»Elena weiß Bescheid« unterscheidet sich stark im Stil von deinen vorherigen Büchern. Warum?
Die Geschichte selbst bestimmt den Schreibstil. »Elena weiß Bescheid« hat nach einer eigenen Sprache und Struktur verlangt. Während »Las viudas de los jueves« [erscheint Herbst 2010 auf Deutsch, der Verlag] zum Beispiel nach Geschwindigkeit schrie, wäre dies für »Elena weiß Bescheid« undenkbar. Der behinderte Körper ließ dies nicht zu, schrieb Tempo, Stil, die Wiederholungen vor. Man wendet den Schreibstil, die Syntax an, die zur Geschichte passen.
Wie bist du bei der Parkinsonkrankheit vorgegangen? Hast du Recherchen betrieben?
Ja, das habe ich. Aber Parkinson ist eine Krankheit, die ich auch aus meinem eigenen Umfeld kenne. Recherche ist das eine, doch es gibt Feinheiten, die schnell übersehen werden, wenn man die Thematik nicht aus nächster Nähe kennt. Nicht alles erfährt man aus Sachbüchern. Manche Dinge erschließen sich nur, wenn eine nahestehende Person von der Krankheit betroffen ist und von ihren Alltagssorgen und Problemen erzählt.
Viele Parkinsonkranke sterben an Alzheimer oder an Demenz. Doch zwischen Alzheimer und Parkinson gibt es einen großen Unterschied. Die Art von Parkinson, unter der Elena leidet, ist ein Gefängnis für den Körper. Bei Alzheimer ist es, als ob die Person, die man kannte, nicht mehr da ist. Für das Umfeld kann dies in manchen Fällen eine Erleichterung sein, denn die betroffene Person ist wenigstens nicht gefangen, sie ist auf der anderen Seite. Parkinson dagegen ist ein Gefängnis für den Körper. Im Roman kommen diese Qualen zum Ausdruck.
Wie stufst du den Roman ein? Du hattest einmal die Befürchtung, man würde ihn als Krimi lesen.
Ja, schließlich gibt es eine Tote. Ich glaube aber nicht, dass es ein Kriminalroman ist. Zwar gibt es Elemente des Kriminalromans – ein Rätsel und die damit verbundene Suche, die Auflösung am Ende. Doch er enthält noch vieles mehr, was ihn vom Kriminalroman abhebt. Jemand, der meint, einen klassischen Krimi zu lesen, wird enttäuscht sein. Wenn ich über meine Romane spreche, passiert es mir manchmal, dass ich das Ende verrate.. Dann rufen die Leute: »Wie kannst du nur das Ende erzählen!« Für mich ist es weniger wichtig, wie die Geschichten ausgehen. Ich schreibe über Alltägliches und kombiniere es mit Elementen des Kriminalromans.
Mempo Giarndinelli hat einmal während einer Krimi-Konferenz in Mexiko gesagt, dass lateinamerikanische Autoren fast schon gezwungen seien, über Soziales und Kriminalistisches zu schreiben, wenn sie nach links und rechts blicken. Wenn ich also in meinem Roman Elena aus ihrem Haus treten lasse und zu Roca hinaufschicke, damit sie mehr über den Tod ihrer Tochter erfährt, dann ist es schlicht unmöglich, dass ihr dabei nichts zustößt. Das ist wohl der Grund, weshalb sich auch in meinen Romane Gesellschaftsfragen stets mit Elementen des Kriminalromans kreuzen.
www.hablandodelasunto.com.ar, 26.11.2007