Dieses Interview wurde geführt von Margitta Ulbricht und erschien am 24.07.2015 in der WAZ.
Das Dutzend ist voll. Kristof Kryszinski ermittelt in seinem zwölften Fall. Nachdem sich der Ex-Detektiv mit der Mafia angelegt hat, flieht er in ein Surferstädtchen nach Portugal. Nah am Wasser gebaut ist der Schöpfer der schrägen Romanfigur im übertragenen Sinn. Jörg Juretzka ist gern am Hafenbecken.
WAZ: Kryszinski scheint auch das Wasser zu mögen. Er war schon mal auf einem Kreuzfahrtschiff. Wie viele Länder hat er schon gesehen?
Jörg Juretzka: Er war mal auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs, hat da aber kein Land gesehen. Kürzlich war er in Frankreich in der Nähe von Bordeaux an der Atlantikküste, bis dahin reicht der lange Arm der Marseiller Mafia. Diesmal wird die Geschichte forterzählt, spielt allerdings in Portugal in einem fiktiven Ort namens Jerusalé, ein Surferstädtchen, im Winter. Im Winter ist in Portugal die berühmt-berüchtigte Zeit der Riesenwellen für Extremsurfer. Gleichzeitig wachsen mit dem Heranrollen der Riesenwellen Kryszinskis Probleme.
Also schippern wir jetzt in der Fantasie auf der Ruhr Richtung Portugal. Wie gefallen Ihnen das Hafenbecken und die Ruhrpromenade?
Gut. Ich finde, das ist der schönste Platz, den wir in Mülheim haben, alle Proportionen, alle Winkel und Materialien – alles ist sehr, sehr stimmig. Extrem gelungen, architektonisch ein ganz großer Wurf und ein Gewinn für die Stadt. Den Platz mit Blumenkübeln möblieren zu wollen, würde ich für fatal halten. Die Fassade ist edel. Ich hab’ nur ein bisschen Sorge um den nächsten Bauabschnitt – aber warten wir’s ab.
Es gibt Mülheimer, die fehlende Bäume auf dem Platz beklagen.
Ich mag gerade diese Weitläufigkeit, die Offenheit. Es gibt ja ein paar Bäume, die werden noch wachsen. Ansonsten braucht man ja nur den Blick zu heben und hat das ganze Grün auf der anderen Ruhrseite.
Sie haben jahrelang in der Stadthalle gewohnt. Vermissen Sie die Wohnlage an der Ruhr?
Nein, ich kann nicht sagen, dass ich etwas vermisse. Es war schön, aber es war extrem laut. Ich wohne ganz in der Nähe in Broich, brauche nur acht Minuten bis an die Promenade.
Apropos Veränderungen: 1998 erschien mit „Prickel“ der erste Kryszinski-Roman. Hat sich die Figur persönlich weiterentwickelt?
Ja, der Autor hat sich hoffentlich weiterentwickelt. Und ich schätze, man wird das beim Lesen der Romane merken, dass sich der Tonfall auch geändert hat. Zu Anfang wollte ich eigentlich Parodien schreiben und auf Plot und Spannungsbögen komplett husten. Das hat sich dann aber als nicht praktikabel erwiesen. Inzwischen zwinge ich die Serie ein bisschen mehr in Richtung stringenter Spannungsroman. Es ist nicht so, dass der Humor gänzlich verschwunden wäre, aber ich nehme ihn etwas zurück.
Krzyszinski ist ein richtiger Freak gewesen. Ist er das immer noch?
Nein, er hat eine gewisse Wandlung zum ernsteren Charakter genommen.
Wie viel Juretzka steckt denn in Kryszinski?
Hundert Prozent würde ich sagen. Das ist genau meine Figur (lacht). Aber ich bin auch hundert Prozent alle anderen Figuren.
Der letzte Kryszinski, Taxibar, hat in einer ehemaligen Mülheimer Kneipe gespielt. Ist Mülheim in dem neuen Krimi auch ein Schauplatz?
Bis auf die Rückblende, wie er nach Portugal gekommen ist, spielt der Roman komplett in Portugal. Und so wie es aussieht, wird der nächste auch nicht in Mülheim spielen.
Als Autor haben Sie sich aufs Schreiben konzentriert. Gehen Sie noch Ihrem anderen, harten Job nach?
Ja, ich arbeite sechs Monate im Jahr auf dem Bau. Aber nicht an einem Stück, so wie die Auftragslage ist.
Sie sind gelernter Tischler und haben sich selbstständig gemacht. Haben Sie früher wirklich Blockhütten in Kanada gebaut?
Ja, mit der Kettensäge – aus Bäumen. Aber ich versuche es jetzt immer so zu drehen, dass ich im Winter morgens im Dusteren nicht mehr raus muss. Den Sommer über, wenn ich nichts besseres zu tun habe, skizziere ich, mache mir meine Gedanken und versuche, schon mal den Plot anzulegen und im Winter setze ich mich ernsthaft hin und schreibe. In der Zeit mache ich dann normalerweise nichts anderes. Ich fahr’ auch nicht weg. Ich hab’ gerade mein Arbeitszimmer renoviert. Das ist so schön geworden, da möchte ich am liebsten gar nicht mehr raus.