Sind Sie beste Freunde oder arbeiten Sie nur zusammen?
Thomas: Wir haben erst zusammengearbeitet und sind dabei über die Jahre sehr, sehr gute Freunde geworden. Interessanterweise haben wir uns noch nie wirklich gestritten (wir reden aber auch möglichst wenig über Fußball).
Jac.: Ja, im Lauf der Jahre sind wir wirklich sehr gute Freunde geworden. Ich freue mich immer auf unseren Kontakt, weil es immer reizend und inspirierend ist, was wir uns ausdenken. Und dann gibt es natürlich den Humor, den wir selbst entwickelt haben. Eine Riesenleistung, denn für niederländischen und deutschen Humor gilt, was Rudyard Kipling einst über die abendländische und östliche Kultur anmerkte: East is east and west is west and never the twain shall meet. Aber uns ist es gelungen, die zwei miteinander zu vereinen.
Was ist Ihr Lieblingskrimi?
Thomas: Es gibt zu viele tolle Bücher, um eines hervorzuheben. Ich mag die Ripley-Krimis von Patricia Highsmith, alle Ross-Thomas-Romane, die Weimarer-Republik-Krimis von Volker Kutscher, Mechtild Borrmanns Romane und, und, und.
Jac.: Für mich steht schon seit Jahrzehnten auf Platz eins: Der Spion, der aus der Kälte kam von John le Carré. Wahnsinnig schön zeigt er darin, wie das Aufeinandertreffen von persönlicher Liebe und institutioneller Treue die Protagonisten in eine verhängnisvolle Entwicklung führt. Übrigens schließe ich aus, dass dieser Vorzug die Folge eines Phänomens ist, nach dem das erste stark beeindruckende Buch für immer im Gedächtnis bleibt, so, wie man sich an die erste Liebe auch immer als die herrlichste erinnert. John le Carré hat dieses Thema auch in seinen späteren Romanen ausgearbeitet, die ebenfalls sehr lesenswert sind.
Warum haben Sie sich entschieden zusammenzuarbeiten?
Thomas: Ich bekam 2006 von der NRW-Staatskanzlei das Angebot, einen Krimi über einen Verbund deutscher und niederländischer Kunstmuseen zu schreiben. Ich hatte wenig Zeit und auch noch wenig Erfahrung im Krimigenre, darum schlug ich vor, einen niederländischen Autor ins Boot zu holen. Die Idee kam gut an. Ich rief Jac. an, den einzigen niederländischen Krimiautor, den ich persönlich kannte, den ich ganz sympathisch fand und der schon einmal den wichtigsten niederländischen Krimipreis Gouden Strop (»Goldener Strick«) gewonnen hatte. Und Jac., der gerade ein neues Buch fertig und darum Zeit hatte, sagte …
Jac.: … bevor ich wirklich wusste, was ich da sagte, hatte ich »Ja, ich will« geantwortet und fing ein neues Leben an. Und ich habe es nicht bereut. Unser erstes Buch (Nach allen Regeln der Kunst) wurde in Deutschland und den Niederlanden verlegt und war ziemlich erfolgreich. Es wurde sogar für den Gouden Strop nominiert, und auch in Deutschland gab es schöne Rezensionen. Die Zusammenarbeit gefiel uns so gut, dass wir uns dazu entschlossen, eine Trilogie zu schreiben. Und Krimigeschichten. Und einen Roman …
Was hat Sie dazu bewegt, Krimiautor zu werden?
Thomas: Ab 2003 schrieb ich überwiegend Erzählungen und Kurzgeschichten. Da ging es immer häufiger um kleinere und größere Verbrechen. Es waren aber keine Krimis. Als das Angebot von der Staatskanzlei kam, habe ich mir gedacht, das ist ein Zeichen. Du kannst auch mal ein Buch schreiben, in dem das Verbrechen auch aufgeklärt wird. Im Ernst: Ich hatte schon ein paar Bücher geschrieben und fand es sehr spannend, auch in diesem Genre zu arbeiten. Der Krimi bietet sehr gute Möglichkeiten, über unsere Gesellschaft und das, was in ihr schiefläuft, zu schreiben und damit viele Menschen zu erreichen.
Jac.: Mein Motiv, Krimiautor zu werden? Jugendliche Selbstüberschätzung. Und Arroganz. In den Achtzigerjahren arbeitete ich bei einem Radiosender und war verantwortlich für Krimirezensionen. Ich bekam viele Leseexemplare von Verlagen, und nach einem Jahr war ich müde von all dem Zeug, das der Postbote ablieferte. Da habe ich mir gedacht: Das kann ich besser. Die ersten Krimis verschwanden in einer Schachtel, aber dann hat sich schließlich ein Verlag gemeldet, der mir eine Chance geben wollte. Allmählich habe ich das Handwerk gelernt unter dem Motto von Samuel Beckett: Try. Fail. Try again. Fail better.
Wie entstehen Ihre Kriminalromane, und was gibt’s Neues?
Thomas: Woher die erste Idee kommt, ist bei jedem Buch etwas anders. Meistens kommt einer von uns mit einer Überlegung, die wir dann diskutieren, bis ein gemeinschaftliches Konzept entsteht. Dann entwickeln wir den Plot, also die wichtigsten Erzähllinien inklusive der Eigenschaften der Hauptfiguren und besonderen Nebenfiguren. Die ganze Zeit über recherchieren wir schon, denn die Fakten einer Story müssen immer stimmen. Auf dieser Basis planen wir die ersten Kapitel. Wer von uns welche Szenen oder welches Kapitel schreibt, hängt von vielen Aspekten ab, z. B. wer von uns sich in einer bestimmten Zeit, einem Thema oder einer Gegend besonders gut auskennt. Oft aber auch, aus welcher Figurenperspektive die Szene erlebt wird, denn in aller Regel »betreut« jeder von uns eine Hauptfigur. Tatsächlich sitzen wir gerade an einem neuen Romanprojekt. Es wird nichts mit unserer bisherigen Patati-und-Spijker-Serie zu tun haben. Aber mehr können wir in diesem Augenblick nicht darüber verraten.
