Übersetzungsbericht zu:
Umberto Ak'abal, Trommel aus Stein
Ich bin nicht der Übersetzer; ich bin nur der Übersetzer des Übersetzers, der der Autor ist. Deshalb vermag mich das etwas kindische Bonmot vom Übersetzer, der gleichzeitig Verräter ist, nicht zu erschüttern, auch wenn die Übertragung ins Deutsche den Verrat sozusagen potenziert, weil sie ihrerseits auf dem guatamaltekischen Spanisch basiert, in das Humberto Ak'abal seine auf K'iche' entstehenden Gedichte verwandelt.
Übersetzen, übertragen, verwandeln … Letzten Endes liegt die Bedeutung dieser Verse in der Kunst des Autors, die Welt und die Weltsicht seines Volkes zu bewahren und gleichzeitig zu veräußern. Sie leben von der Spannung zwischen zwei Kulturen – der Mayakultur, der ladinisch-mestizischen Kultur –, und es war mir kein Problem, die der Ladinos durch eine mitteleuropäische zu ersetzen. Immerhin sind dem Deutschen, oder deutschen Dialektformen, Gutturallaute nicht fremd, es scheint mir auch, als verfügten wir über eine hinreichend große Palette an Begriffen aus dem ruralen Lebensraum. Damit will ich nicht sagen, daß meine Versionen den Originalton besonders gut treffen; ich glaube lediglich, daß die wahre Übersetzerarbeit vom Autor geleistet wurde, indem er seine Gedichte aus einer Sprache, der seit 500 Jahren die Fähigkeit zur Poesie abgesprochen wird, ins Spanische gebracht hat. Überall dort, wo seinem Empfinden nach ein größerer Reibungsverlust entstanden ist, habe ich , auf seine Erklärungen gestützt, versucht, diesen Verlust nach Möglichkeit zurückzunehmen.
Der eigentliche Übersetzer ist also Humberto Ak'abal. Er hat sich bemüht, die Besonderheiten seiner Muttersprache durchscheinen zu lassen – das K'iche' benennt nicht nur Lebewesen, Gegenstände oder Vorgänge, sondern verdoppelt sie durch ihre Nennung.
»Es ist eine Sprache«, sagt Humberto, »mit der man sich unterhalten kann. Wenn einer allein ist und laut redet, ist das Echo nicht die Wiederholung des Gesagten, sondern eine Antwort. Das K'iche' ist sehr reich an onomatopoetischen Formen, es schiebt Musik zwischen seine Wörter. Die Bezeichnungen für Vögel entnehmen wir ihren Gesängen, wer einen Vogel benennt, singt also mit ihm.«
Der Faszination der Lautmalerei folgend, hat Humberto etliche phonetische Gedichte geschrieben, die ihre volle Wirkung erst im Vortrag – wenn er sie spricht, singt oder zwitschert – entfalten; die kleine Anthologie der Vogelstimmen, im vorliegenden Band, ist ein Beispiel dafür.
Schwieriger war und ist für ihn die Entscheidung, einen geläufigen Begriff wörtlich oder sinngemäß ins Spanische zu übertragen. Wixoq'il zum Beispiel heißt Frau, Gattin, eigentlich aber: Die mich behütet. Sag'irik heißt Guten Morgen, wörtlich jedoch: Es ist Tag geworden, es hat aufgeklärt. Der Specht heißt K'o u rachoch, also: Der ein Haus hat (alle anderen Vögel haben ein Nest). Viele Gedichte Humbertos, etwa »Wie es Tag wird« oder »Kälte«, thematisieren diesen sematischen und poetischen Reichtum, in anderen waren er wie ich gezwungen, des Verständnisses zuliebe die sprachlichen Besonderheiten zu übergehen.
Mich berührt am Fremden das Vertraute. Als ich Humberto in sein Dorf Momostenango folgte, wo er mich den »Helden« seiner Gedichte (Menschen, Tieren, Pflanzen, Steinen…) vorstellte, fühlte ich mich nicht außerhalb meiner Welt. Natürlich, ich konnte mich auf einen Mittler stützen, auf ihn, und schon vorher, ehe ich ihn kennenlernte, auf seine Gedichte. Er wiederum war als Kind, durch die vier geheimnisvollen Bücher auf dem Speicher seines Großvaters, auf die vertraute Fremde einer anderen Kultur gestoßen. Ich wünsche mir, allen, die diese Gedichte lesen, möge es so wie uns ergehen.