Yaşar Kemal wird der »Sänger und Chronist seines Landes« genannt. Er wurde 1923 in einem Dorf Südanatoliens geboren. Seine Werke erschienen in zahlreichen Sprachen und wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet. 1997 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 2008 wurde er mit dem Türkischen Staatspreis geehrt. Er starb in Istanbul am 28.2.2015.
Yaşar Kemal wurde 1923 im Dorf Hemite in Südanatolien geboren und wuchs in großer Armut auf. Als einziges Kind in seinem Dorf lernte er lesen und schreiben, arbeitete als Tagelöhner auf Baumwollfeldern und Reisplantagen, war Hirte, Wasserträger, Schuhmacher, Traktorfahrer, Fabrikarbeiter. Schließlich konnte er genug Geld sparen, um sich eine alte Schreibmaschine zu kaufen. Als Straßenschreiber ließ er sich in einer kleinen Stadt nieder. Für Bauern, die nicht lesen und schreiben gelernt hatten, verfasste er Briefe, Bittschriften, Dokumente.
1951 wurden seine ersten Erzählungen in der Istanbuler Zeitung Cumhuriyet abgedruckt. Sie erregten Aufsehen, denn sie handelten vom täglichen Leben der Bauern und waren im Stil der Umgangssprache geschrieben – in der türkischen Literatur jener Jahre etwas Ungewohntes. Als Journalist durchstreifte er zwölf Jahre lang die türkischen Landgebiete. Er schrieb über die Armut, den Hunger, die Dürre, die Ausbeutung durch feudale Großgrundbesitzer. Noch nie waren solche Berichte in der türkischen Presse erschienen. Einige führten sogar zu Debatten in der Nationalversammlung.
Mit dem Roman Memed mein Falke wurde er 1955 auf einen Schlag zum meistgelesenen Schriftsteller der Türkei. Memed brachte Kemal auch den Durchbruch in die internationale Literatur. Auf Empfehlung der UNESCO und des internationalen PEN-Clubs wurden seine Werke in über dreißig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen internationalen Literaturpreisen ausgezeichnet. 1997 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 2008 wurde er mit dem Türkischen Staatspreis geehrt.
Er starb am 28.2.2015.
»Yaşar Kemal gehört wie Hamsun, Oskar Maria Graf, Panait Istrati, Faulkner, Marquez, Aitmatow, Mo Yan zu den herausragenden Autoren einer ›regionalistischen Internationale‹ in der modernen Weltliteratur. Dieser Regionalismus hat nichts rückwärtsgewandt Provinzielles wie die konservative Heimatliteratur, sondern setzt sich mit den Problemen der Modernisierung und Globalisierung auseinander und gewinnt auf diese Weise universelle Geltung. Auch Yasar Kemals anatolische Dorfromane widmen sich, so intensiv sie das vormodern-agrarische Lokale und Regionale darstellen, damit zugleich universalen Themen, menschlichen Basisbedürfnissen, -problemen und -kräften, der fortbestehenden, ja weltweit zunehmenden sozialen Ungerechtigkeit, der Entfremdung von und dem zerstörerischen Umgang mit der Natur.«
»Kemals Bücher liest man nicht – man hört sie. Es sind Epen, erzählt mit getragener Stimme, die an Kindertage erinnern, da noch Märchen das Tor zu den Träumen öffneten.«
»Yaşar Kemal überzieht seine berühmten epischen Landschaften nicht nur mit meisterhaften Porträts anatolischer Menschen, einer kenntnisreichen ethnografischen Bestandsaufnahme der vielschichtigen Bevölkerung Anatoliens und einem unvergleichlichen Spektrum poetischer Naturschilderungen. Sondern auch mit einer Topografie des Schreckens, der Angst, der Machtarroganz und Dummheit, in der sich die so selbstgefälligen Vertreter des Establishments wohl nur allzu gut wieder erkennen.«
»Yaşar Kemal steht in der langen Tradition der großen Epiker von Homer bis Cervantes, hat sich an Dostojewski, Tolstoi und Tschechow, an Stendhal, Flaubert und Faulkner orientiert. Doch er ist keinem anderen modernen Romancier vergleichbar.«
»Diese Art des Erzählens, des Erzählenkönnens, gibt es bei uns nicht, hat es so nie gegeben. Der türkische Dichter-Schriftsteller erschließt uns den Reichtum einer Kultur, die Europäer immer faszinierte, die ihnen aber, trotz aller Moden, verschlossen blieb.«
»Yasar Kemal ist kein archaischer oder archaisierender, sondern ein durch und durch moderner Epiker, aber eben ein Epiker, kein Romancier. Modern ist das verfremdende Einspielen von Altepischem wie Legenden. Modern ist das Zeit überdauernde gültige antimilitaristische Engagement, von dem das ganze Werk duch alle Bände erfüllt ist. Aktuell ist schließlich auch die unbestechliche, nüchterne bis beißend satirische Sicht auf problematische, korrupte Figuren unter den am Aufbau der Republik Beteiligten. Es ist ein Lehrstück in Hinblick auf die heute immer mehr zunehmede Verflechtung von Politik und Korruption.«
»Yaşar Kemal verbindet Wirklichkeit, Fantasie und Volkstradition und bringt daraus Epen hervor. Er ist ein Erzähler in der ältesten Tradition, in der Tradition Homers, ein Sprecher für ein Volk, das keine Stimme hatte. Kemal wendet sich an die Welt, als ob die ganze Menschheit sich um sein Lagerfeuer drängte, auf der Suche nach Wärme und Zuversicht.«
»Es ist das Wunder des Menschen und Schriftstellers Yaşar Kemal, dass er, trotz aller Kämpfe, nie die Fähigkeit zu träumen verloren hat. Noch heute bedauert dieser große Geschichtenerzähler, daß es ihm nie gelungen sei, den Zauber wiederzugeben, der von den Schwalben ausgeht.«
»Nichts ist klein in Yaşar Kemals Epik, und was er sagt, strömt wie die schäumenden Fluten des Meeres. Ein wortmächtiger Erzähler.«
»Wieder bezwingen der starke, einfache, aus der Erlebniswelt des Volkes geschöpfte Stoff, die kräftige, klare Sprache, Passagen, die in ihrer Leuchtkraft, Intensität und vibrierenden Lebendigkeit von einer Urfreude am Dasein künden.« Neue Zürcher Zeitung