Jac.: Und sehr wichtig: Wir einigen uns nie auf einen Kompromiss. Wir reden und reden und reden, bis wir die perfekte Lösung gefunden haben. Einen Kompromiss zu nutzen, bedeutet, eine Schwäche hinzunehmen: Was wir schreiben, darf aber nie das Gefühl vermitteln, dass es nicht genau das ist, was wir im tiefsten Innern schreiben wollen. Nur die Überzeugung, dass wir den besten Plot, die fesselndsten Entwicklungen, die reizendsten Hauptfiguren ausarbeiten, gibt uns die Energie, selbst auch zum Äußersten zu gehen.
Warum interessieren Sie sich für Krimis?
Jac.: Weil ich mich für das interessiere, was sich unter der Oberfläche des Alltagslebens abspielt. Ein Verbrechen ist ein Riss in der Deckschicht aus Wohlanständigkeit, mit der wir durch das Leben gehen. Aber was dahinter passiert, welche Interessen und Strategien, welche geheimnisvollen Motive und unanständigen Gefühle, welche Lüste, Wünsche und Begehren in uns stecken, all das tritt vor allem während eines Verbrechens zutage. Und diese Wirklichkeit, die wir am liebsten verborgen halten, die will ich gerne kennenlernen.
Wo und wie haben Sie sich getroffen?
Jac.: Das erste Mal sah ich Thomas in Moers 2004, als er ein Krimischauspiel übersetzte, das ich für das Schlosstheater Moers schrieb. Thomas spricht gut Niederländisch, also war er die richtige Person dafür. Nur zwei Jahre später kamen wir wieder zusammen, um gemeinsam Krimis zu schreiben.
Welches Buch war am schwierigsten zu schreiben?
Thomas: Da kann ich keinen Unterschied feststellen. Man kann so viele Bücher geschrieben haben, wie man will: Am Anfang und manchmal auch mitten in einem neuen Buchprojekt hat man immer wieder das Gefühl, niemals ein ordentliches Buch schreiben zu können. Glücklicherweise erwies sich das bisher aber als ein Irrtum. Viele KollegInnen, die ich sehr schätze, haben mir von ähnlichen Erfahrungen erzählt.
Thomas, warum haben Sie vom Kulturjournalisten zum Krimiautoren gewechselt?
Thomas: Gewechselt habe ich eigentlich nicht. Ich habe mit sechzehn Jahren begonnen, zeitgleich Geschichten und Gedichte zu schreiben und für eine Tageszeitung zu arbeiten. Später kam noch das wissenschaftliche Schreiben hinzu – also eigentlich ging es immer darum, schreibend die Welt zu begreifen. Mit dem Journalismus und der Wissenschaft habe ich aufgehört, weil sich das Konzipieren und Organisieren von literarischen Veranstaltungen zu meinem Hauptberuf entwickelte. Und von da aus ging es weiter als Kulturmanager und schließlich Leiter des Mönchengladbacher Kulturbüros. Da muss ich allerdings auch viel schreiben. Es ist eine schöne Kombination: im Hauptberuf das Kulturleben zu gestalten und in der freien Zeit selbst als Künstler frei schreiben zu dürfen.
Welche Ihrer Bücher empfehlen Sie ganz besonders?
Thomas: Das ist ein bisschen wie die Frage, welches seiner Kinder man mehr liebt. Es gibt keine wirkliche Antwort darauf. Was ich mir aber wünschte, wäre mehr Aufmerksamkeit für meinen Erzählband Tomorrow Never Knows, zu dem auch ein Hörspiel gehört. Und für meinen Solo-Krimi Die letzte Kur, der für mich eine spannende literarische Herausforderung war, weil ich acht Kurzkrimis in einen Roman eingearbeitet habe. Die Figuren des Romans beeinflussen die Kurzgeschichten, wie umgekehrt die Kurzgeschichten die Figuren beschreiben. Auf beide Bücher bin ich ziemlich stolz und wünsche ihnen mehr Leser.
Jac. spricht Niederländisch, Thomas Deutsch. Wie kommunizieren Sie miteinander?
Thomas: Jac. spricht gar keine andere Sprache. Wenn wir uns treffen, spricht Jac. Deutsch und ich Niederländisch. Das haben wir schon 2006 so beschlossen, damit wir dasselbe Handicap haben, unsere Ideen zu formulieren. Sprachliche Gleichberechtigung also. Lustigerweise haben wir diesen Sprachtausch total verinnerlicht. Wenn ich in einer Gruppe von Deutschen stehe und Jac. tritt hinzu, beginne ich automatisch, Niederländisch zu sprechen. Umgekehrt ist es genauso: Wir sitzen zusammen, Jac. erhält einen Anruf von einem Niederländer und er spricht Deutsch mit ihm, ohne es zu merken. Unsere Gesprächspartner finden das und uns natürlich ziemlich seltsam.
Das Interview führten Schüler des ASG Bildungsforums. Es erschien auf der Website der ASG Düsseldorf.