Kleiner diskutierender Pressespiegel zu »Verlieren ist eine Frage der Methode«
Gamboas Blick auf Bogotá ist böse. Die Recherchen seines geplagten Reporters führen den Leser zwischen die Fronten eines Mehrparteienkriegs aus korrupten Politikern, Baulöwen, Mafiosi und fanatischen Nudisten, hinein in das muntere Treten und Treiben dieser hässlichen Steinwüste im ständig dampfenden Hochkessel in den Anden.
Die Geschichte, die Gamboa erzählt, ist ohne Moral, außer vielleicht der, die seinem Roman den Titel gibt: »Verlieren ist eine Frage der Methode«. Tatsächlich sind selbst die Tagesgewinner letztlich Verlierer. Es ist wie mit dem lokalen Fußballteam, das im entscheidenden Spiel immer nur den Pfosten trifft. Aber auch darin liegt Trost: »Dieses Land«, philosophiert ein Taxifahrer, »ist ein Land der Pfostenschüsse. Und wissen Sie was? Ich sage immer, den Pfosten zu treffen ist schwieriger, als ins Tor zu schießen, habe ich Recht?»
In seinem raffinierten Großstadt-Krimi entwirft Gamboa die zynische Gegenwelt zur opulenten Dschungel-Magie seines Landsmanns García Márquez – spannend bis zur letzten Seite.
Der Spiegel
Santiago Gamboa ist ein ebenso strenger wie humorvoller Kritiker der kolumbianischen Gesellschaft und der in diesem Land omnipräsenten Korruption. Mit kleinen Einsprengseln über das Leben in der ausufernden Metropole Bogotá unterbricht er die amüsante Handlung seines Krimis und liefert so nebenbei Mosaiksteine, die sich zu einem eindrucksvollen Stadtporträt zusammensetzen. Mit »Verlieren ist eine Frage der Methode« ist Santiago Gamboa ein literarisch-journalistischer Krimi der Extraklasse gelungen. Stefanie Gerhold hat den Roman behutsam ins Deutsche übertragen.
Manfred Kronsteiner, ORF »Ex libris«
Alle lateinamerikanischen Erzähler haben es schwer, sich gegen den Weltruhm des Verfassers von »Hundert Jahre Einsamkeit« durchzusetzen. Besonders die Schriftsteller seines Heimatlandes stehen im Schatten des berühmten Kolumbianers. Der entscheidende Unterschied, der zwischen dem Werk von García Márquez und – beispielsweise – dem von Santiago Gamboa besteht, ist die Verlagerung des geografischen wie des soziokulturellen Standorts. García Márquez schilderte das Kolumbien der tropischen Niederungen, eine fast archaische Welt, die, ungeachtet aller Armut und gesellschaftlichen Fäulnis, noch abenteuerlich und, auf bizarre Weise, »wunderbar wirklich« war.
Gamboa hingegen ist der Großstadt verhaftet – eben der rund 5 Millionen Einwohner zählenden Kapitale seines Landes. Er ist ein Autor, der die unglaublichen gesellschaftlichen Missstände mit emotionsloser Intellektualität analysiert.
An die Stelle des »magischen Realismus« ist eine andere Erzähltechnik getreten: eine kühle Distanziertheit, die jedoch über eine solche instrumentelle Sehschärfe verfügt, dass ihr nichts Menschliches verborgen bleibt. Und da das Ensemble ein einziges Panoptikum raffgieriger Politiker, durchtriebener Geschäftsleute, erbarmungsloser Mafiosi, nuttiger Frauen und durchgeknallter Journalisten ist, entsteht der Eindruck, dass es kaum solide Zeitgenossen gibt. Mit äusserstem Geschick werden falsche Fährten gelegt, Tatsachen verdreht und Vorgänge so undurchschaubar gemacht, wie sie im wirklichen Leben gemeinhin sind.
Hans-Jürgen Heise, Der Tagesspiegel
Santiago Gamboa hat das klassische Inventar der Kriminalgeschichte souverän genutzt. Ein sozialkritisches Potenzial hat man in dem Roman erkennen wollen – vor allem wohl, weil man dem blossen Unterhaltungskrimi nach wie vor nicht trauen möchte. Aber genau den hat Gamboa in erster Linie geschrieben. Und so ist auch der im Handumdrehen herbeibemühte Vergleich mit García Márquez reichlich überzogen. Mit dem »klassischen« García Márquez, dem Biographen des ländlich-mythologischen Kolumbiens, hat Gamboas metropolitane Literatur schlechterdings nichts zu tun. Gamboa inszeniert die Mythen der Grossstadt. Und die sind nicht nur international, sondern auch hochgradig unterhaltsam – selbst vor der Folie des gewaltgeplagten Kolumbiens.
Kersten Knipp, NZZ