Patricia Grace schreibt ihre Bücher in ihrem Haus in Hongoek Bay, in der Nähe von Wellington, mit einem großartigen Blick auf den Hafen von Porirua. Sie schreibt von Hand – »Ich denke, es ist eine Frage des Alters, ich bin nicht mit dem Computer aufgewachsen« –, und manchmal braucht sie sehr lange, um einen Roman wachsen zu lassen.
Vor sechs Jahren ist ihr letzter Roman, Drei Cousinen, erschienen, aber für Grace ist das keine lange Zeit. Wenn man mit Grace spricht, merkt man, dass der Schreibprozess dem Rhythmus der Autorin entspricht. Sie ist nachdenklich und gelassen, und nach den Fragen bleibt es so lange ruhig, dass man gut einen Stein über das Wasser hüpfen lassen und den sich langsam ausbreitenden Kreisen zuschauen könnte.
Wahrscheinlich deswegen sagt sie, sie sei nicht gut darin, interviewt zu werden. Beim Gegenlesen »klingt es immer irgendwie idiotisch, all diese Halbsätze, die mich anstarren«.
Für Grace bedeutet Schreiben, einen Stein zu werfen und dann zu beobachten, wie sich die Wellen ausbreiten. Wenn sie anfängt zu schreiben, hat sie keine Ahnung, wohin die Geschichte sie führen wird. Stattdessen beginnt sie »mit einem Punkt, mit einer kleinen Idee«, und baut auf dieser Idee auf. Wenn sie merkt, dass sie den Faden verliert im Prozess, ihre Figuren durch die Kapitel zu führen, überlässt sie sich dem Fluss ihrer Ideen, notiert Wörter und Gedanken. Sie gibt zu, dass dies ein »mühsamer Prozess ist. Er ist auch ein wenig beängstigend, zumindest war er das. Ich glaube, heute habe ich mehr Vertrauen, dass daraus wirklich etwas entsteht«.
Die kleine Idee, aus der Anapuke, Berg der Ahnen entstand, war die wahre Geschichte eines tot geborenen Babys, das im Krankenhaus im Abfall landete und schließlich der trauernden Familie für die Bestattung zurückgegeben wurde, jedoch ohne Augen. Es ist ein literarischer Kunstgriff (das Baby ist den ganzen Roman hindurch anwesend), den die Leser nicht so schnell vergessen können.
Grace sagt, dass sie die Geschichte nicht wegen ihrer schockierenden Wirkung verwendet hat – »aber sie ist sehr eindringlich und bewegend, und Fiktion soll ja eindringlich und bewegend sein« –, obwohl sie tief schockiert war, als sie 1991 zum ersten Mal von dem toten Baby hörte. »Ich konnte es lange nicht vergessen. Aber ich glaubte nicht, dass ich darüber schreiben würde, ich dachte, es würde in einem Roman zu unglaubwürdig klingen. Die wahre Begebenheit ist im Roman abgemildert.«
Ebenso schockierend ist für sie eine andere Geschichte, die Eingang findet in den Roman: diejenige von Riripeti, die »von der Schule umgebracht wird«, weil sie nicht die richtigen Antworten in der richtigen Sprache geben kann. Sie benutzt diese Geschichten, um Familiengeschichten mit heutigen Maori-Anliegen zu verknüpfen, wie schon in ihren früheren Büchern.
Sie schreibt über Dinge wie Landrechte oder die Maori-Sprache, denn »diese Dinge begleiten uns jeden Tag, sie sind Teil unseres Alltags. Ich wollte immer über das Leben ganz normaler Menschen schreiben, und das tue ich auch heute noch«.
Dass sie die erste Maori-Schriftstellerin war, die diesen Alltag in einer Sammlung von Kurzgeschichten verarbeitete, sichert ihr einen Platz in der Literaturgeschichte Neuseelands, obwohl sie, wie sie sagt, der neuseeländischen Literatur nicht viel Beachtung schenkt.
»Wirklich wichtig ist mir, dass es immer mehr Maori-Schriftsteller gibt. Wenn es nur wenige gibt, wird man eher als eine Stimme oder als wenige, vereinzelte Stimmen wahrgenommen, dabei ist das Leben der Maori so vielfältig wie das Leben aller anderen Menschen auch. Wenn es nur vereinzelte, isolierte Stimmen gibt, ist die Gefahr groß, dass neue Stereotypen entstehen, obwohl man doch versucht, die alten Stereotypen zu überwinden.«
So idyllisch Grace’ Haus über dem Meer auch scheinen mag, das Klischee des Autors, der sich vor dem Trubel der Welt zurückzieht und über den Dingen steht, hat für sie keine Anziehungskraft. Sie ist eine Frau, die sich die Zeit nahm (und genug Energie aufbrachte), zu schreiben, obwohl sieben kleine Kinder ihre Aufmerksamkeit brauchten. »Hier ist immer etwas los. Ich muss mich um den marae (Versammlungsort) kümmern, und wir haben oft Besuch. Es ist natürlich leichter, wenn man in Ruhe arbeiten kann. Aber ich kann nicht den ganzen Tag dasitzen und schreiben. So isoliert zu leben, liegt mir nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, in einem Elfenbeinturm zu sitzen und nur zu schreiben, denn dann wüsste ich ja nicht, worüber ich schreiben soll.«
New Zealand Herald, Auckland, 1998