Stellungnahme des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands SBVV
zum Bericht des Bundesrats über die Buch- und Verlagsförderung in der Schweiz
(Postulat 04.3643 von Nationalrätin Vreni Müller-Hemmi)
Der Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband SBVV nimmt den heute veröffentlichten Bericht des Bundesrates über die Buch- und Verlagsförderung zur Kenntnis. Er ist erstaunt über das vorschnelle Fazit des Bundesrat, der die Situation des Buchmarktes in der Schweiz als "gesund" und "stabil" beurteilt. Dieser Befund steht in offenem Widerspruch mit der wissenschaftlichen Untersuchung der Universität Zürich, Josef Trappel, den der Bundesrat selbst angefordert hat. Von diesem nicht nachvollziehbaren pauschalen Verdikt distanzieren sich sowohl der Verfasser wie auch die Schweizer Buchbranche und mit ihnen die Autorinnen und Autoren der Schweiz.
Die pauschale Wertung, welche die Situation des Buchmarktes in der Schweiz als gesund und stabil beurteilt, stimmt beispielsweise mit der Umsatzentwicklung im Buchhandel überhaupt nicht überein. Während der Umsatz im Jahre 2000 rund CHF 712 Mio. betrug, reduzierte sich dieser per 2004 auf CHF 581 Mio. (Rückgang: 130 Mio.). In den vergangenen Jahren mussten Dutzende von Verlagen und Buchhandlungen in der gesamten Schweiz geschlossen werden. Zudem trägt diese Wertung der unterschiedlichen Entwicklung in der französischen und italienischen Schweiz keine Rechnung. Dies steht in Widerspruch zum Auftrag der Verfassung, welche die Erhaltung der kulturellen Vielfalt in allen Landesteilen fordert.
Der Studie der Universität Zürich zeigt, im Einklang mit der Einschätzung aller Beteiligten am Buchmarkt, besorgniserregende Veränderungen auf, die mehr und mehr die kulturelle Vielfalt in der Schweiz bedrohen. Der Bericht fordert zudem eine Überprüfung der bestehenden Fördermassnahmen, um sie an die neuen Herausforderungen der Buch- und Literaturförderung anzupassen. Er fordert neue, zusätzliche Massnahmen zugunsten der kulturell aktiven Verlage, der Buchhandlungen und aller Literaturvermittler, um das Lesen zu fördern.
Aus Sicht der Schweizer Verlage und der Postulentin, Nationalrätin Vreni-Müller-Hemmi, ist die Aufgabenstellung des Postulats (04.3643) nicht erfüllt worden. Verschiedene Fragen des Postulats wurden nicht oder ungenügend beantwortet. Namentlich geht der Bericht des Bundesrats weder auf die kulturpolitischen Würdigung der Buch- und Verlagsbranche, noch auf die Frage ein, welche geeignete Massnahmen zu einer nachhaltigen Buch- und Verlagsförderung in der Schweiz gebündelt werden können.
Auf Grund des Verweises im Bundesrats-Bericht erwartet die Schweizer Buchbranche und mit ihr die Autorinnen und Autoren, dass die vom Postulat geforderten Massnahmen im Kulturförderungsgesetz KFG endlich aufgezeigt und gebündelt werden.
Eine ausführliche Stellungnahme wird die Schweizer Buchbranche im Verlaufe des Sommers veröffentlichen. Die Organisationen der Autoren, Bibliotheken, Verlage und Buchhandlungen werden aus ihrer Sicht über ein wirksames Massnahmenpaket informieren.
Weitere Auskünfte:
SBVV Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband
Dr. Martin Jann, Geschäftsführer
Telefon +41 (0)44 421 36 00
http://www.swissbooks.ch
Stellungnahme der comedia Schweiz
Bundesrat und Büchermarkt – wo bleibt die Sorgfalt?
comedia die Mediengewerkschaft nimmt den heute veröffentlichten Bericht des Bundesrats über die Buch- und Verlagsförderung zur Kenntnis. Offenbar hat der Bundesrat den Schlussbericht «Buch- und Literaturlandschaft der Schweiz» des Instituts für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich (IPMZ), der die Grundlage seines Berichts bildet, nur sehr selektiv zur Kenntnis genommen. Die qualitativen Aspekte der Untersuchung des IMPZ sind ihm entweder entgangen, oder dann interessiert er sich nicht dafür. Damit entgehen ihm aber die Schwierigkeiten, welche die Branche heute beschäftigen und die Anlass für verschiedene Interventionen, also auch des Postulats von Nationalrätin Vreni Müller-Hemmi war.
Der Bundesrat konzentriert sich hauptsächlich auf quantitative Aussagen und interpretiert die Entwicklung auf dieser Grundlage als stabil oder sogar positiv («Strukturbereinigung»). Die Aussagen im Bericht des IPMZ, die sich auf die problematischen Seiten der laufenden Veränderungen beziehen (Konzentrationsprozess, Übernahmen, Einfluss internationaler Konzerne; regional-kulturelle Aspekte, z. B. massiver Rückgang in der französischen und italienischen Schweiz), werden ausgeblendet (oder positiv umgebogen), ebenso werden quantitative Aussagen kaum reflektiert. So führe die Filialisierung im Buchhandel zur Tendenz von gestrafften Sortimenten, die es kleinen Verlagen schwer mache, ins Sortiment zu kommen. Müssen kleine unabhängige Buchhandlungen geschlossen werden, würden Schweizer Verlage wertvolle Kontaktchancen für ihre Bücher mit den Leserinnen und Lesern verlieren, um nur ein Beispiel aufzugreifen.
Als Arbeitnehmerorganisation der Angestellten in der Buchbranche fordert comedia, dass die kulturpolitische Diskussion um die Verlagsförderung sorgfältiger geführt wird. Zudem soll der Bundesrat eine klare Position zu den Fragen, die der Bericht des IMPZ aufwirft, beziehen. Wenn er der Auffassung ist, es gehe bei der Verlagsförderung nur um Marktentwicklungen, dann reduziert er die Funktion und Aufgabe von Buchverlagen lediglich auf wirtschaftliche Aspekte und verkennt den Doppelcharakter des Buches als Kulturträger und Ware.
Bern, 28. Juni 2006
http://www.comedia.ch/de/5-Mediendienst/Communiques/060628_bericht.php
Links:
Bericht des Bundesrates und Bericht der Universität Zürich auf der Website des BAK