Warum schreiben Sie?
Ich habe angefangen zu schreiben, um Nahrung für meinen Geist zu finden. Ich bin in einer Zeit großer Ungerechtigkeit aufgewachsen, in einer Militärdiktatur, in der die Politik sehr dysfunktional war. Als ich in den 1980er-Jahren das erste Mal eine funktionierende Demokratie erlebte, war ich ein Teenager. Das Schreiben und das Lesen haben mir dabei geholfen, mich auszudrücken und Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit zu kommentieren. Für mich ist Schreiben eine Art von Protest, es inspiriert mich, mich für etwas einzusetzen. Manchmal würde ich gern Abstand nehmen von dieser Art zu schreiben. Ich möchte all das von mir weisen und über glücklichere Dinge schreiben, über neutralere Dinge, aber ich kann es einfach nicht. Themen wie Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Macht und Machtlosigkeit motivieren mich.
Wie schreiben Sie?
Eine Idee für ein Buch formt sich erst über lange Zeit in meinem Kopf. Manchmal reift sie dort zwei, fünf oder zehn Jahre lang und entwickelt sich zu einem fertigen Roman, bevor ich auch nur ein einziges Wort geschrieben habe. Ich muss alles genau vor Augen haben, das Ende kennen, meine Figuren kennen. Ab und an schreibe ich vielleicht schon etwas, einen kurzen Dialog, oder beschreibe einen bestimmten Charakterzug einer Figur. Manchmal habe ich zwei oder drei Bücher gleichzeitig im Kopf.
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Stehen Sie in der Schuld nigerianischer Schriftsteller wie Chinua Achebe oder Ben Okri?
Ja, sehr sogar. Sie waren Pioniere, die uns gezeigt haben, dass wir das auch können. Sie haben uns den Weg geebnet, uns und der Generation nach uns. Aber das heißt natürlich nicht, dass wir in derselben Tradition schreiben müssen, in der sie geschrieben haben. Mein Buch ist ganz anders als Achebes Alles zerfällt. Ich versuche – ich weiss nicht, wie ich es nennen soll –, das »exotische« Zeug zu vermeiden. Ich will über die heutige Realität schreiben. Die Verwendung von Mythen, Legenden und Geschichten ist sehr traditionell. Die Zeiten haben sich geändert. Wir sind nicht in Dörfern aufgewachsen wie Achebe und Okri, haben nicht dieselben Geschichten gehört. Aber wir sind ihnen zu großem Dank verpflichtet. Sie haben Respekt für uns gewonnen, sie haben der Welt bewiesen, dass Afrikaner schreiben können. Und sie haben die Geschichte kreativ neu interpretiert.
Viel postkoloniale afrikanische Literatur ist in antikolonialen Themen gefangen. Ihre Bücher sind das nicht. Gibt es eine neue Generation von Schriftstellern, die bereit ist, sich mit anderen Themen zu befassen?
Ich denke, dass diese ganzen Kategorisierungen – postkolonial, postmodern, kolonial – letztlich das Werk von Kritikern sind. Schriftsteller erzählen einfach eine Geschichte und wenn der Kritiker sie liest, sagt er: »Das ist eine postkoloniale Geschichte, wegen diesem Thema oder jenem Motiv, das immer wieder auftaucht.« Aber der Schriftsteller reagiert auf seine Zeit. Heutzutage darüber zu schreiben, wie der weiße Mann nach Afrika kam, über die traditionellen Lebensweisen der Menschen und wie diese vom weißen Mann zerstört wurden, ist Quatsch. Das war vor fünfzig Jahren. Es gibt andere Themen, über die man schreiben kann. Wir müssen über das schreiben, was heute passiert. Ich sage nicht, dass man nicht über Geschichte schreiben soll, aber es sollte in einer Art und Weise geschehen, die für die Gegenwart relevant ist.
In »Waiting for an Angel« sagt eine ihrer Figuren »In this country, the very air we breathe is politics.« (In diesem Land ist sogar die Luft, die wir atmen politisch.)
Genau. Weil afrikanische Gesellschaften – fast alle afrikanischen Gesellschaften – in dieser formativen Phase sind. Unsere Herrscher sind nicht das, was sie sein sollten. Unsere Wirtschaft ist nicht das, was sie sein sollte. Deshalb können wir es uns nicht leisten, eskapistische Literatur zu schreiben, siebzig, achtzig Jahre zurück zu gehen. Wir müssen all unsere Ressourcen in die Gestaltung der Zukunft investieren. Es gibt niemanden, der das für uns tun kann. Wir haben Journalisten, wir haben Kolumnisten – aber was überleben wird, ist der Roman. Er wird noch in hundert Jahren da sein. Er wird ein Dokument sein, das unsere Kinder erreicht.
Eine ihrer Figuren sagt »There is so much we can't understand, because we are only characters in a story and our horizon is so narrow and so dark.« (Es gibt so vieles, das wir nicht verstehen können, weil wir nur Figuren in einer Geschichte sind und unser Horizont so eng und dunkel ist.) Ist das immer noch so?
Nein, ich denke, es ist besser geworden, vor allem in Nigeria. Wir sind jetzt richtige Menschen, nicht nur Figuren in einer Geschichte. Wir sind nicht von der Willkür des Autors abhängig. Wir können unser Leben verändern. Wir können jetzt tatsächlich für uns selbst denken. Wir können jetzt hoffen, denn es gibt Hoffnung.