Wie übersetzt man einen Roman, der zum überwiegenden Teil von seinen Dialogen lebt? Von Dialogen, die den Tonfall der Londoner Unterschicht und Unterwelt einfangen, in einer Sprache, die ständig zwischen der ironisierenden Verwendung des gediegen-hochsprachlichen Oberschichts-Englischen und dem vulgärsten Gossenslang changiert?
Eine schwierige, aber wunderbare Aufgabe: Endlich einmal nach Herzenslust richtig ablästern und alles so rausrotzen, wie man es in zehn Jahren alltäglichen Überlebenskampfs auf den Straßen Berlin-Neuköllns gelernt hat. Vom Verlag wurde ich ermutigt, nichts von der provokanten Energie des Buches zu glätten oder zu schönen.
Hier bot sich also die große Chance, sich verbal einmal richtig auszutoben und all die fiesen, miesen, dreckigen Wörter schriftlich zu gebrauchen, die man ansonsten noch nicht mal in den Mund nehmen darf.
Helen Zahavis Roman erinnert im Stil an die äußerst erfolgreichen Stücke der Young British Playwrights (wie z.B. Sarah Kanes Zerbombt oder Mark Ravenhills Shoppen & Ficken). Die Handlung zeichnet den unbarmherzigen Strudel von Gewalt und Gegengewalt nach zwischen der hübschen, jungen Frau Donna und dem Gangsterboss Henry, genannt Fettsack, der in einer furiosen Orgie gegenseitiger Vernichtung endet.
Am meisten begeisterte mich die Treffsicherheit, mit der Helen Zahavi Dialoge und Sprechweisen aus dem heutigen London aufs Papier gebracht hat. Ich lebe zwar in San Francisco, habe aber lange genug an der Edgware Road im Londoner Arbeiterbezirk Paddington und im restlichen Großbritannien verbracht, um mir die Autobahnunterführungen, Wohnblocks und heruntergekommenen Geschäfte des »underbelly of London« mit seinen Bewohnern gut vorstellen zu können.
Oberstes Gebot bei dieser Übersetzung war also, nichts von dem unmittelbaren, drastischen Gefühl dieser Sprache, ihrer rohen, aggressiven Energie, einzubüßen. Zu diesem Zweck bemächtigte ich mich eines MiniDisc-Players mit Mikrofon und diktierte meine Übersetzung. Das Ergebnis tippte ich dann selbst ab und wusste meist beim ersten Hören sofort, ob etwas stimmig klang oder nicht. Auch die Recherchen meiner deutschen Bekannten auf Baustellen und in Eckkneipen trugen zu einer möglichst authentischen Tonlage bei.
Ebenfalls hilfreich war der E-Mail-Kontakt zu der Autorin, die mir ohne weiteres in allen Zweifelsfragen sehr freundlich auf die Sprünge half. Manche aus dem Cockney-Slang stammenden Ausdrücke waren mir unbekannt. Zum Beispiel: »Have a butcher's, if you dare.« »Butcher's« entstammt dem Cockney Rhyming Slang. »Have a butcher's hook« heißt: »Have a look«. Aber auch kleinere Detailfragen wie die nach der Größe von Henrys »hall«, die je nach Verhältnis entweder ein Flur, eine Diele oder eine Eingangshalle ist, fanden Antwort.
Jedenfalls hoffe ich, dass die werte Leserinnen- und Leserschaft beim Lesen genauso viel Spaß haben wird wie ich beim Übersetzen.