2025 markiert ein besonderes Jubiläum: Vor zwanzig Jahren erschien mit Fremde Hände der erste Fall für Regina Flint und Bruno Cavalli. Nun folgt mit Dunkle Mächte der zehnte Band der Reihe. Das Ermittler-Duo hat in diesen zwei Jahrzehnten nicht nur spannende Kriminalfälle gelöst, auch als Charaktere haben sich Flint und Cavalli weiterentwickelt. Ein Gespräch mit der Autorin Petra Ivanov.
Unionsverlag: Im März 2005 erschien der erste Fall für Regina Flint und Bruno Cavalli. Hättest du dir damals vorstellen können, dass du diese Figuren zwanzig Jahre später noch immer begleitest?
Petra Ivanov: Überhaupt nicht! Ich wusste nicht einmal, ob es überhaupt einen zweiten Band geben würde. Fremde Hände war mein allererstes Buch. Ich habe einfach drauflosgeschrieben – ohne Plan, ohne festes Ziel. Umso überraschter war ich, als sich ein Verlag dafür interessierte. Und erst recht, als der Krimi zum Bestseller wurde.
Warum hast du überhaupt mit dem Schreiben begonnen?
Ich arbeitete damals in der Kommunikationsabteilung eines Schweizer Hilfswerks. Zu meinen Aufgaben gehörte es, über die Projekte im In- und Ausland zu berichten. Dabei kam ich mit vielen Menschen in Kontakt, die spannende und vor allem wichtige Geschichten zu erzählen hatten. Leider war es sehr schwierig, die Medien für diese Themen zu begeistern. Da beschloss ich, sie in einen Kriminalroman zu verpacken.
Du hättest diese Geschichten auch in einem Erfahrungsbericht oder einem Roman erzählen können. Warum ausgerechnet in einem Krimi?
Ermittelnde Figuren in einem Krimi befinden sich in einer ähnlichen Lage wie ich als Journalistin: Sie treffen auf eine Situation, die ihnen unbekannt ist, und beginnen, Fragen zu stellen. Das gab mir die Möglichkeit, viele meiner Interviews fast unverändert in den Roman einfließen zu lassen.
Also ist Fremde Hände eine wahre Geschichte?
Nein, aber viele der einzelnen Lebensgeschichten und Schauplätze basieren auf realen Begebenheiten. Ich erkläre es gerne so: Wenn ich recherchiere, baue ich eine Bühne aus Fakten. Ich führe Interviews, besuche Schauplätze, lese Sachbücher und probiere möglichst vieles selbst aus. Erst wenn diese Bühne steht, treten meine Figuren auf. Manche sind realen Personen nachempfunden, andere nicht. Ab diesem Punkt bin ich Zuschauerin – ich schreibe einfach auf, was sie tun.
Was, wenn die Figuren nicht deinem geplanten Plot folgen?
Ich arbeite nicht mit einem festen Plot, höchstens mit einer vagen Vorstellung davon, was passieren könnte. Manchmal entfernen sich die Figuren aber sogar davon. In Fremde Hände zum Beispiel wusste ich bis zum Schluss nicht, wer der Mörder war.
Und wenn der Fall sich am Ende nicht schlüssig auflöst?
(lacht) Regina Flint und Bruno Cavalli sorgen schon dafür, dass seriös ermittelt wird.
Aber was, wenn die Spuren am Ende nicht zusammenpassen?
Sie passen immer. Es ist wie bei einem Dominospiel: Man legt einen Stein, dann sucht man den nächsten. Dabei gibt es nur wenige Möglichkeiten, denn es müssen immer passende Augenzahlen aneinandergereiht werden. Beim Schreiben funktioniert das ganz ähnlich – nur dass ich keine Dominosteine aneinanderlege, sondern Sätze.
Es gibt viel mehr Sätze als Dominosteine …
Aber nicht alle kommen infrage. Meine Figuren haben wenig Handlungsspielraum. Das Gesetz legt genau fest, welche Maßnahmen Regina Flint als Staatsanwältin anordnen darf und welche Kompetenzen Bruno Cavalli als Ermittler hat. Hinzu kommen ihre Persönlichkeiten – ihre Charaktereigenschaften, Erfahrungen, Vorlieben, Stärken und Schwächen.
Gutes Stichwort: Flint und Cavalli. Wie bist du auf diese Figuren gekommen?
In Fremde Hände geht es um Menschenhandel. Mir war es wichtig, die rechtliche Situation der Opfer und die Herausforderungen bei der Strafverfolgung der Täter realistisch darzustellen. Deshalb habe ich mich für eine Staatsanwältin als Hauptfigur entschieden. Sie sollte eine »normale« Frau sein – keine Exzentrikerin, keine Superheldin, sondern eine Juristin, die täglich mit den Realitäten ihres Berufs konfrontiert ist. So entstand Regina Flint.
Und Bruno Cavalli?
Ich hatte nie vor, ein Ermittler-Duo zu erschaffen. Doch als Regina zum Fundort einer Leiche gerufen wurde, stand dort ein Polizist. Da wurde mir klar, dass sich die beiden von früher kennen. Vielleicht brauchte ich einen Moment, um durchzuatmen, bevor ich mich der Leiche widmete. Vielleicht sehnte ich mich inmitten all der Spurensicherung und technischen Begriffe einfach nach etwas mehr Emotion. Jedenfalls war Regina Flint plötzlich nicht mehr nur in ihrem Kopf, sondern auch in ihrem Herzen. Ich betrachtete Bruno Cavalli durch ihre Augen und beschrieb, was sie sah.
Er ist ja ziemlich außergewöhnlich. Er stammt von den Cherokees ab, sein Vater ist Tessiner. Alles andere als »normal«.
Stimmt. Auch das war nicht geplant. Wahrscheinlich habe ich unbewusst einfach nach dem Gegenteil von Regina Flint gesucht. Konflikte treiben eine Geschichte voran, Meinungsverschiedenheiten sorgen für interessante Dialoge. Also zeichnete ich Bruno Cavalli als Kontrastfigur zu ihr.
Warum indianische Wurzeln?
Regina Flint stammt aus einer bürgerlichen Mittelschichtfamilie. Deshalb sollte Bruno Cavalli einen Migrationshintergrund haben. Ich griff auf eine Welt zurück, die mir vertraut war: die USA. Dort bin ich aufgewachsen, und bis heute spüre ich eine enge Verbindung. Die Cherokees haben ein faszinierendes Rechtssystem, das auf einem anderen Umgang mit Verbrechen basiert – ein spannender Stoff für Auseinandersetzungen.
An Auseinandersetzungen fehlt es in den zehn Bänden der Reihe tatsächlich nicht. Die Beziehung zwischen Regina Flint und Bruno Cavalli ist ein ständiger Balanceakt zwischen Nähe und Distanz. Hinzu kommen berufliche Herausforderungen und, ab der Mitte der Reihe, eine gemeinsame Tochter. Wie geht es weiter?
Das frage ich mich auch!
Du hast also keine Ahnung?
Nein – und genau das macht das Schreiben für mich so spannend. Ich klappe jeden Tag meinen Laptop auf, und das Leben der Figuren entfaltet sich auf dem Bildschirm.
Aber das heißt: Es geht weiter. So viel weißt du?
Auf jeden Fall. In Dunkle Mächte hat sich Bruno Cavalli in eine sehr schwierige Lage gebracht. Ich möchte unbedingt wissen, wie er da wieder herauskommt.