»Wasserblaue Augen steht in der Tradition des Hardboiled-Krimis, einer literarischen Richtung, die schon so oft als Vorlage diente, dass man sich fragt, wie es den Autoren noch gelingt, die Klichees zu umgehen. Trinkt der Kommissar gerne? Natürlich. Ist er ein bisschen melancholisch? Und ob! Hat ihn seine Frau verlassen? Aber sicher! Domingo Villar fügt aber noch etwas anderes hinzu. In seiner glänzenden Prosa lässt er das Meer und die mediterrane Welt sprechen. Schauplatz der Handlung ist Galicien unter fjordähnlichen Buchten, rias genannt, mit grünen Landstrichen, und, geschützt vom Wellenschlag des Atlantiks, weißen Sandinseln.
Kommissar Caldas ist ein Botschafter der galicischen Kultur: ein Mann mit Geschmack und einem immensen Wissen über Jazz, er weiß, wo es den besten Tintenfisch gibt, weiß, wie man den bitteren Salzgeschmack der Sardinen mit dünn geschnittenen Kartoffelscheiben entschärfen kann und wie man einen heimischen Leierkasten, zafona genannt, erkennt. Caldas arbeitet mit Rafael Estévez zusammen, einem Beamten aus Zaragoza. Durch seine Rolle als Handlanger wird die Bedeutung des Lokalkolorits hervorgehoben. Galicier können niemals eine direkte Antwort geben, und Estévez reagiert darauf recht heftig.«
Daniel Jeffreys, Times Literary Supplement
In einem modernen Galicien, wo man noch den Duft des Meeres atmet, machen sich zwei Polizisten auf Spurensuche, um einen Mord von leidenschaftlicher Brutalität aufzuklären. Domingo Villars Erstlingswerks Wasserblaue Augen widerspiegelt sowohl die Stille als auch die Wahrheit, die komplizierten Wege der Menschen genauso wie die brutale Zerstörung der Natur an Spaniens Küsten.
»Ich dachte, einen Kriminalroman zu schreiben, sei die beste Möglichkeit, Kritik zu äußern, über gewisse Dinge sprechen zu können, zum Beispiel über die negativen Auswüchse des Städtebaus oder die Einsamkeit alternder Menschen«, so der Autor, der seit Jahren als Gastronomiekritiker bei einem nationalen Radiosender tätig ist. Sein Kampf gegen das Heimweh – der Autor lebt schon seit einigen Jahren nicht mehr in Galicien – hat ihn veranlasst, den Roman in seiner Heimat spielen zu lassen. Er kritisiert die Verschandlung der Landschaft, die an der galicischen Küste in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingesetzt hat. »Es hat fürchterliche Eingriffe gegeben. Man hat unter dem Deckmantel der Modernität scheußliche Gebäude hingestellt.«
Beim Opfer seines Krimis handelt es sich um einen jungen Saxofonisten mit hellen Augen, Luis Reigosa, den man ermordet in einem Hochhaus am Strand aufgefunden hat. Der Musiker war in keiner festen Beziehung, und am Tatort gibt es keinerlei Spuren, nichts außer fein säuberlich geordneten Partituren, einem an der Wand aufgehängten Saxofon und dem Buch eines großen Philosophen des 19. Jahrhunderts auf dem Nachttisch. Um das Verbrechen aufzuklären, denkt sich Domingo Villar zwei gegensätzliche Persönlichkeiten aus: Leo Caldas, ein einsamer Polizeiinspektor, der als Berater im Radio einen Ausgleich zu seiner Arbeit im Kommissariat findet. Der andere, sein Assistent Rafael Estévez, ist aus Aragonien und ein einfach denkender Mensch. Zusammen führen sie die Ermittlungen, die sie von der Dämmerung des Abends in den Dunst der Tavernen und Jazzclubs bringen, in einem Galicien, wo zwar alles angedeutet, aber nichts ausgesprochen wird.
Das unterschiedliche Naturell der beiden Hauptfiguren erzeugt, so Villar, »äußerst komische Situationen«, die den Roman, der sonst »ein Begräbnis« wäre, auflockern. »Es gibt Leute, die anders sind, als sie scheinen. Doch es ist mehr die Wahrnehmung von außen, ein Nebel, der alles zu verdecken scheint und der den Eindruck erweckt, das Gesetz des Schweigens sei uns angeboren«, bemerkt der Autor, der bereits an einer Fortsetzung seiner Serie schreibt. Am Ende kommt dann doch die Wahrheit ans Licht, und zwar dank diesem merkwürdigen Gespann Caldas-Estévez, der spanischen Version von Sherlock Holmes und Watson.
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