Jaime Bunda ist Polizist, ein angeblicher Polizist. Er ist eigentlich der Vorwand, um ein wenig die aktuelle angolanische Realität zu durchleuchten, all die krummen Geschäfte, die am Laufen sind. Ich wollte schon immer einen Krimi schreiben. Das erste Buch, das ich versucht habe zu schreiben, war ein Krimi; ich war damals fünfzehn und habe das Buch nie zu Ende geschrieben, denn es gab drei hypothetische Verbrecher, das heißt Mörder – aber ich wollte es einfach nie aufdecken, wer denn nun wirklich der Mörder war, also habe ich nicht zu Ende geschrieben. Jeder Autor, der etwas auf sich hält, sollte versuchen, einen Krimi zu schreiben oder einen Science-Fiction-Roman, eben etwas, das sich von seinem übrigen Werk abhebt. Für mich kam jetzt der Moment, denn die Idee dazu hatte ich schon vor Langem, die Figur des Jaime Bunda lebt schon einige Jahre mit mir und wartete nur auf den richtigen Zeitpunkt, um sich zu zeigen. Jetzt kam er heraus, und er ist im Grunde, wie schon der Name anklingen lässt, eine humorvolle Replik eines angolanischen James Bond, und er begeht schlimme Fehler. Er hat auch ein bisschen was vom rosaroten Panther.
Ich glaube, dass das Etikett »Kriminalroman« sehr hilfreich ist. Detektive stehen in Kontakt mit verschiedenen Gesellschaftsschichten, und der Autor kann sich dies zu Nutze machen, um die verschiedensten Orte zu beschreiben. Jaime Bunda, Geheimagent mit seiner Krimihandlung ist für mich ein Vorwand, um durch Luanda zu streifen und ein neues Thema aufzunehmen, nämlich die Immigration der Menschen aus Westafrika und dem Orient, wie Libanesen, Syrer und Pakistaner. Sie dominieren viele Handelswege und bringen eine neue Religion zu uns, den Islam, den es vorher in unserem Land nicht gab. Das ist ein neues Element in der Bevölkerung Angolas. Ein anderer Vorteil des Kriminalromans besteht darin, dass er neue Schichten von Lesern erreicht, junge Leute, die daran gewöhnt sind, Actionstorys zu lesen, wie sie sie vom Fernsehen her kennen. Sie interessieren sich nicht sehr für psychologische Romane mit ausufernden Beschreibungen.
Die Schreibstrategie in Jaime Bunda jedoch ist nicht die eines klassischen Krimis, denn dabei stelle ich mir immer vor, dass der Autor vom Ende ausgeht und sich zum Anfang schreibt oder zumindest genau weiß, zu welchem Ende er gelangen wird. Tatsächlich bin ich aber vom Anfang zum Ende gegangen und habe die Handlung aus dem, was schon geschrieben war, weiterentwickelt.
Es gibt keinen angolanischen Autor, den man von der Realität, in der er lebt, loslösen kann und der eine Literatur hervorbringt, die, sagen wir, ein bisschen außerhalb all dessen steht, was um ihn herum passiert. Von Anfang an war die angolanische Literatur beeinflusst von den Faktoren, die das Leben in unserem Land prägen. Im Grunde beginnt im 19. Jahrhundert die angolanische Literatur damit, eine Literatur des sozialen und manchmal auch politischen Engagements zu sein. Aber selbst wenn sie sich der Politik nicht öffnete, war sie immer mit den sozialen Bewegungen verbunden.
Meine Literatur war von Anfang an von einem Thema stark geprägt: der angolanischen Nation. Ihrer Geburt, ihrer Konsolidierung, dem ganzen schmerzvollen und komplexen Prozess des Entstehens einer Nation. Oft ging ich in die historische oder sogar die mythische Vergangenheit – die orale Tradition, die der schriftlich fixierten Geschichte vorausgeht – zurück, um die verschiedenen Vorgänge, die sich ereigneten und die Angolaner zu dem machten, was sie heute sind, zu verstehen. Die heutige Situation versteht man nur, indem man in die Vergangenheit zurückgeht, und meine Arbeit stellt den Versuch dar, etwas zur Festigung dieses Projekts, eine Nation zu begründen, beizutragen. Ein Projekt, das trotz allem jedem Druck und allen Kriegen standgehalten hat. Der letzte Krieg dauert jetzt schon vierzig Jahre. Ein französischer Historiker hat die angolanischen Kriege seit dem ersten Kontakt mit den Portugiesen, das heißt in den vergangenen fünf Jahrhunderten, untersucht und ist dabei auf fünfhundert Kriege gekommen, was im Durchschnitt einem Krieg pro Jahr entspricht. Angolas Geschichte ist voll von Invasionen, Konflikten, Widersprüchen, Kämpfen, Gegnerschaften, sozialen, kulturellen, regionalen Ungleichheiten – kein Wunder, dass die Literatur stark davon beeinflusst ist.
