Autorinnen und Autoren der Schweiz AdS
AdS fordert koordinierte Autoren- und Literaturförderung
Erfreulich: Noch immer gibt es in jeder mittleren Stadt der Deutschschweiz zumindest Buchhandlungen, die an einem gut funktionierenden Bestellsystem angeschlossen sind. Bücher sind Frischeartikel. Wer heute in Thusis, Appenzell oder Langenthal ein Buch bestellt, kann es dank einem ausgeklügelten Vertriebssystem morgen abholen. Und die Auswahl an bestellbaren Büchern ist wunderbar breit. Buchhändlerinnen und Buchhändler, die mit Engagement lesen und mit Überzeugung ein Buch empfehlen, gibt es noch. Gleichzeitig boomt Literatur. Denn das nationale und internationale Eventwesen blüht – und auch die Literatur wird dort eingebunden. Literatur zum Mittagessen im Hotel, Literatur im Jazzclub, als Show am Bildschirm, als Messeerlebnis. Der Literatur geht es gut. Könnte man glauben.
Von diesem kulturellen Erlebnissen, bei denen literarische Texte oft nur noch Zugemüse sind und ihre Urheber/innen die Statisten, berichtet gerne, ausführlich und bebildert auch das Feuilleton.
Das Buch hingegen ist ein stilles Ereignis. Ebenso das Schreiben. Und auch Lesen macht bekanntlich keinen Lärm, nicht einmal die Lektüre zeitgenössischer Belletristik. Immer weniger Zeitungen publizieren literarische Texte. Und von den wenigen Literaturzeitschriften, die es in der Schweiz gibt, sind praktisch keine in der Lage, den Autorinnen und Autorinnen angemessene Honorare zu bezahlen.
In der Schweiz gibt es gegen 2'500 Autor/innen, die über 1'500 Bücher pro Jahr publizieren. Zirka 140 Autor/innen können vom Schreiben leben, darunter sind 80 literarische Autoren. Für den grossen Rest bedeuten die zehn Prozent Tantiemen, welche Verlage ihren Autoren bezahlen und die gelegentlichen Honorare für Lesungen und Auftritte einen mehr oder weniger nennenswerten Zustupf zum Verdienst aus ihrer sogenannten Brotarbeit. Im AdS (Verband der Autorinnen und Autoren der Schweiz) übrigens sind 820 Mitglieder aus allen vier Landesteilen organisiert.
Die Macht und der Sog des internationalen Marktes sind gross. Autorinnen und Autoren der Schweiz sind auf Publikationsmöglichkeiten und eine gut funktionierende Schweizer Buchkette angewiesen, damit ihre Werke Verbreitung finden. Wenn es immer weniger Schweizer Verlage gibt und immer weniger Zeitungen und Zeitschriften, die literarische Texte publizieren oder rezensieren, wenn das Feuilleton immer dünner wird und der Lifestyle dort einzieht, geraten immer mehr AutorInnen und Autoren in Schwierigkeiten: Es fehlen ihnen Möglichkeiten, ihre Werke zu verbreiten, selbst dann, wenn sie neuen Technologien und Publikationsformen positiv gegenüberstehen. Insbesondere für Erstlingswerke sind literarisch Schreibende auf schweizerische Verlage angewiesen. Und immer wieder werden hier neue literarische Stimmen entdeckt, die dann auch in den Genuss von Fördermitteln kommen. Das ist gut so, die Schweizer Literatur braucht Nachwuchsförderung, aber nicht nur. Ebenso braucht sie eine kontinuierliche und breite Förderung der Autorinnen und Autoren, denn literarische Qualität entzieht sich oft den Gesetzen des Marktes und braucht mehr Zeit, um sichtbar zu werden.
Deshalb hat der AdS ein vitales Interesse daran, dass Literatur als Ganzes gefördert wird. Aktivere Übersetzungsförderung ist dazu ein Stichwort, wenn die Literatur wirklich die Rolle einnehmen soll, die ihr immer wieder zugewiesen wird: Sie trage zur kulturellen Vielfalt bei, heisst es oft. Aber man kennt sich schlecht in diesem Land, vom Ausland ganz zu schweigen. Noch immer ist es so, dass die Deutschschweiz die Literatur aus der französischen und italienischen Schweiz wenig kennt. Und umgekehrt verhält es nicht anders. Soll Literatur ein Exportartikel sein, auch ein Exportartikel über die innerschweizerischen Sprachgrenzen hinweg, so muss sie übersetzt werden.
Im aktuellen Entwurf zum Kulturförderungsgesetz ist wohl von struktureller Förderung die Rede, die weiterhin vom Bundesamt für Kultur (BAK) wahrgenommen werden soll. Es fehlen aber konkrete Stichwörter dazu wie Verlags- und Bibliotheksförderung, beides Massnahmen, die zwingend notwendig sind für die notwendige und kontinuierliche Aufbauarbeit der Schweizer Buchkette. Angesichts der ökonomischen Bedrohung des gesamten Kulturbereiches durch die vom Bund angesagten Sparübungen braucht es ein entschlossenes Auftreten aller Beteiligten für wirksame Fördermodelle.
Mit der Literatur jedenfalls lassen sich keine Leistungsvereinbarungen treffen. Sie kann nicht nach Effizienzkriterien beurteilt, gefördert und eingeschätzt werden. Wenn es wahr ist, dass Leseförderung seit langem ein Anliegen des Bundes ist, wenn es wahr ist, dass Lesen nicht erst seit der Pisastudie eine Kernkompetenz ist, so braucht es doch ganz zwingend gute Bedingungen, damit gute Bücher entstehen können. An deren Anfang steht noch immer der Autor, die Autorin.
Theres Roth-Hunkeler, Präsidentin AdS