Poesie liegt allen guten Texten zugrunde.
Der Roman Die Spur des Bienenfressers bringt mein doppeltes Erbe zum Ausdruck: In beiden Welten bin ich zu Hause und auch Fremder. Dadurch kann ich die Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Ich wollte die kulturelle Vielfalt Afrikas, wo wir mit mehreren Sprachen aufwachsen, erkunden. Im Roman gibt es zwei Erzähler und unterschiedliche Positionen. Die Städte der meisten afrikanischen Länder sind meiner Meinung nach postkolonial, die Dörfer jedoch sind, wie ich es zu nennen pflege, »außerkolonial«. Vielleicht sind sie postkolonial beeinflusst, aber der Alltag in den Dörfern wird nicht von westlichen Vorstellungen dominiert. Genau diese zwei Sichtweisen wollte ich zusammenbringen, was die Wahl zweier Erzähler, die jeweils ihre eigene Version der Geschehnisse im Dorf schildern, erklärt.
Kayo steht für eine Generation, die unter westlichem Einfluss – teils auch außerhalb Ghanas – aufgewachsen ist und sich an gewisse Annehmlichkeiten gewöhnt hat, über die Ghana nicht verfügt. In gewisser Weise befinden sich alle Figuren in einem Zustand ständiger Anpassung auf der Suche nach einem lebenswerten Kompromiss. Ich vermute, dass dadurch alle ein wenig komisch wirken. Donkor verkörpert für mich einen Typus Mann, den ich in Ghana, aber auch in Großbritannien angetroffen habe: Er ist ein Schlitzohr, das einen bestimmten ghanaischen Pragmatismus an den Tag legt, um seine Bestechlichkeit zu rechtfertigen, und genau das entbehrt nicht einer gewissen Komik.
Was in Sonokrom geschieht, kann auf die ganze Welt übertragen werden. Obwohl solche Begebenheiten eher sogenannten postkolonialen Gesellschaften zugeschrieben werden, gelten sie in Wirklichkeit überall: Dass in Ghana Altes neben Neuem besteht, ist in London und Rom nicht viel anders, wo alte Kirchenrituale und die Welt der Mode, die Hochsprache und die Umgangssprache nebeneinander existieren. Manchmal bringen Neuerungen auch Verwirrung mit sich: In Manchester, wo ich länger lebte, habe ich zum Beispiel mitbekommen, wie sich alte Damen darüber beklagten, dass im Supermarkt ihre Schecks plötzlich nicht mehr akzeptiert würden, wo sie sich doch endlich daran gewöhnt hätten. In Ghana kann es passieren, dass der Staatsapparat seine Autorität in ländlichen Gebieten nicht durchsetzen kann, wie wir das in Die Spur des Bienenfressers sehen. Die Polizei kann die Dorfbewohner nicht einschüchtern, weil diese die Brutalität der Polizei bis anhin nicht am eigenen Leib erfahren haben. Die Polizei kann, mit anderen Worten, nicht auf das Mittel der Angst zurückgreifen, mit dem sie sich normalerweise Respekt verschafft. Im Dorf verliert die Polizei also auf einmal ihre Autorität. Die Unwissenheit der Dorfbewohner ist ihr Segen: Wenn man sich nicht vor den Polizisten fürchtet, kann man tun, was man will … Was kann die Polizei dann schon ausrichten? Das Dorf wird zum Spielfeld mit ebenbürtigen Spielern, aber letztlich handeln die Dorfbewohner nach ihren eigenen Spielregeln. Obwohl es sich um einfache Leute zu handeln scheint, ist die Struktur der Dorfgemeinschaft vielschichtig. Sie hat ihre eigenen Regeln und ein eigenes Verständnis darüber, wie Dinge ablaufen. Genau dies ist das Thema des Romans.
Als Wissenschaftler weiß ich selbst, dass der Glaube an die Vernunft seine Grenzen hat – wäre das nicht so, gäbe es keine Religion, keinen Weihnachtsmann. Ich bin der Meinung, dass Mythen und Geschichten zu einer vollständigeren »Wahrheit« führen können als wissenschaftlicher Vernunftglaube allein. Wir können nicht einer Wissenschaft, deren Lehrsätze auf Leerstellen gründen, die als Konstanten bezeichnet werden, einen so hohen Stellenwert zusprechen, ja sie sogar als einziges Erklärungsmodell für die ungelösten Rätsel der Welt betrachten – dafür ist die Menschheit viel zu komplex.
In meiner Kindheit habe ich viele Groschenhefte im Stil von Mickey Spillane gelesen, und ich erinnere mich, dass gelegentlich spanische und französische Wörter vorkamen, die nicht übersetzt waren, aber im Zusammenhang durchaus einen Sinn ergaben. Außerdem verstand ich häufig die englischen Pflanzennamen nicht, wusste jedoch, dass es sich dabei um Pflanzen handelte, und lernte zu meiner großen Freude später auch einige davon kennen. Die Erfahrung des Nicht-Verstehens wollte ich westlichen Lesern nicht vorenthalten.
Aus Interviews mit Nii Parkes, geführt vom Writers’ Centre Norwich für Summer Reads und von Bola Mosuro für BBC TV.