»Wenn ich mich an die Anfänge erinnere, dann fällt mir ein, dass ich ständig Geschichten erfunden habe. Meine Fantasie war kaum zu bändigen. Meine Geschwister haben das, was ich erzählt habe, oft für Lügen gehalten. Was ich erzählt habe, hat sich ständig anders angehört. Deshalb dachten sie, ich lüge. Aber ich habe geglaubt, was ich erzählt habe. Vielleicht hat damit alles angefangen.«
»Nachdem ich die Dinge erzählt habe, die meiner reinen Fantasie entsprungen sind, beginne ich manchmal zu glauben, dass ich das wirklich erlebt habe. Dann lebe ich darin und glaube, dass das die Wahrheit ist. Deshalb gibt es in meinen Geschichten keinen großen Unterschied zwischen der Realität und der erdachten irrealen Welt. Ich weiß gar nicht, wie etwas aussieht, das völlig ohne Fantasie ist.«
»Die Bedeutung des Schreibens heute liegt im wesentlichen darin, dass man seine eigene Kultur den anderen Menschen vorstellen möchte. Bei der arabischen Kultur erscheint mir besonders wichtig, dass man ein wahrheitsgetreues Bild zeichnet. Gerade nach den politischen Veränderungen der letzten Jahre halte ich es für wichtig, dass man aus der Literatur heraus etwas erkennen kann. Überall gibt es dieses Bedürfnis, diese Neugier. Aber gleichzeitig gibt es so viele Bücher, die Vorurteile und Stereotypen bedienen – vor allem bei den Themen Islam und Rolle der Geschlechter. Bei den Problemen, die es momentan zwischen dem Westen und der arabischen Welt gibt, greift man viel zu wenig auf die Literatur zurück.«
»Wir haben immer noch eine tribale Kultur. Das heißt, der Stellenwert eines Menschen innerhalb dieser Kultur hängt von seinem Lebensalter ab. In New York hat mir mal eine amerikanische Kollegin gesagt, sie hätten in den USA die einzige Literatur der Welt, die sich wirklich um die Förderung der Schriftsteller kümmert. Sie haben keine großen, aber viele neue Schriftsteller. Denn die amerikanische Kultur veröffentlicht viele Bücher, die Bücher der Stunde, des Tages oder des Monats sind. Viele Literaten können Stars sein, das allerdings nur für eine sehr kurze Zeit. Bei uns ist es genau umgekehrt – das ist auch falsch. Bei uns ist der größte Schriftsteller immer der älteste. Das ist die tribale Form der Kultur.«
»Den Beruf des Schriftstellers gibt es bei uns eigentlich nicht. Unser Problem ist, dass von unseren Büchern auf Arabisch vielleicht 1000 gedruckt werden. Wer kauft diese Bücher dann? Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass meine Bücher in der vierten oder fünften Auflage erscheinen. Deshalb gelte ich als sehr populär. Aber um zu überleben, müssen alle Kollegen andere Berufe ausüben, Artikel schreiben und dergleichen. Der Beruf des arabischen Schriftstellers entsteht gerade. Ich bin ein Beispiel dafür. Der Grund für meinen Erfolg liegt vielleicht darin, dass ich über das Leben von Beduinen und von Landbewohnern schreibe. Denn die meisten arabischen Schriftsteller der letzten fünfzig Jahre haben über das Leben in der Stadt geschrieben. Ich glaube aber, die meisten Araber leben in der Stadt wie in einem Dorf – die Stadt im eigentlichen Sinne gibt es gar nicht.«
Interview: Volker Michael (2002)