Lecomber über Lecomber
Mein Name ist Brian Lecomber, bin fünfundfünfzig Jahre alt und Single. Ich lebe in Buckinghamshire, habe weder zu Politik noch zu Religion eine ausgeprägte Meinung und ich bin etwas weniger als durchschnittlich groß. Meine Erscheinung ist meist etwas zerzaust, weil ich fast immer gerade Wichtigeres zu tun habe, als die Haare zu kämmen oder die Socken zu wechseln. Von Beruf bin ich Autor und Kunstflugpilot.
Biografien sind immer langweilig, deswegen hier das Wichtigste in Kürze: Ich verließ die Schule mit sechzehn (rausgeflogen) und begann eine Mechanikerlehre. Gab auf nach einem Jahr (aus Langeweile) und bekam einen Job als Reporter bei einer Nachrichtenagentur. Nach einigen Jahren bei verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen (Höhepunkt meiner Karriere war die Stelle des technischen Redakteurs bei Car Mechanics) hängte ich 1970 den Journalismus an den Nagel (wieder aus Langeweile).
Ich lernte fliegen, wurde Fluglehrer und war einige Zeit Kunstflieger bei einem Flugzirkus. Das war zwar nicht langweilig, dafür hatte ich ziemlich oft Hunger. Der Zirkus war kein durchschlagender Erfolg - es gab Zeiten, da konnten wir entweder Benzin für die zwei Flugzeuge kaufen oder eine Mahlzeit für uns, aber nicht beides. Aber es hat Spaß gemacht. Ich glaube, ich war der Erste, der ohne Fallschirm von einer langsam und tief fliegenden Tiger Moth absprang. Wir alle (oder wenigstens alle anderen) dachten, das wäre doch ein verdammt guter Stunt, und so stopfte ich Berge von Schaumgummi in einen alten Fliegeranzug, zog den Riemen des Helmes straff an und probierte es aus. Beim ersten Mal kam ich ohne einen Kratzer davon - was gar nicht so unmöglich ist, wenn man bedenkt, dass das Flugzeug nur mit vierzig Knoten fliegt und man vielleicht drei Meter nach unten fällt. Doch beim zweiten Mal landete ich falsch und brach mir ein paar Knochen. Schluss beim Flugzirkus.
Während die Narben heilten (1971), bekam ich das Angebot, Chef-Fluglehrer einer Flugschule in Antigua zu werden. Es regnete in Strömen und war verdammt kalt, als der Brief ankam, drum reiste ich sofort los. Während der nächsten achtzehn Monate flog ich kreuz und quer über die Karibik und kam mir vor wie einer aus der Smirnoff-Reklame. Tatsächlich aber arbeitete ich sehr hart; ein durchschnittlicher Linienpilot darf auf maximal 750 Flugstunden pro Jahr kommen - ich flog in zwölf Monaten mehr als 1300 Stunden. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass mir nach einer Weile schon beim Anblick eines Flugzeuges schlecht wurde.
Ich setzte mich also für drei Monate auf die Veranda meines tropischen Bungalows und schrieb einen Roman. Immer wieder werde ich gefragt: »Weshalb haben Sie zu schreiben begonnen?« Ich habe keinen Schimmer; vielleicht war es einfach eine Möglichkeit, mich nicht mehr mit Flugschülern rumzuschlagen und bis tief in die Nacht Motorenlärm in den Ohren zu haben.
Ich setzte mich also hin und schrieb eine Geschichte, die in einem Flugzirkus in England beginnt und sich dann mit einer Mafia-Familie verwickelt. Die Handlung war frei erfunden, doch die Flugzeuge, die Schauplätze und viele Personen existierten wirklich, vor allem der Mafia-Clan. Ich hatte mal eine kleinere Auseinandersetzung mit einem Typen dieses Schlags, und glauben Sie mir, die sind sehr real. Als ich mit dem Buch fertig war, saß ich auf dem Trockenen und nahm einen Job auf einer Charterjacht an. Ich segelte eine Weile rum und betrachtete die Karibik aus einem anderen Blickwinkel. Zurück in England, verdiente ich mein Brot für eine Weile mit dem Hochschleppen von Segelflugzeugen und dem Überführen von Flugzeugen - und dann, siehe da: »Turn Killer« erschien in England, und gleichzeitig kam ein gutes Angebot für die amerikanischen Rechte. Plötzlich war ich ein professioneller Autor. Seither habe ich zwei weitere Bücher geschrieben: »Dead Weight«, das vom Goldschmuggel mittels Flugzeugen in der Karibik handelt, und »Talk Down«, die Geschichte einer jungen Krankenschwester auf ihrem ersten Flug mit einer Arrow. Ihr Freund, der Pilot, hat eine Hirnblutung, und ihre einzige Überlebenschance liegt darin, die Landung zu übernehmen. Sie muss also »runtergeredet« werden.
Ich muss zugeben, dass ich mich in der literarischen Welt nicht sehr zu Hause fühle. Ich betrachte mein Schreiben nicht als Kunst oder so was. Ich glaube, die Aufgabe eines Schriftstellers ist klar und einfach: Er muss unterhalten, den Leser aus seinem eigenen Leben abholen und ihn für eine Weile etwas anderes erleben lassen. Ich kenne mich mit Flugzeugen und den Leuten um sie herum aus, Fliegen ist mein Spezialgebiet. Wenn ich die Leser in ein Cockpit mitnehme oder auf einen weit entfernten Flughafen, dann können sie sicher sein, dass es dort genau so aussieht. Wenn ich sage, dass ein bestimmtes Flugzeug nach Schmiermittel und Treibstoff stinkt und dessen Motor bei 48 Knoten abgewürgt wird, können die Leser sicher sein, dass dem so ist. Diese Genauigkeit ist mir wichtig; wenn man sich vornimmt, jemanden zu unterhalten, indem man ihn in seiner Fantasie reisen lässt, muss die Szenerie unbestreitbar stimmen. Wenn ich es dann sogar schaffe, dass der Leser den Motor hört und die Vibrationen durch den Sitz hindurch spürt - dann habe ich etwas erreicht, was vielleicht sogar der Mühe wert war.
Heute ist Schreiben nur ein Teil meines Lebens. Ich habe mein eigenes Flugzeug, eine Stamp SV4C. Es ist leuchtend orange, blau und weiß, und ich liebe es innig.
Nachtrag des Herausgebers: Brian Lecomber unterschlägt höflich, dass er im Februar 2000 mit dem »Sword of Honour« der ehrwürdigen »Guild of Air Pilots and Air Navigators« aus der Hand von Prinz Charles ausgezeichnet wurde - für seine Verdienste um den britischen Kunstflug. Wir gratulieren!