'Swiss Connection' - ein aktuelles Lehrbuch zur Schattenfinanz im Nachbarland
GIAN TREPP: Swiss Connection. Unionsverlag, Zürich 1996. 420 Seiten, 59 Mark.
Mit Nazigold und Holocaust-Vermögen ist der Finanzplatz Schweiz wieder ins Gerede gekommen. Genau besehen ist freilich nie wirklich Ruhe eingekehrt am Züricher Paradeplatz oder in den Finanzvierteln von Lugano und Genf, seit die italienischen Mani-Pulite-Anwälte im Frühjahr 1992 ihre Untersuchungen erstmals ins Tessin ausdehnten. Es ist abzusehen, daß Gian Trepps Swiss Connection nun für noch mehr Aufregung sorgen wird in jenen Schweizer Geldkreisen, die nur allzu gern von der Öffentlichkeit unbeachtet ihren Geschäften nachgehen.
Der Ökonom Trepp hat das brisante Handbuch zu den geheimen Kanälen des schmutzigen Geldes in der Schweiz nach jahrelangen Recherchen abgefaßt. Leiten lassen hat er sich dabei nicht von kriminalistischem Eifer und oberflächlichen Enthüllungsstrategien, sondern von Präzision und empirisch wissenschaftlichen Kriterien. Er nennt über 2000 Namen von Personen, Firmen und Banken, von denen nicht wenige, auch honorige Bürger und Institute, im Bereich fragwürdiger Geschäftspraktiken anzusiedeln sind. Seit 1990 kennt das Schweizer Strafgesetzbuch zwar einen Artikel über Geldwäscherei, 1992 wurde er verschärft, und spätestens 1998 soll er zu einem Geldwäschereigesetz ausgebaut werden. Dennoch: bei Steuerhinterziehung und Devisenvergehen leistet die Schweiz keine Rechtshilfe anderen Staaten gegenüber.
Vor diesem Hintergrund hält Trepp im Vorwort mit Bedacht fest: 'Wenn auf den folgenden Seiten von Geldwäscherei, Schmiergeldzahlungen, Steuerhinterziehung usw. gesprochen wird, impliziert dies im Einzelfall keineswegs immer ,deliktisches Verhalten' nach dem jeweiligen Stand des Gesetzes im betreffenden Land.' Heute erscheint der Kunde nicht mehr mit einem Koffer schmutzigen Geldes bei einer Schweizer Bank zwecks Einrichtung eines Nummernkontos und im Vertrauen auf das berüchtigte Bankgeheimnis. Mittlerweile heißt das Zauberwort 'Offshore-Banking', und da bietet der Finanzplatz Schweiz trotz neuer Gesetzesartikel seine traditionellen Dienste an. Offshore-Finanzplätze sind etwa Curaçao, Aruba, die Bahamas, Lichtenstein und Monaco, Orte, wo schweigende Behörden und large Gesetze die Identifizierung der Finanziers erschweren.
Trepp beschreibt die Devise des Systems: Verstecken durch Verschachteln und Verästeln. Seine Analyse macht dabei bald deutlich, daß Schweizer sowohl auf Offshore-Plätzen agieren als auch ihr eigenes Territorium als Offshore-Basis anbieten. Der Verstrickung von Justiz, Politik und Wirtschaft in die schmutzigen Geldgeschäfte widmet der Autor ein besonderes Augenmerk, er geht die weitverzweigten trüben Flüsse in der Finanzwelt zurück bis an die klaren 'Quellen'.
Ins Gerede kamen Schweizer Banken und Treuhandinstitute zwar immer wieder, Skandale um in der Schweiz deponierte Gelder aus Drogenhandel, Waffenschiebereien, Steuerhinterziehung und Korruption gehörten beinahe zur Fama des 'Swiss-Banking'. Aber erst als die Mailänder Mani-Pulite-Anwälte zum umfassenden Schlag ausholten, platzte auch im Alpenstaat die Eiterbeule. Tatsächlich landet, wer sich im Sumpf der italienischen Schattenwirtschaft bewegt, mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später im Morast der Schweizer Geldwäscherei. Bedeutende Fälle, etwa den des berühmten Konto Protezione bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) in Lugano, leuchtet der Autor detailliert aus.
