Als ich die letzte Seite dieses meisterlichen, raffiniert einfachen Romans umblätterte, hatte ich Mühe zu glauben, dass dies ein Erstling sein soll. Dank einem früheren Erzählband (Monkfish Moon) und seiner Nomination für die Booker Prize Shortlist ist Romesh Gunesekera bereits heute auf dem Kamm jener Welle von Autoren aus den ehemaligen Kolonien, die an Großbritanniens literarische Ufer brandet. Riff belegt ausführlich, wie sehr das hohe Renommee des sanften, bescheidenen Srilankesen gerechfertigt ist.
Die Geschichte wird aus einer Art Froschperspektive erzählt, so, wie Triton, heute Londoner Restaurantinhaber in mittleren Jahren, sie sich in Erinnerung ruft. Auslöser ist die Begegnung mit einem Tankwart, einem tamilischen Flüchtling, dessen Verängstigung und Verwirrung Triton an die Furcht und Hoffnung seiner eigenen Jugend gemahnen. Durch den Prolog an der Tankstelle erscheint Riff zunächst als ein weiterer Diaspora-Roman, aber der Rest spielt auf Sri Lanka, einem Land, das Gunesekera sicher und detailliert abbildet. Die Sprache ist klar, lyrisch, präzise. Dank dem ausgearbeiteten Reichtum an Details – sozialen Kontakten, beobachtet aus dem Blickwinkel der gekochten Mahlzeiten und der gespülten Teller; Autoreisen, beschrieben anhand des im Kofferraum verstauten Gepäcks; Figuren, gezeichnet durch ihre Trinkgewohnheiten und die Art ihrer Anweisungen an die Diener – aufersteht eine Welt, die vielen Inderinnen und Indern schmerzlich vertraut vorkommen wird. Immer gegenwärtig, anfänglich in nur in unauffälligen Andeutungen, dann mit Gewalt in die Handlung einbrechend, ist die Bedrohung des Auseinanderfallens der Nation, des Bürgerkriegs mit steigender Zahl der Opfer, zuerst noch in weiter Ferne, dann aber trifft es einen prominenten Nachbarn, dann einen engen Freund, am Schluss ist auch die Geliebte in Mitleidenschaft gezogen.
Riff ist als Roman stark genug, um die Last einer Allegorie zu tragen: Salgado verkörpert das müßige, geordnete Leben, das zu viele Srilankesen für selbstverständlich hielten; Nili steht für das Land selbst (großzügig, immer zu Vergnügungen bereit, zuletzt von einem Hass zerrissen, den sie selbst nicht versteht und vor dem sie sich nicht schützen kann); und aus Triton spricht die Stimme des Untergebenen, der floh, ohne die Leidenschaften seiner Herrschaften ganz zu verstehen. Die Erosion des kostbaren Riffs, das dem Roman den Namen gegeben hat, über Jahrtausende aufgebaut, von Menschenhand gedankenlos zerstört, bietet eine bedrückende Metapher für dieses übergreifende Thema. Aber eine solche Lesart ist keineswegs notwendig, um die Kraft dieses exquisiten, wichtigen Romans zu schätzen. »Weißt du, Triton«, sagt Salgado gegen Schluss, »wir sind nur das, woran wir uns erinnern, sonst nichts. Das einzige, was wir besitzen, ist das Bewusstsein dessen, was wir getan oder nicht getan haben; dessen, was wir vielleicht berührt haben, auch nur einen kurzen Augenblick …« Mit Riff hat Gunesekera Großes getan: Er schenkt uns die Möglichkeit zu erinnern und zu genießen.
Shashi Tharoor, 1956 in London geboren, in Bombay und Kalkutta aufgewachsen, ist der Autor von Der große Roman Indiens, Classen 1995.
India Today, 30.11.1994