Jerry Raine über Leben und Schreiben
Ein Gespräch mit Mark Campbell
Erzählen Sie mir, wie Sie zum Kriminalautor wurden.
Ich glaube, das hängt mit Lesegewohnheiten zusammen. Als ich anfing zu lesen, waren das so genannte ernsthafte Autoren wie Hemingway, Orwell oder Scott. Dann habe ich Dashiell Hammett und Patricia Highsmith gelesen. In diesem Alter ist man sich noch nicht darüber bewusst, dass man Krimis liest, man liest Bücher, die lesenswert und spannend sind. Erst ein paar Jahre später wurde mir klar, dass ich Krimis las. Ich war schon immer am Schreiben interessiert, tatsächlich begann ich aber mit der Musik.
Mit sechzehn Jahren lernte ich Gitarre spielen, und zu diesem Zeitpunkt fing ich an, Songs zu schreiben. Als ich zwanzig war, belegte ich einen Creative-Writing-Kurs, um meine Songtexte zu verbessern. Doch ich begann, Prosa zu schreiben, und so traten die Songtexte etwas in den Hintergrund. Aber ich brauchte sehr lange, um einen eigenen Stil zu finden. Ich schrieb Smalltime erst, als ich zweiunddreißig war, ich brauchte einfach zwölf Jahre, um meinen Stil zu finden.
Was haben Sie während dieser zwölf Jahre geschrieben?
Das waren nur Stückchen und kleine Arbeiten – Kurzgeschichten und allgemeines Zeug. Selbstbeobachtung, Selbstfindung … Nicht sehr …
… gut verkäuflich?
Nee. Aber komisch, als ich mit den Krimis anfing, las ich Elmore Leonard und Charles Willeford, meine zwei bevorzugten Krimiautoren, und übernahm wohl deren Stil. Besonders den von Elmore Leonard. Das waren keine »Whodunits« im eigentlichen Sinne, es waren »Whydunits«. Es ging mir um das Warum und Weshalb. Smalltime war mein Versuch, einen Elmore-Leonard-Roman zu schreiben, der in England spielt.
Ist es Ihnen gelungen?
Ich habe gute Kritiken bekommen, aber nicht allzu viel verkauft.
Wie kam es überhaupt zur Veröffentlichung?
Nun, als ich das Buch angeboten habe, hat es Simon Brett gelesen, und es hat ihm gefallen. Das war vor elf Jahren, als ich noch bei Murder One gearbeitet habe. Er gab es an seinen Agenten weiter, der es eine Zeit lang angeboten hat. Es wurde von neun Verlegern abgelehnt, und ich hatte allmählich die Schnauze voll, also trennte ich mich von dem Agenten. Zu jener Zeit wurden nur wenig interessante Kriminalromane veröffentlicht, der Markt war sehr mittelmäßig, und Smalltime ließ sich nicht so recht einer bestimmten Kategorie zuordnen.
So steckte ich das Buch schließlich in die unterste Schublade.
Dann sprach Maxim Jakubowski (der Besitzer der Krimi-Buchhandlung Murder One) mit Jim Driver darüber. Jim ist Chef von Do-Not Press und natürlich Kunde bei Maxim. Jim fragte mich, ob er es lesen könne, und dann nahm er es auf der Stelle. Es war genau der richtige Zeitpunkt, denn nach acht Jahren hatte sich der Markt verändert, es wurden zunehmend auch ungewöhnliche Titel publiziert.
Und dann?
Als Smalltime dann tatsächlich erschien, sagte Pam Smith, meine neue Agentin, zu mir: »Du solltest etwas nachschieben, für den Fall, dass etwas passiert.« Eines Tages war ich bei ihr zu Besuch, und als ich ging, sagte ich: »Mein nächstes Buch heißt Frankie Bosser Comes Home.« Es fiel mir einfach so ein. Ich schrieb den ersten Entwurf in zweieinhalb Monaten und beschäftigte mich dann sechs Monate damit. Wir haben einfach Fahnen gebunden und die Rezensionen über Smalltime drangehängt und sie verschickt. Das Buch hatte einen leuchtend gelben Umschlag, sodass es zwischen all den langweiligen Manuskripten auf dem Schreibtisch der Lektoren auffallen musste. Wir erhielten sehr positives Feedback, und Gollancz kaufte es.
Worum geht es in Frankie Bosser kommt heim?
Das Buch handelt von einen Kriminellen, der in Italien untergetaucht ist und zur Beerdigung seines Vaters nach Hause kommt, und als er dort angekommen ist, findet er heraus, dass sein Vater ermordet worden ist. Also bleibt er, um herauszufinden, wer es getan hat.
Ein bisschen wie Get Carter von Ted Lewis, ein Klassiker der britischen Kriminalliteratur …
Stimmt, ich habe die Ähnlichkeit wirklich nicht gesehen, während ich geschrieben habe, aber ich habe dann viel von Ted Lewis gelesen.
Aus: Crime Time on line
www.crimetime.co.uk