Atemberaubend, was dabei ans Tageslicht kommt: Das Konto Protezione diente als Durchlaufstation für ein Schmiergeld in Höhe von sieben Millionen Dollar an Craxis Sozialistische Partei Italiens. Einzahler war Roberto Calvi, der Präsident der Ambrosiano-Bank, der später tot unter einer Londoner Brücke aufgefunden wurde. Mit dem Geld erkaufte sich der bankrottreife Calvi einen 50-Millionen- Dollar-Kredit vom staatlichen italienischen Ölkonzern ENI; doch damit nicht genug: eingefädelt wurde diese Operation durch Licio Gelli, den Großmeister der Geheimloge P2.
Persilschein von der EBK
Acht Jahre lang verschleppten die zuständigen Tessiner Behörden ein italienisches Rechtshilfebegehren, nachdem die SBG im Namen des (noch) unbekannten Kontoinhabers rekurriert hatte. Auch der berühmte Staatsanwalt Antonio di Pietro schaltete sich ein. In der Folge zog der Skandal immer weitere Kreise, was auf Schweizer Seite darin gipfelte, daß der ehemalige ENI-Finanzchef Florio Fiorini die Züricher Chefetage der SBG bezichtigte, bei der Schweizer Justiz gegen ein italienisches Rechtshilfegesuch interveniert zu haben. Diesen Anschuldigungen folgte eine Untersuchung der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) . 'Nach einer zweimonatigen Untersuchung bekam die SBG am 18. Juli 1993 von der EBK den Persilschein: Das Sammelkonto Protezione bei der SBG (Lugano) sei korrekt geführt worden, ohne Verschleierung oder Unregelmäßigkeit.'
Weder in diesem noch in anderen Fällen schreitet der Autor zu Verurteilungen, er breitet vielmehr Tatsachen aus und betont immer wieder, daß die dem Leser in der Tat befremdlich erscheinenden Positionen schweizerischer Instanzen oft geltendem Recht entsprechen. Die Fragen sind denn auch eher wirtschaftsethischer Natur. Trepp zeigt auf, daß heute noch viele Firmen mit Offshore-Geldern arbeiten, deren Herkunft unklar ist.
Immer wieder fallen dabei auch international bekannte Namen. So untersucht Trepp im Kapitel 'Lugano - Berlusconis Hinterland' die dunklen Aktivitäten des ehemaligen Ministerpräsidenten und dessen Fininvest in der Schweiz oder widmet dem Schweizer 'Offshore-König' Tito Tettamanti ein Augenmerk. Die Ferruzzi- Schwarzgeldzentrale in Lausanne, das undurchsichtige Geflecht des Genfer Ilex- Trusts, der Crash der Genfer Bank Sasea und endlich die Fimo-Finanzgesellschaft Chiasso, die vorgeblich ohne Wissen der Direktion als Waschsalon für Drogengelder benützt wurde, lieferen den Stoff zu weiteren Kapiteln.
Auch mit Ungereimtheiten in der Amtsführung der ehemaligen Tessiner Staatsanwältin und heutigen Bundesanwältin Carla del Ponte wartet Trepp auf. So versucht er mit der gebotenen Vorsicht Indizien für das vorgebliche Fehlverhalten der Anwältin zu einem Bild zu fügen. Im Falle des Fimo-Skandals stellte sie etwa jede Mitschuld von Verwaltungsrat und Direktion der Bank kategorisch in Abrede : 'Eine solche Erklärung einer Staatsanwältin, die eine Strafuntersuchung bekanntgibt und im selben Atemzug potentielle Verantwortliche kategorisch entlastet, war in den Annalen der Schweizer Strafjustiz zuvor unbekannt.'
Trepps Buch ist nicht bloß ein Kompendium zum Finanzplatz Schweiz, es ist auch ein gutes Lehrbuch der aktuellen Strategien der Schattenfinanz. Die Enthüllungen zeitigten, trotz juristischer Absicherung, Wirkung: Auf Betreiben eines Genfer Trusts wurden Verteilung und Verkauf von Swiss Connection mit einer einstweiligen Verfügung in der Schweiz verboten.
CONRADIN WOLF
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