Vor den Sommerferien hat der Bundesrat den Entwurf für ein neues Geldwäschereigesetz verabschiedet. Und bereits meldet sich eine gegnerische Lobby zu Wort. Die GeldwäscherInnen ihrerseits wenden immer raffiniertere Techniken an, insbesondere die derivativen Finanzinstrumente bieten ihnen neue Möglichkeiten.
Gian Trepp in der WochenZeitung, Zürich
Geldwäscherei ist unsichtbar. Bis zur Einführung des Geldwaschartikels im Strafgesetz im Jahre 1990 diente das Bankgeheimnis den GeldwäscherInnen als Schutzschild, seither ist es durch Artikel 305bis im Strafgesetz und das Melderecht der Banken bei Verdacht auf Geldwäscherei gelockert worden. Doch die Abschreckungswirkung des Geldwaschartikels bleibt gering, wie die kleine Zahl aufgetretener Fälle zeigt. So registrierte die Statistik für den Kanton Zürich im Jahr 1994 lediglich 22 Geldwäschereifälle, dazu kamen noch 126 Rechtshilfegesuche anderer Kantone und aus dem Ausland.
Die einschlägigen Stellen von Justiz und Polizei sind personell schwach dotiert und werden durch die schlauen GeldwäscherInnen wohl auch mal überfordert. Wie sagte doch Oberleutnant Heinrich Guggenbühl, Chef der Spezialabteilung I (Wirtschaftsdelikte) der Zürcher Kantonspolizei, im Mai 1995 an einem Seminar über Geldwäscherei: «Auf der Gegenseite agieren regelmässig Intelligenztäter – Beat Curti [inzwischen von der Justiz freigesprochen, Red.], Raphael Huber, Dr. Heer (Bank Rothschild), Rey (wenn das Verfahren in Zürich wäre).» Da erstaunt es nicht, wenn «Frustrationen im Bereich Wirtschaftskriminalität wesentlich grösser sind als bei anderen Justizbeamten», wie der einstige Aargauer Untersuchungsrichter Marcel Buttlinger Ende Mai 1996 zu berichten wusste.
Künftig soll der vom Bundesrat vor den Sommerferien verabschiedete Entwurf zu einem Geldwäschereigesetz die Internationale der GeldwäscherInnen vom Finanzplatz Schweiz fernhalten. Dieses Gesetz bringt einen einheitlichen Standard von Sorgfaltspflichten für den gesamten Finanzsektor. In dessen Geltungsbereich fallen zusätzlich zu den Banken auch Anlagefonds, LebensversicherInnen, EffektenhändlerInnen, TreuhänderInnen und GeschäftsanwältInnen. Als Leitplanken für die AkteurInnen im Finanzwesen (Finanzintermediäre) sind dabei zum einen die Bewilligungspflicht und die Sorgfaltspflicht vorgesehen, die im Rahmen einer vom Bund überwachten Selbstregulierung der Branche erfolgen soll. Und zum anderen die Meldepflicht und die Vermögenssperre bei Verdacht auf Geldwäscherei, die Meldestelle soll beim Bundesamt für Polizeiwesen angesiedelt werden.
Ob die Eidgenössischen Räte das Gesetz im Laufe des Jahres 1997 verabschieden können, ist angesichts der Opposition der Banken fraglich. Als Speerspitze der VerhindererInnen hat sich Jean A. Bonna, Präsident der Vereinigung schweizerischer Privatbankiers, profiliert.Aber auch die Bankiervereinigung und die Lobbys der AnwältInnen und TreuhänderInnen versuchen zur Zeit, hinter den Kulissen die Gesetzesvorlage bei Parteien und PolitikerInnen zu torpedieren.
Aber selbst wenn das Geldwäschereigesetz speditiv in Kraft gesetzt wird, droht ein akuter Vollzugsnotstand, da die bisherige Misere der Strafrechtspflege bei der Bekämpfung der Geldwäscherei weiterhin bestehen bleiben dürfte. Die Schweiz hätte dann im Ausland ein schönes Alibi, mehr nicht. Sechs Jahre nach der Einführung des Geldwaschartikels ist klar geworden, dass eine rein legalistische Sicht auf dieses Phänomen wenig taugt. Zum einen muss nationalstaatliches Strafrecht versagen, weil Geldwaschen ein weltumspannendes Dreiecksverhältnis ist. Eckpunkte sind die kriminelle Vortat, welche das schmutzige Geld hervorbringt, der eigentliche Akt des Geldwaschens und die Integration des geschaffenen Geldes als sauberes Kapital in die Wirtschaft.
In jüngster Zeit scheint sich zudem mehr und mehr die Einsicht durchzusetzen, dass die moderne Geldwäscherei in ökonomischen Kategorien analysiert werden muss. So hat sich beispielsweise unlängst der Internationale Währungsfonds (IWF) zum Thema makroökonomischer Effekte der Geldwäscherei auf die Weltwirtschaft zu Wort gemeldet. Aber auch der Schweizerische Nationalfonds bereitet gegenwärtig ein Programm zur wissenschaftlichen Erforschung des organisierten Verbrechens vor. Das organisierte Verbrechen, das einen Grossteil des schmutzigen Gelds produziert, ist untrennbar mit der Geldwäscherei verbunden.
Bis Anfang der achtziger Jahre war das Bankensystem das Nadelöhr zwischen legalem und illegalem Geldkreislauf. Lag das schmutzige Geld erst einmal auf einem Bankkonto, war die grösste Hürde bereits genommen. Damals bestand Geldwäscherei darin, dass ein Kurier Bargeld zur Bank brachte, die dieses anschliessend dem angegebenen Konto gutschrieb – abzüglich Kommission, versteht sich. Die Banknoten verkaufte die Bank über den normalen Banknotenhandel weiter.