Ich glaube allerdings nicht so recht daran, dass ein Buch die Richtung, in die sich eine Gesellschaft entwickelt, verändern kann. Diese Phase ist schon vorüber, falls sie überhaupt einmal in irgendeiner Epoche bestanden hat. Die soziale Rolle eines Schriftstellers kann nur darin bestehen, die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Situation oder bestimmte Verhaltensweisen zu lenken, egal, ob die Handlung im Heute, Gestern oder Morgen angesiedelt ist. Ich versuche, dem »Pädagogismus«, den Stereotypen zu entkommen, auch wenn ich offensichtlich das Anliegen habe, bestimmte Informationen zu vermitteln, damit die Leute sich Gedanken machen. Der Schriftsteller darf keine Lösungen anbieten, aber ich denke schon, dass er die Probleme darstellen sollte, damit die Leute darüber nachdenken.
In letzter Zeit wurde in Angola ziemlich viel publiziert, sogar mehr als zur Kolonialzeit oder gleich nach der Unabhängigkeit, wo viel veröffentlicht wurde, weil es von Seiten des Staates Anstrengungen diesbezüglich gab. Heute ist die Politik neoliberal, wirtschaftsorientiert, es gibt kaum mehr Subventionen. Aber es tauchen neue Verlage auf, und es gibt eine gewisse Dynamik. Allerdings wird sehr wenig verkauft, denn die Preise für Bücher sind unhaltbar hoch, durchschnittlich kostet ein Buch fünfzehn Dollar. Wenn man bedenkt, dass ein Buch in Portugal teuer ist, dann muss man sich nur mal vorstellen, dass die Gehälter in Angola zehn-, zwanzig- oder dreißigmal niedriger sind. Ein Buch zu kaufen, ist beinahe ein Luxus.
Ich glaube, es ist notwendig, die Angolaner im Speziellen und die Afrikaner im Allgemeinen dazu aufzurufen oder anzuregen, in unseren eigenen Formeln zu denken. Bisher haben wir vor allem Modelle kopiert. In den Sechzigerjahren gab es bei uns mit der Unabhängigkeit zwei importierte Modelle: das marxistische der sozialistischen Länder Osteuropas und das kapitalistische. Einige Länder folgten dem einen, andere wählten das andere, und nach zwei oder drei Jahren liefen alle in ein und demselben Modell zusammen, dem der Einheitspartei. In den Ländern, die das Mehrparteiensystem wählten, gab es Staatsstreiche, wodurch die Parteien mit Militärgewalt institutionalisiert wurden. Doch in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ist es zu politischen Veränderungen von großer Tragweite gekommen. Der Ostblock löste sich auf, der Kapitalismus triumphierte als einziges Modell, ich würde fast sagen: als einziges Imperium, und heute sind wir alle Kapitalisten. Heute ist die Herausforderung die, herauszufinden, welches unser eigenes Modell sein soll.
Angola hat so viele Schwierigkeiten, dass es sich der Globalisierung wohl kaum widersetzen kann. Um diesem Prozess gegenüberzutreten, muss man eine starke eigene Identität und genug Mittel haben, um der Konkurrenz auf dem Weltmarkt standzuhalten. Heute findet eine Art Entdeckung Amerikas statt. Der amerikanische Imperialismus wurde immer als Feind betrachtet, aber auf einmal wurde er zum Freund. Dieser Freund kann uns umarmen, aber auch wie ein Bär erdrücken, das kommt auf uns an. Es gibt jetzt schon Coca-Cola-Fabriken im Land, und es wird Investitionen in die Zuckerproduktion geben. Ich bin nicht dagegen, dass ausländisches Kapital ins Land kommt, aber möglicherweise akzeptiert Angola dieses zu schnell, ohne es kritisch zu hinterfragen. Ein geschwächtes Land akzeptiert so ziemlich alles. Doch die Globalisierung sollte auch vom Respekt gegenüber dem Anderssein begleitet werden. Wenn alles gleich ist, werden wir ärmer.
In dieser globalen Welt muss es Raum geben für Neuerungen, für die lokalen Eigenheiten, und das vor allem auf der Ebene der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen und der Werte einer Gesellschaft. Das bedeutet, dieses dominante Wirtschaftsmodell mit bestimmten Lebensformen, die die afrikanischen Gesellschaften im Begriff sind zu verlieren, in Einklang zu bringen. Wir müssen die Träume verfolgen, um das, was möglich ist, in die Tat umzusetzen.
Zusammengestellt aus Interviews in O Povo de Guimarães, O Algarve, Livros und Tempestade Comunicação.