Hasan Ali Toptaÿ, den die Literaturwissenschaftlerin Yildiz Ecevit als „einen der wenigen Meilensteine der türkischen Literatur der letzten 25 Jahre" nennt, ist der neue Yusuf Atilgan der türkischen Literatur. Ein introvertierter Schriftsteller, der am Rande der Metropole Ankara lebt. Ein Literat, der immer nur schreiben will und die Routine eines Beamtenlebens mit dem Schreiben von Romanen durchbricht
Erzählen Sie uns ein wenig von sich.
Hasan Ali Toptas: Geboren bin ich im Jahre 1958 in der Kleinstadt Baklan, die damals zum Landkreis Çal der Präfektur Denizli gehörte. Meine Kindheit verbrachte ich in Baklan. In Çal besuchte ich das Gymnasium, in Uÿak ein Jahr lang die höhere Berufsschule. In den Siebzigerjahren ist politisch ziemlich viel passiert, Ende der Siebziger absolvierte ich meinen Wehrdienst.
Meine Mutter ist Hausfrau und hat nie die Schule besucht. Mein Vater war Chauffeur. Als ich klein war, half ich ihm oft. Nach meinem Wehrdienst wurde Beamter. 1986 kam ich nach Sincan/Ankara. Seit zwanzig Jahren bin ich nun Beamter im Finanzministerium.
Ist das Leben eines Beamten für einen Autor nicht recht einengend?
Eigentlich schon. Wenn wir von der Gesamtheit der Einflüsse sprechen, die auf den Menschen wirken, vielleicht auch auf seine Arbeit, die wir Schreiben nennen, dann ist einer der wichtigsten Einflüsse in meinem Leben wohl diese Routine.
Wollten Sie mit Ihren Texten diese Routine durchbrechen?
Als ich neun Jahre lang beim Finanzamt Gerichtsvollzieher war, lief ich tagsüber mit meiner Tasche durch die Straßen und sammelte die ausstehenden Steuergelder ein. Das war eine enorm zermürbende und unschöne Arbeit. Vielleicht wollte ich nachts, wenn ich dasaß und schrieb, irgendwie instinktiv diese schlechten Erfahrungen vom Tag ausbalancieren.
Was haben Sie denn zu Beginn geschrieben?
In der Mittelschule begann ich mit dem Schreiben, betrachtete es aber lediglich als ein Hobby. Ein Freund und ich schrieben damals einen Roman. Wir haben den Roman zwar überhaupt nicht fertig schreiben können, aber ich erinnere mich, dass wir uns monatelang abmühten. Später habe ich dann viele Jahre Kurzgeschichten geschrieben. Ich verschwendete keinen Gedanken daran, sie eines Tages zu veröffentlichen, gar ein Schriftsteller zu werden. Für mich war das nur eine ganz persönliche Befriedigung.
Wann erschien Ihr erstes Buch?
Es war im Jahre 1987. Die Publikation meines Erzählbandes „Persönlichkeit eines Lächelns" finanzierte ich selbst, ich bezahlte in Raten. Ich dachte, dass es an dem Tag, an dem das Buch herauskommt, auf der Erde ein großes Erdbeben geben würde. Aber es passierte gar nichts.
Was halten Sie von der Diskussion um Bestseller-Autoren?
Meines Erachtens sagen gute Verkaufzahlen weder aus, dass das Buch gut ist, noch dass es schlecht ist. Für mich ist es jedenfalls kein Kriterium. Verkauf oder Marktinteresse sind keine literarischen Maßstäbe.
Lassen Sie sich von Schriftstellern inspirieren?
Es gibt Schriftsteller, mit denen ich mich geistig verwandt fühle. Das sind Oÿuz Atay, Bilge Karasu und Yusuf Atÿlgan. In der Weltliteratur fühle ich mich Kafka und Kundera sehr verbunden.
Wurde es nach der Publikation Ihrer ersten Bücher dann einfacher für Sie, einen Verlag für Ihre Romane zu finden?
Ohne große Hoffnung begann ich meinen zweiten Roman Die Schattenlosen zu schreiben. Das Manuskript schickte ich 1994 an das Komitee für den Yunus-Nadi-Preis. Im selben Jahr teilte ich mit Serdar Rÿfat den Romanpreis. Daraufhin hat der Verlag Can Die Schattenlosen und gleich darauf meinen Roman Verlorene Träume gedruckt.
Sie sind ständig auf der Suche und in Bewegung.
Mir liegt nicht viel daran, die Romankunst um einen Schritt weiter zu bringen. Ich kümmere mich dabei weder um die Leserschaft noch um Geld. Ich möchte nur schöne Romane schreiben. Und wenn sie den vorherigen Romanen zu ähneln drohen, dann schreibe ich sie erst gar nicht. Das Schreiben fällt mir schwer. Meine Manuskripte schreibe ich von Hand mit schwarzer Tinte auf weißes Papier. Mit dem Computer kann ich jedenfalls nicht schreiben, so mechanisch kann ich gar nicht denken. Ich schreibe seit Jahren mit der Hand.
Ich bin ein Autor, der über jeden Satz zittert. Ich wiege jedes einzelne Wort ab; wie die Wörter einzeln stehen, wie sie sich aufeinander verhalten, wie ihre Farben sich vermischen. Ich schreibe, indem ich mir die Haare raufe. Für mich ist Sprache sehr wichtig. Man sagt, Sprache sei ein Medium, aber für mich ist sie mehr. Wenn ich am Ende der Seite ein Wort wieder durchgestrichen habe, schreibe ich die Seite neu. Perfektionismus ist eine Krankheit. Ich weiss nicht, ob ich einen masochistischen Zug an mir habe.
Sie wählen klare Wörter, die aber in ihrer Gesamtheit einen ausdruckstarken Stil bewirken.
Vielen Dank für das Kompliment. Das will ich auch bezwecken. Ich möchte mit einem einfachen Stil ein buntes Bild entwerfen. Ich schreibe, indem ich mich auf das Bild konzentriere, das – über den einzelnen Satz und die Stimmungen in einem Satz hinaus, Absatz um Absatz, Seite um Seite – schließlich auch aus der Gesamtheit des Werkes entstehen soll: Noch mehr Dinge mit noch weniger Worten zu erzählen, das ist es, was ich will.
Das Interview führte Faruk Bildirici
Erschienen am 19.2.2000 in Hürriyet.
Aus dem Türkischen von Almila Akca.