Dann machten einige grosse Drogenfälle (Pizza Connection, Fall Magharian, Bank of Credit and Commerce International BCCI) die entscheidende Rolle des Bankensektors bei der Geldwäscherei offenkundig. Die Banken gerieten weltweit unter Druck, und seither erschweren neue Gesetze und Vorschriften den Missbrauch des Bankensystems. BankkundInnen müssen heute mit der Überwachung ihres Kontoverkehrs rechnen und haben zu gewärtigen, dass von ihnen die Belegung der wirtschaftlichen Plausibilität ihrer Transaktionen verlangt wird.
Doch die GeldwäscherInnen blieben nicht untätig und entwickelten ihrerseits neue Arbeitsmethoden. Dabei spielt der Einsatz von Tarnfirmen und Briefkastengesellschaften auf Offshore-Finanzplätzen eine wichtige Rolle.
Im Zentrum der heutigen Geldwäscherei steht nicht mehr nur das Bankensystem, vielmehr ein Verbund von Banken und Offshore-Gesellschaften. Das Geldwaschen ist in unzählige Einzelschritte zerlegt worden, von denen jeder für sich allein harmlos erscheint. Solche Offshore-Gesellschaften können im Prozess des Geldwaschens (Einspeisen, Verschleiern und Integrieren) auf verschiedenste Weise aktiv werden. Existiert einmal eine «Kopfstation» in der legalen Wirtschaft, dann kann sie laufend zur Reinigung von weiteren Geldern benutzt werden.
Ein solches Scheingeschäft einer Kopfstation kann beispielsweise darin bestehen, dass ein Ladenbesitzer einem fiktiven Lieferanten eine hohe Rechnung für Waren, die nie geliefert wurden, bezahlt. Das Geld dafür kann der falsche Lieferant dem Ladenbesitzer in bar übergeben, dieser wiederum verbucht es seinerseits als fiktive Bareinahme aus Verkäufen und bezahlt damit, nach Abzug eines Entgelts für seine Dienstleistung, die Rechnung des fiktiven Lieferanten.
Auch andere Manipulationen sind denkbar, etwa die Schaffung von künstlichen Gewinnen oder Verlusten durch überhöhte oder zu tief angesetzte Verkaufs- oder Lieferpreise. Die Möglichkeiten sind grundsätzlich unbegrenzt. Waren können bei «befreundeten» Unternehmen zu überhöhten Preisen geordert werden. Auch «zu billiges» Einkaufen zum Zwecke der Steuerhinterziehung ist interessant, denn dadurch kann der «befreundete» Lieferant im Ausland seinen Gewinn senken, vielleicht sogar einen Verlust ausweisen und auf diese Weise Steuern sparen. Wird eine solche zu billig eingekaufte Ware zum Normalpreis weiterverkauft, resultiert daraus ein Gewinn, der den Finanzbehörden des Ursprunglandes entzogen bleibt.
Beliebt ist auch der «Kaskadenverkauf»: Eine Firma kann zu überhöhtem Preis an eine andere Firma, die zur gleichen geheimen Firmengruppe gehört, weiterverkauft werden; dies unter Umständen gleich mehrmals hintereinander. Dabei erwischt die Gruppe gleich zwei Fliegen auf einen Schlag: In der Rolle als Verkäuferin erzielt sie einen Gewinn und kann damit ihr Schwarzgeld legalisieren. In der Rolle als Käuferin erzielt sie eine (fiktive) Wertsteigerung und wird auf diese Weise ihr Schwarzgeld wieder los.
Jeder oder jede, der oder die Geld waschen will, ist sich bewusst, dass dies zunächst mit Kosten verbunden ist. Das ist nicht anders als bei der traditionellen Hehlerei: Wer einen gestohlenen Diamantring verkaufen will, weiss, dass der Hehler ihn unter dem Wert bezahlt. Hierin liegt vielleicht die Lösung für zahllose wirtschaftliche Rätsel: Warum finanzieren GeldwäscherInnen immer wieder Projekte und Personen ohne Rücksicht auf Verluste? Wo die traditionelle doppelte Buchhaltung nur rote Zahlen ausweist, kassieren sie eben immer noch eine befriedigende Dividende in Form von gewaschenem Kapital.
Auch GeldwäscherInnen verhalten sich rational, sie suchen stets nach billigeren und besseren Methoden – hinzu kommt der verstärkte Druck von Justiz und Polizei. Gegenwärtig scheint der vermehrte Einbezug des Handels mit Wertpapieren und Finanzderivaten im Vordergrund zu stehen. In diesem Bereich können grosse Geldbeträge durch einfache betrügerische Manipulationen (beispielsweise Fälschen des Datums) mit einem scheinbar legalen und legitimen Hintergrund versehen werden. Im ausserbörslichen Handel mit Derivaten sind hohe Gewinne nichts Aussergewöhnliches: Der Gewinner hatte eben Glück, der Verlierer Pech.
Diese Eigenheit des Derivatgeschäfts machen sich die GeldwäscherInnen zunutze, um ihrem schmutzigen Geld gegenüber der Bank eine (Schein-)Legitimität zu verschaffen. Sie müssen nur noch einen Strohmann finden, oder sie können Geschäftsbelege so fälschen, dass sie nachträglich als KäuferInnen beispielsweise einer Call-Aktienoption erscheinen, deren Basiswert an den Börsen stark angestiegen ist. (Mit einer Call-Aktienoption erwirbt man das Recht, eine bestimmte Aktie zu einen zukünftigen Zeitpunkt zu einem im voraus fixierten Preis zu kaufen.) Mittels solcher Operationen ist es durchaus möglich, mit einem Einsatz von 100 Franken über Nacht einen Gewinn von 5000 Franken zu erzielen.